Angeblich differenzieren sich die Angebote bei Ausschreibungen neuerdings wieder stärker durch den Preis, und zwar nicht um einstellige Prozente, sondern um bis zu 20 Prozent. Begründet werden diese Angebote mit dem verstärkten Einsatz von Technik, von maschinellen Mopps wie etwa dem iMop. Eine neue Form des „Sozialdumpings“? Zu entsprechenden Fragen von Reinigung aktuell nahmen Stellung: die Bundesbeschaffung GmbH (BBG) sowie – in einem Gemeinschaftsstatement – Christoph Guserl, Geschäftsführer der Gebäudereinigungsakademie, Gerhard Apfelthaler, Leiter des SIGRON-Schulungszentrums, und Christian Höger, Gebäudereinigungsmeister, Berater und Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger.
Die BBG legt zunächst Wert darauf festzuhalten: „Die Umsetzung und Beachtung der vertraglichen Verpflichtungen obliegt dem jeweiligen Auftragnehmer als Adressat von Schutznormen und Kollektivverträgen. Das wird auch seitens der zuständigen Behörden regelmäßig überprüft. Die BBG, als Auftraggeberin und vergebende Stelle, sieht gemäß den vergaberechtlichen Bestimmungen die verpflichtende Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen in ihren Ausschreibungsunterlagen generell – und nicht nur im Reinigungsbereich – vor.“
Reinigung aktuell: Auf welchen Flächen ist der Einsatz von maschinellen Mopps tatsächlich zeitsparend? Etwa auch in Sanitärräumen, Büros mit Schreibtischen etc.?
Guserl, Apfelthaler, Höger: „Im Reinigungsalltag, in dem bei nahezu allen Raumkategorien ein relativ hoher Verstellungsgrad vorherrscht, ist der Vorteil der praktischen Flächenleistung (lt. Herstellerangaben) nicht nutzbar. Noch dazu muss sich der Auftraggeber bzw. der Anbieter die Frage stellen, ob es sich tatsächlich um automatengeeignete Flächen handelt.
Wie durch die kürzlich durchgeführte praktische Erhebung ersichtlich wurde, ist eine Zeiteinsparung gerade auf den von Ihnen erwähnten Raumgruppen mit ,maschinellen Mopps‘ nicht möglich. Die Leistungswerte für die oben erwähnten Raumgruppen sinken bei einer maschinellen Reinigung um bis zu 50 %. Was außer Frage steht, ist ein positiver Qualitätsunterschied gegenüber einer manuellen Reinigung.“
Reinigung aktuell: Welchen Prozentsatz der ausgeschriebenen Gesamtreinigungsflächen könnte durch den Einsatz von maschinellen Mopps tatsächlich eingespart werden?
Guserl, Apfelthaler, Höger: „Eine Einsparung in diesen Raumgruppen ist in der praktischen Anwendung nicht möglich, die Praxistests haben uns gezeigt, dass es hier eher in die andere Richtung geht, das heißt, eine maschinelle Reinigung ist in verstellten Raumgruppen mit mehr Zeitaufwand verbunden als die manuelle Reinigung. In der Erhebung war ersichtlich, dass in etwa 15-20% (abhängig von der Raumgruppe) ohnehin manuell nachgereinigt/gewischt werden muss.“
Reinigung aktuell: Unter der Annahme, dass die gesamte Fläche des ausgeschriebenen Auftrags auch dokumentiert ist, handelt es sich dann bei jenen Flächen, die entgegen den Angaben im Angebot dann doch herkömmlich gereinigt werden müssen um Sozialdumping? Konkret: Wenn etwa Sanitärräume im Angebot durch den Einsatz von maschinellen Mopps schneller gereinigt werden als dann tatsächlich durch die, in der Realität angewendete herkömmlich Methode, die Reinigungskraft aber nur den geringeren Stundenlohn ausbezahlt bekommt, wäre das dann nicht Sozialbetrug bzw. unlauterer Wettbewerb?
BBG: „Die Ausschreibungen der BBG sind so aufgebaut, dass sich der Auftragnehmer verpflichtet, die vereinbarte Leistung zu erbringen. Sollte der Auftragnehmer aufgrund interner organisatorischer Änderungen höhere Zeitaufwände als in der Ausschreibung angeboten haben, so gehen diese Mehraufwände zu seinen Lasten. Für die Überprüfung von Sozialdumping wird auf die zuständigen Behörden verwiesen.“
Guserl, Apfelthaler, Höger: „Wir würden hier etwas weiter ausholen – die Werte, welche bei der Angebotskalkulation durch den Einsatz von ,maschinellen Mopps‘ angegeben werden, sind weit entfernt von der Realität, das bedeutet: Weder durch den Einsatz der maschinellen Reinigung noch durch die manuelle Reinigung sind diese Werte im Normalfall erreichbar. Wir sprechen hier also nicht nur von Lohn- und Sozialdumping, wenn ich als Dienstgeber diese Werte von meinen MitarbeiterInnen verlange, sondern es können die vereinbarten Leistungen mit den Kunden nicht erbracht werden.
Bei Kalkulationen bzw. Angeboten einer maschinellen Reinigung werden durch die theoretischen bzw. auch lt. Papier praktischen Flächenleistungen automatisch Reinigungsstunden reduziert, sodass die MitarbeiterInnen von Dienstleistern für die Erfüllung des Leistungsverzeichnisses für dieselbe Aufgabe weniger Zeit zur Verfügung haben. In diesem Fall wirkt sich das nicht direkt auf den Stundenlohn aus, sondern durch die Überschreitung der Leistungswerte der ÖNORM D2050 entsteht durch zu geringe Stundenkontingente eine klassische Unterentlohnung im Sinne des Lohn- und Sozialdumpings.“
Reinigung aktuell: Gibt es dazu bereits Studien, Fallbeispiele?
Guserl, Apfelthaler, Höger: „Eine von der Bundesinnung in Auftrag gegebene Fallstudie ist gerade in der Fertigstellung und wird demnächst auf www.dfg.at veröffentlicht. Im Zuge der Fallstudie wurden verschiedenste Raumgruppen in diversen unterschiedlichen Objekten getestet, in der ein eindeutiges Ergebnis ersichtlich ist.“
Reinigung aktuell: Falls es sich um Sozialdumping handelt, wie kann dies nachgewiesen werden und wer ist für die Überprüfung zuständig?
Guserl, Apfelthaler, Höger: „Ein Nachweis ist nur möglich, wenn aufgrund der vorhandenen m² Leistungen aus der ÖNORM D2050 eine Gegenüberstellung mit den angebotenen Werten erfolgt. Das heißt, wenn aufgrund des Einsatzes von ,maschinellen Mopps‘ keine Leistungssteigerungen möglich sind, diese aber in Kalkulationen einberechnet werden, dann ergeben sich Differenzen, die durch die ArbeitnehmerInnen nicht erreicht werden können. Um im Vorfeld Lohn- und Sozialdumping ausschließen zu können, hat der Auftraggeber/die ausschreibende Stelle in der vertieften Angebotsprüfung auf Plausibilität für den Einsatz von Maschinen und deren möglichen Flächenleistungen zu überprüfen. Zwecks Unterstützung ist es ratsam, sachkundige Personen hinzuzuziehen. Für die Überprüfung im Verdachtsfall und die Exekution sind letztendlich die Behörden (Finanzpolizei, Sozialversicherungsträger) zuständig.“
Reinigung aktuell: Welche Konsequenzen ergeben sich für jene Betriebe, denen ein allfälliges Sozialdumping bzw. ein unlauterer Wettbewerb nachgewiesen werden kann?
Guserl, Apfelthaler, Höger: „Es handelt sich hierbei um eine Rechtsfrage, welche durch einen Juristen oder die Behörde zu beantworten ist. Erfahrungsgemäß kommt es zu strafrechtlichen Konsequenzen. Des Weiteren ist auch ein Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen für einen gewissen Zeitraum die Folge.
Zu bedenken sind jedoch die innerbetrieblichen Konsequenzen, da durch die Überforderung der MitarbeiterInnen bzw. durch die mangelnde Qualität bei der Leistungserbringung beim Kunden die erhöhte Fluktuation sowie das Reklamationsmanagement einen erheblichen Mehraufwand mit sich bringt. Noch dazu schadet jeder Verdachtsfall und jeder Nachweis dem Image des Unternehmens und der gesamten Branche und natürlich auch dem Auftraggeber bzw. der ausschreibenden Stelle.“
BBG: „Die BBG verurteilt jeglichen arbeits- und sozialrechtlichen Verstoß schon aus grundsätzlichen Erwägungen zum Schutze der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wie eingangs erwähnt, ist die BBG jedoch nicht Normadressat für die Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen im Reinigungsbereich. Aus vergaberechtlicher Sicht lässt sich folgendes festhalten:
Sollte sich im Zuge der Angebotsprüfung herausstellen, dass einem Bieter eine schwere Verfehlung gegen Bestimmungen des Arbeits- oder Sozialrechts nachgewiesen werden kann, wäre er verpflichtend aus dem Vergabeverfahren auszuschließen. In diesem Zusammenhang kann auch darauf verwiesen werden, dass gemäß den Grundsätzen des Vergaberechts zusätzliche sozialpolitische Überlegungen in die Ausschreibungsunterlagen aufgenommen werden können und seitens der BBG darauf Bedacht genommen wird.
Die BBG hält zudem als vergebende Stelle bei sämtlichen Vergabeverfahren ihre gemäß § 93 Bundesvergabegesetz 2018 („BVergG 2018“) bestehende gesetzliche Verpflichtung ein, in ihren Ausschreibungen vorzusehen, dass die Erstellung des Angebotes für in Österreich zu erbringende Leistungen unter Berücksichtigung der in Österreich geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Rechtsvorschriften und der einschlägigen Kollektivverträge zu erfolgen hat. Zu diesem Zweck werden Bewerber und Bieter sowohl in den Ausschreibungsbedingungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren als auch in den kommerziellen Ausschreibungsbedingungen für die Laufzeit nach Abschluss des Vergabeverfahrens in sämtlichen von der BBG durchgeführten Ausschreibungen zur Einhaltung des § 93 BVergG 2018 verpflichtet. Sollten Angebote dem widersprechen, werden diese von der BBG zwingend ausgeschieden; sollten Verstöße im Zuge der Laufzeit aufgedeckt werden, können diese über Auflösungen aus wichtigem Grund geahndet werden.
Rechtskräftige Verletzungen des Arbeits- und Sozialrechts stellen einen vergaberechtlichen Ausschlussgrund dar. Die BBG kommt ihrer gesetzlichen Verpflichtung in jedem der von ihr durchgeführten Vergabeverfahren nach, Nachschau in den Verwaltungsstrafevidenzen der ÖGK zu Lohn- und Sozialdumping-Verstößen und des BMF zu Verstößen im Zusammenhang mit illegalen Beschäftigungen zu halten. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Eintrags bedient sich die BBG des gesetzlichen Instrumentariums des § 83 BVergG 2018, wonach Bieter ihre berufliche Zuverlässigkeit glaubhaft machen müssen; widrigenfalls werden diese für eine im Gesetz maximal vorgegebene Dauer von der Teilnahme an weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen. Die BBG verfolgt daher jeden rechtskräftigen Verstoß und befolgt damit den an sie gerichteten gesetzlichen Auftrag.“