mikrobiologischereiniger

Die Umweltverträglichkeit von Reinigungsmitteln wird sich weiter verbessern

Ökologische Reinigungsmittel sind im Portfolio von Reinigungsmittel-Herstellern nicht mehr wegzudenken. Reinigung aktuell sprach mit Bernd Sonnberger, Experte für Chemie und Umwelt bei Sigron, über den Ökologie-Anspruch von Herstellern und Markt, die Einsatzmöglichkeiten und die Grenzen mikrobiologischer Reiniger.

Bernd Sonnberger,
Sigron
Welchen Stellenwert haben ökologische Reinigungsmittel bei den Anwendern der Reinigungsbranche bekommen?

Sonnberger: So genannte „ökologische Reinigungsmittel“ werden bereits seit über einem halben Jahrhundert als solche beworben: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Schlagworten wie „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“ oder „biologisch abbaubar“, heute mit Begriffen wie „ökologisch“ und „nachhaltig“. Betrachtet man die Häufigkeit der Verwendung solcher Attribute damals wie heute, so scheint sich ihr – hoher – Stellenwert im Laufe der Jahrzehnte nicht verändert zu haben. Seit den Schaumteppichen auf europäischen Flüssen in den 1950er Jahren sind sich private wie professionelle Anwender bewusst, dass mit einer Reinigung immer eine – möglichst gering zu haltende – Gewässerbelastung verbunden ist.

Was hat sich in der Zwischenzeit geändert?

Zum einen hat sich die Gesetzgebung weiterentwickelt, und früher noch als Mehrwert vermarktbare Eigenschaften wie z. B. biologische Abbaubarkeit sind mittlerweile gesetzlich verankert. Zum anderen gibt es heute privatrechtlich verbindliche Zertifizierungssysteme wie z. B. das Europäische und Österreichische Umweltzeichen, mittels derer eine über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Umweltverträglichkeit nachgewiesen werden kann. Sie haben speziell in der öffentlichen Beschaffung einen beträchtlichen Stellenwert, infolge eines im Laufe der Zeit immerhin doch weiter gewachsenen gesamtgesellschaftlichen Umweltbewusstseins.

Mikrobiologische Reinigungsmittel gelten als Innovation in Sachen umweltschonende Reinigung. Was ist darunter zu verstehen? 

Grundstock dieser Produkte sind Kulturen oder Sporen von „guten“ Mikroorganismen, meist Bakterien, die nach Ausbringen auf die zu reinigende Oberfläche dort befindliche organische, also kohlenstoffhaltige, Verschmutzungen biologisch abbauen. Gleichzeitig verdrängen sie gegebenenfalls vorhandene „schlechte“ geruchsbildende Bakterien, denen sie die Nahrungsgrundlage – eben den zu beseitigenden Schmutz – entziehen, der ansonsten in unangenehm riechende Abbauprodukte umgewandelt würde. Vielfach handelt es sich bei den „guten“ Bakterien um die gleichen Stämme, die auch zur Nahrungsmittelergänzung als so genannte Probiotika Verwendung finden. Dadurch hat sich der unglücklich gewählte Begriff „probiotische Reinigungsmittel“ eingebürgert. Unglücklich, weil solche Produkte natürlich genauso wenig zum Verzehr geeignet sind wie ihre konventionellen Gegenstücke.

Ein auf Basis moderner marktgängiger Tenside und Zusatzstoffe formuliertes konventionelles Reinigungsmittel ist nicht umweltschädlicher als sein mikrobiologisches Gegenstück.

Inwiefern sind diese Reinigungsmittel – wie behauptet – umweltschonender als konventionelle Produkte?

Konventionelle Produkte – egal ob auf Basis synthetischer oder natürlicher reinigungsaktiver Substanzen – liefern per se einen Beitrag zur Abwasserfracht, da ihre Inhaltsstoffe in den Kläranlagen und, sofern Restmengen in natürliche Gewässer gelangen, dann dort weiter unter Sauerstoffzehrung biologisch abgebaut werden. Diese Belastung durch Sauerstoffzehrung entfällt im Falle mikrobiologischer Reinigungsmittel, was aber bei näherer Betrachtung auch der einzige Umweltvorteil ist. Nach der seit 2004 EU-weit verbindlichen Detergenzienverordnung müssen die in privaten wie gewerblichen Produkten enthaltenen reinigungsaktiven Substanzen, das sind Tenside, schnell und vollständig biologisch abbaubar sein. Auch sonstige Inhaltsstoffe, die in dieser Verordnung nicht geregelt sind, wie z. B. Lösemittel oder Reinigungsalkohole, unterliegen der europäischen Chemikaliengesetzgebung mit strengen und zunehmend restriktiveren Anforderungen an die Umweltverträglichkeit. Ein auf Basis moderner marktgängiger Tenside und Zusatzstoffe formuliertes konventionelles Reinigungsmittel ist nicht umweltschädlicher als sein mikrobiologisches Gegenstück.

Wo können diese Reinigungsmittel überall zum Einsatz kommen?

Einsatzgebiete sind da, wo der Faktor Zeit eine untergeordnete Rolle spielt und gleichzeitig der Einsatz von Mechanik eingeschränkt ist, z. B. bei porösen oder schwer zugänglichen Oberflächen. Paradebeispiel sind öffentliche Toiletten mit ihrer immanenten Geruchsbelästigung, die mit mikrobiologischen Reinigern wesentlich besser in den Griff zu bekommen ist als mit konventionellen Produkten. Auch als Abflussreiniger sind sie eine ernstzunehmende Alternative zu aggressiven Rohrreinigern auf Basis hochkonzentrierter Laugen.

Wo liegen die Grenzen mikrobiologischer Reiniger?

Der erwähnte Faktor Zeit spielt in der professionellen Reinigung eine wesentliche Rolle und erfordert den Einsatz schnell wirkender Produkte, mit denen mikrobiologische Reiniger prinzipiell nicht mithalten können. Denn die Bakterien selbst benötigen ja erst einmal ihre Zeit zum Anwachsen. Gänzlich ungeeignet sind sie auch für die Beseitigung mineralischer Verschmutzungen wie Kalkablagerungen, die nur mittels mehr oder weniger starker Säuren entfernt werden können. Ein nicht unwesentlicher Nachteil ist auch das psychologische Moment eines mit Sauberkeit assoziierten Dufterlebnisses, welches sich mit ausschließlich auf Mikroorganismen basierten Produkten nicht erzeugen lässt. Da Duftstoffe als ätherische Öle meist schlecht wasserlöslich sind, müssen zu ihrer Einarbeitung in wässerige Formulierungen – wozu mikroorganismenhaltige Reiniger in der Regel gehören – oberflächenaktive Substanzen zugesetzt werden. Da es sich dabei chemisch um die gleichen Stoffe wie die in konventionellen Produkten zur Schmutzentfernung eingesetzten Tenside handelt, enthalten parfümierte mikrobiologische Reiniger dann doch wieder genau die Substanzen, deren Abwesenheit in der Werbung als wesentlicher Umweltvorteil hervorgehoben wird.

Hinsichtlich Umweltverträglichkeit ist der Unterschied zwischen zertifizierten und konventionellen Produkten immer kleiner.

Ein Blick in die Zukunft: Wohin entwickelt sich Ihrer Meinung nach der Markt für ökologische Reinigungsmittel? 

Dazu sollte als erstes hinterfragt werden, was unter dem nicht klar definierten Begriff „ökologische Reinigungsmittel“ zu verstehen ist. Wasch- und Reinigungsmittel weisen in Europa eine gesetzlich geregelte hohe Umweltverträglichkeit auf, die sich in naher Zukunft noch weiter verbessern wird. So wird derzeit die bereits erwähnte Detergenzienverordnung überarbeitet, mit übrigens einem legislativen Novum, nämlich erstmaligen Rechtsvorschriften für mikrobiologische Reiniger! In Zukunft werden u. a. die einzusetzenden Bakterienstämme, Testungen auf Kontaminationen mit Krankheitserregern, Verbote genmanipulierter und antibiotikaresistenter Varianten gesetzlich verpflichtend sein. Auch das übergeordnete Chemikalienrecht entwickelt sich ständig weiter, in Richtung immer restriktiverer Vorschriften auch für die Inhaltsstoffe von Reinigungsmitteln jeglicher Art. Hinsichtlich Umweltverträglichkeit ist der Unterschied zwischen zertifizierten und konventionellen Produkten immer kleiner.

Unter „ökologischen Reinigern“ werden im Allgemeinen gerade solche mit z. B. dem Österreichischen oder Europäischen Umweltzeichen zertifizierte Produkte verstanden. Bedeutet das, dass diese in Zukunft obsolet werden?

Sicher nicht. Speziell im öffentlichen Bereich werden Produkte mit drittseitig zertifizierter Umweltverträglichkeit weiterhin einen hohen Stellenwert haben. Hier wäre es allerdings wünschenswert, dass die Beschaffungsstellen nicht ausschließlich nach den Zertifikaten schauen, sondern sich selbst ein Bild von den Umwelteigenschaften der einzusetzenden Produkte machen, vor dem Hintergrund der generellen, gesetzlich verankerten Sicherheit für Mensch und Umwelt aller in der Europäischen Union verkaufsfähigen Wasch- und Reinigungsmittel.

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