Die Gebäudereiniger-Innungen Österreichs, Deutschlands und der Schweiz trafen sich Ende Oktober zum jährlichen informellen Austausch.
Text: Christian Wolfsberg
An sich treffen sich die drei deutschsprachigen Innungen jährlich, rotierend in den drei Ländern. Das heurige Meeting ist allerdings das erste seit der Pandemie. Die drei Innungsmeister werden immer auch von den jeweiligen Geschäftsführern begleitet. Für die zwei Tage umfasste die Agenda 2022 folgende Themenbereiche: Bewertung der Corona-Pandemie, allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und Auswirkungen auf die Branche, Tarifentwicklung, Arbeitskräftemangel, Kommunikation, Bildung und Nachhaltigkeit. ReinigungAktuell war am Schluss dabei, um das Wesentliche der Besprechungen einzufangen.
ReinigungAktuell: Was waren die zentralen Erkenntnisse aus dem diesjährigem Treffen?
Thomas Dietrich, Bundesinnungsmeister des Deutschen Gebäudereiniger-Handwerks: „Die erste Erkenntnis lautet, dass wir zwar alle im gleichen Handwerk tätig sind, die Rahmenbedingungen in Österreich, der Schweiz und Deutschland aber in der Praxis sehr unterschiedlich sind. Zwei konkrete Beispiele: Während in Österreich die Meisterpflicht gilt, haben wir uns als Branche bereits Anfang der Zweitausenderjahre bewusst dagegen entschieden, dafür aber unser bisheriges, sehr erfolgreiches Tarifsystem beibehalten. Das ist und bleibt die richtige Entscheidung. Zudem werden in Österreich bei öffentlichen Ausschreibungen die Quadratmeterzahlen limitiert/vorgegeben. Bei uns in Deutschland wäre das undenkbar. Hier gehört die Kalkulation zur ureigenen unternehmerischen Aufgabe. Aber bei all dem Trennenden der Systeme – bei den großen drei Herausforderungen gibt es viel Verbindendes, was wir intensiv diskutiert haben: Personalmangel, Nachhaltigkeit, Digitalisierung.“
Jürg Brechbühl, Präsident des Verbands der Schweizer Reinigungs-Unternehmen: „Das Thema flexible Arbeitszeiten ist aus meiner Sicht das wichtigste. Wie wird sich Home Office und die gesteigerte Mobilität auf die Reinigunsbranche auswirken? Wird es dadurch im großen Bereich der Unterhaltsreinigung nun noch mehr Verlagerung in die Nacht geben? Die Tarifverträge und die Gespräche mit den Gewerkschaft müssen viel mehr Flexibilität in die Arbeitszeiten bringen. Durch die Pandemie hat die Branche ihre Systemrelevanz dokumentiert und ist sichtbarer geworden. Aber wird das reichen, um auch in der Unterhaltsreinigung den Staubsauger im Büro akzeptabler zu machen?“
KommR Gerhard Komarek, BZO der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger: „Es gibt zwar den Weltverband der Reiniger und in Europa die EFCI, aber für uns ist nur wirklich relevant, was in unserer unmittelbaren Nachbarschaft passiert, wo ähnliche Probleme und oft auch dieselben Unternehmen tätig sind. Wir nehmen aus diesen Treffen immer sehr viel nach Hause mit; aus Deutschland etwa die neuen Normen für die Krankenhausreinigung oder aus der Schweiz die im Vergleich bessere Rekrutierung von Lehrlingen.“
Worin bestehen die Herausforderungen der Branche in der nächsten Zeit?
Dietrich: „Die größte Herausforderung ist mit Sicherheit die Personalknappheit, die sich durch den demografischen Wandel noch deutlich verschärfen wird. In unserer aktuellen Herbstumfrage geben fast 92 Prozent der Unternehmen an, akut Beschäftigte zu suchen und diesen sofort einen Arbeitsplatz anzubieten. Das unterstreicht den massiven Bedarf auf ganzer Breite. Wir haben in Berlin über die verschiedenen Lösungs-Bausteine gesprochen, die uns wichtig erscheinen: Das ist auf Deutschland bezogen unsere ordentliche Tarifstruktur. Wir haben zum 1. Oktober dieses Jahres unsere Einstiegslöhne um 12,55 Prozent auf 13 Euro angehoben und damit einen deutlichen Abstand zum allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn gewahrt. Wir machen uns stark für mehr Tagreinigung – dies verspricht attraktivere Arbeitszeiten für Beschäftigte und hat zur positiven Folge, dass mehr Stunden am Stück gearbeitet werden können. Sicherlich ist mehr Einwanderung wichtig, genauso wie wir als Gesellschaft perspektivisch über ein höheres Renteneintrittsalter diskutieren müssen. Positiv ist, dass die Bundesregierung die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Rentnerinnen und Rentner verbessert hat – auch diese Personengruppe ist für unsere Unternehmen interessant. Und nicht zuletzt müssen wir weiterhin für die Systemrelevanz unserer Tätigkeit öffentlich werben, um das Imageplus der vergangenen Jahre zu festigen.“
Brechbühl: „Ich denke, wir müssen uns noch mehr mit dem Kunden beschäftigen. Wir müssen noch mehr mit ihm nach Lösungen suchen. Wir müssen noch mehr gemeinsam alles gestalten. Der Arbeitskräftemangel ist ein großes Problem. Wir müssen Wege finden, die Mitarbeiter zu halten, und das wird bedeuten, auch den Lohn und die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Ich denke, wir müssen uns auch auf das Wesentliche konzentrieren, auf das Ergebnis unserer Arbeit. Mir hat ein Kunde unlängst gesagt: Ich will nicht 27 Leistungsverzeichnisse, ich will nur Clean!“
Komarek: „Wenn es insgesamt weniger Arbeitskräfte gibt, dann müssen wir zum Einen schauen, dass wir die derzeitigen Beschäftigten halten können – da sprechen wir über die Verbesserung der Rahmenbedingungen, die Bezahlung, den Sozialstatus, die Wertschätzung der Arbeitnehmer. Zum Zweiten müssen wir als Arbeitgeber attraktiver werden, um neue Arbeitnehmer anzusprechen. Und Drittens brauchen wir die Unterstützung der politischen Entscheidungsträger bei der Schaffung von Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass sich Arbeit auszahlt.
Letztlich erachte ich es als das Wichtigste, darauf hinzuweisen, dass die Branche für Sauberkeit und Hygiene sorgt und somit unser aller Gesundheit absichert. Wir müssen dafür sorgen, dass die Allgemeinheit das entsprechend wertschätzt – das betrifft auch den Preis der Dienstleistung!“