Alle Jahre wieder ist auch das Thema „Winterdienst“ für Hausverwaltungen und Eigentümer, aber auch Dienstleister schnell präsent. Und damit einhergehend Probleme und Fragen zur Haftung im Fall der Fälle.
Text: Erika Hofbauer
Grundsätzlich ist sehr viel gesetzlich geregelt, natürlich auch die Angelegenheiten der wintersicheren Gebäude und angrenzenden Flächen. Robert Kletzander, Prokurist der Dimmi Hausbetreuung: „Prinzipiell gilt für öffentliche Räumflächen wie z.B. den Gehsteig bundesweit der §93 StVO, sowie in Wien die Winterdienstverordnung 2003 sowie deren Novelle 2011. Für die Innenflächen wie z.B. Zugangswege gilt der §1319a ABGB. Dementsprechend sollte der Auftraggeber bereits bei seiner Anfrage bekanntgeben, welche Haftung er übertragen möchte.“ Das daraus folgende Angebot müsse möglichst detailliert wiedergeben, welche Flächen umfasst sind, sodass der Auftraggeber diese auch nachvollziehen könne. Im Optimalfall liege dem Angebot auch ein Räum-Plan bei, um Unklarheiten auszuschließen: „Flächenaufstellungen ohne Maße lassen im Haftungsfall Spielraum für allerlei Interpretationen und sind daher nicht zu empfehlen“, so Kletzander.
Aus Sicht der Hauseigentümer sieht Martin Prunbauer, Präsident des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes (ÖHGB), noch weitere Aspekte im Zusammenhang mit Haftungsfragen: „Das betrifft einerseits eine ausreichend konkretisierte Festlegung der vertraglichen Pflichten des Winterdienstleisters, um Fragen und in der Folge auch Streitigkeiten hinsichtlich des Umfanges der übertragenen Arbeiten zu vermeiden. In Betracht kommt auch ein etwaiger Regress des Eigentümers gegenüber dem Winterdienstunternehmen im Falle einer Schadenersatzleistung durch den Eigentümer.“ Einem Eigentümer sei dringend angeraten, ein Unternehmen, bei dem verschiedene Fragen nicht zweifelsfrei geklärt sind, nicht zu beauftragen, so Prunbauer. Ähnlich sieht dies auch Dagmar Lehner, Juristin in der Rechtsabteilung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV): „Zentrale Haftungsfragen, die sich immer wieder stellen, sind:
- Was genau ist vertraglich vereinbart worden (Räumung nur bei Bedarf, in einem bestimmten Zeitraum, Kontrolle, …)?
- Kommt es zu einem Schadenfall: War die zu räumende Fläche (zB Gehsteig) in einem so mangelhaften Zustand, dass daraus eine Haftung resultiert?
- Wenn ja – Welcher Grad des Verschuldens ist gegeben (leichte/grobe Fahrlässigkeit – Vorsatz)?
Für Dimmi-Prokurist Kletzander sind auch noch weitere Punkte im Zusammenhang mit etwaigen Haftungsfragen bei winterlichen Verhältnissen zu beachten: „Der §93 StVO teilt sich in mehrere Abschnitte, wovon Absatz 2 besonders erwähnenswert ist: hier geht es um die Entfernung von Gefahrenquellen aus dem Dachbereich der Liegenschaft wie beispielsweise Dachlawinen. In der Praxis verfügen die Winterdienstunternehmen selten über die Möglichkeit, Dächer mit eigenem Personal abzuschaufeln, und über Drittfirmen, z.B. einem Dachdecker, ist eine zeitnahe Beseitigung meist nicht möglich. Es hat sich daher die Aufstellung von Warnstangen etabliert, die im Bedarfsfall an der Fassade montiert werden, um andere Verkehrsteilnehmer auf eine Gefahrenquelle hinzuweisen. In der Regel firmiert diese Leistung als ,Tauwetterkontrolle‘, da dabei auch Eisbildungen am Gehsteig entfernt werden. Der Auftraggeber sollte diese Leistung bei seinem Winterdienstunternehmen hinterfragen, insbesondere wie die dauerhafte Befestigung der Warnstangen bis zu deren Entfernung gewährleistet ist und ob diese Leistung nachweisbar erfolgt.“
Was auch wesentlich ist: Im Zuge der Feinstaubthematik hat die Stadt Wien bereits 2003 verordnet, dass der Streusplitt eingekehrt werden muss, wenn er nicht mehr erforderlich ist. Kletzander: „Verstöße dagegen werden mit Bußgeldern geahndet. Deshalb ist es wichtig, dass der Winterbetreuungsvertrag sämtliche Zwischenkehrungen beinhaltet.“ Bei Fragen der Haftung, so der Dimmi-Prokurist weiter, sei letztlich entscheidend, ob die Anrainerverpflichtung des Eigentümers an einen „tüchtigen Erfüllungsgehilfen“ übertragen wurde. Sollte dieser seinen Verpflichtungen offensichtlich nicht nachkommen, bleibe die Haftung trotz Vertrag beim Anrainer. Dieser habe Ersatzvornahmen zu organisieren, die er bei seinem Vertragspartner regressieren könne.
Schwierige Rechtsprechung
Freilich treten – gesetzliche Regelung hin oder her – immer wieder Situationen auf, in denen Haftungsfragen oft nicht ganz eindeutig zu erkennen sind. Welche Probleme ergeben sich, wo vordergründig bzw. laut Gesetz „alles klar geregelt“ ist, aber in der Praxis doch anders entschieden wurde? Dimmi-Prokurist Kletzander: „Der Winterdienst ist lt. §93 StVO zwischen 06:00 Uhr und 22:00 Uhr zu erfüllen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es ab 22:01 Uhr keine Haftung bei ungeräumten Gehsteigen gibt. Die Haftung geht darüber hinaus, wenn beispielsweise ein Sturz auf eine vorangegangene Nichträumung zurückzuführen ist. Allerdings ist hier das Schneefall-Ende zu berücksichtigen, da dem Unternehmen Zeit zur Räumung eingeräumt werden muss. Obacht geben muss man, so Markus Gilli, Vertriebs-Geschäftsführer beim Maschinenring, bei defekten Dachrinnen, die eine Eisbildung verursachen: „Hier besteht Hinweispflicht von Seiten des Liegenschaftseigentümer, aber auch die Behebung des Schadens. Natürlich ist der Winterdienstleister auch verpflichtet, solche Situationen dem Liegenschaftseigentümer zu melden.“ Ähnlich verhalte es sich bei Unebenheiten oder Vertiefungen auf Verkehrsflächen bzw. Gehwegen: Auch hier bestehe Hinweispflicht von Seiten des Liegenschaftseigentümers, aber auch die Pflicht zur Behebung des Schadens.
Für KFV-Juristin Lehner kann es dann zu Unklarheiten kommen, wenn beispielsweise ein Weg unerlaubt benutzt wird, es also Hinweisschilder gab, die die Benutzung eigentlich verbieten. Ist dann die Haftung (des Wegehalters oder eines Dienstleisters) automatisch ausgeschlossen? Hier kommt ein deutliches „Jein“, und die Juristin erläutert die Problematik:
- Führen Schilder wie z.B. „Betreten auf eigene Gefahr“ zu einem Haftungsausschluss? Das ist die weit verbreitete – praktische – Ansicht. Laut Rechtsprechung sind solche Schilder nicht ausreichend, um sich aus einer Haftung zu lösen.
- Gleiches gilt für die Kundmachung von Öffnungszeiten (beispielsweise am Supermarktparkplatz). Das würde nicht ausreichen als Hinweis, dass außerhalb der Öffnungszeiten nicht geräumt wird, eine zusätzliche Abschrankung ist nötig.
- Generell gilt zur Rechtsprechung: Es mag der Eindruck entstehen, dass zwei vermeintlich gleiche Sachverhalte anders entschieden werden. Jedoch: jede Entscheidung eines Gerichts ist eine Einzelfallentscheidung unter Anbetracht aller Umstände. Daher können zwei vermeintlich idente Schadenfälle anders entschieden werden, weil z.B. unterschiedliche örtliche oder witterungsbedingte Umstände gegeben waren.
Auch Eigenverantwortung zählt
Apropos Rechtsprechung: Man hört immer wieder, dass Gerichte in ihrer Rechtsprechung dazu tendieren, Verträge zwischen Liegenschaftseigentümer und Winterdienstleister nicht automatisch auch als Vertrag gegenüber z.B. Mietern anzusehen (und daher keine Haftungsansprüche von Mietern zu Winterdienstleistern besteht – Stichwort Eigenverantwortung). Wie sieht es hierzu im Alltag von Eigentümern und Dienstleistern aus? Robert Kletzander von der Hausbetreuung Dimmi: „Wir haben zum Glück sehr wenige Rechtsfälle, sodass ich hier wenig dazu sagen kann. Hinsichtlich Eigenverantwortung werden aber – soweit ich weiß – vor Gericht die Umstände, die zum Schadensereignis beigetragen haben, hinterfragt. War ein Fußweg trotz schlechter Witterung unbedingt erforderlich? Gab es die Möglichkeit, der Gefahrenquelle auszuweichen? Welches Schuhwerk wurde getragen?“ Für ÖHGB-Präsident Prunbauer stellt sich die Sachlage so dar: „Der Mieter steht in einem vertraglichen Verhältnis zum Vermieter, aber nicht zum Winterdienstunternehmen. Während der Vermieter dem Mieter gegenüber vertraglich haftet – wegen Verletzung nebenvertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem Mietvertrag -, tritt bei Beauftragung eines Winterdienstunternehmens dieses an die Stelle des streupflichtigen Anrainers, siehe auch § 93 Abs 5 StVO.“ Demnach haftet der Unternehmer, der den Winterdienst übernommen hat, für das Verschulden der Gehilfen im Rahmen der Besorgungsgehilfenhaftung. Darüber hinaus, so Prunbauer, darf nicht übersehen werden, dass dem Liegenschaftseigentümer auch bei Beauftragung eines Winterdienstunternehmens die Haftung für ein Auswahlverschulden, Organisations- und Überwachungsverschulden trifft: „Dazu werden auch dritte Personen, etwa die zur Hausgemeinschaft des Mieters gehörenden Personen, Familienangehörige und Hausangestellte gezählt. Nicht erfasst sind kurzweilig anwesende Personen, wie z.B. Handwerker, Lieferanten oder Besucher.“ Auch die gesetzlich geregelte Räumpflicht zwischen 6:00 und 22:00 Uhr dürfe nicht allzu eng gesehen werden, gibt der Rechtsexperte zu Bedenken: „So hat der OGH schon in der Entscheidung 2 Ob 78/08x festgehalten, dass aus einem Zeitungs-Abo-Vertrag erfließende Schutz- und Sorgfaltspflichten bestehen und sich eine Räumpflicht auch außerhalb dieser Zeiten ergeben kann.“ Zusammengefasst sollte man bei Beauftragung von Winterdienstunternehmen auch die besonderen Umstände des Einzelfalles berücksichtigen, so Prunbauer.
Keine automatische Haftung
Für die Konstellation Eigentümer – Dienstleister – Mieter gilt, so KFV-Juristin Lehner, die Besonderheit, dass sich die Vorteile des Vertrages (Räumungspflicht) auf den Mieter als so genannten „Dritten“ beziehen: „Solche Verträge werden als Verträge zugunsten Dritter bezeichnet. § 93 Abs 5 StVO bestimmt genau in diesem Sinn: Der Dienstleister tritt hinsichtlich der Verpflichtungen aus dem Vertrag an die Stelle des Eigentümers.“ Hinsichtlich der „Eigenverantwortung“ sieht Lehner diese unabhängig von zugrundeliegenden Vertragsverhältnissen: „Es wird von jedem Menschen verlangt, dass er „vor seine eigenen Füße schaut“. War eine rechtzeitige Räumung nicht zumutbar, z.B. im Falle eines unvorhersehbaren Blitzeises, geht der Mieter trotzdem außer Haus und stürzt, führt das nicht automatisch zu einer Haftung. Hier wird vom Mieter Eigenverantwortung verlangt. Unter Umständen kommt es zu einer Schadensteilung.“
Wichtige Zukunftsfragen
Worauf müssen sich Winterdienstleister in Zukunft verstärkt einstellen? Robert Kletzander, Prokurist der Dimmi Hausbetreuung: „Da heute jeder ein Smartphone besitzt und die Unfallstelle fotografieren kann, ist es wichtig, dass auch die erbrachte Leistung mittels Fotos dokumentiert wird. Bei entsprechender Witterung ist eine vorangegangene Räumung oft nicht mehr erkennbar, was zu einem Erklärungsnotstand führen kann. Bei uns werden z.B. sämtliche Einsätze mit Fotos von jeder Räumfläche in Echtzeit dokumentiert, sodass die Auftraggeber in Haftungsfragen abgesichert sind.“ Für ÖHGB-Präsident Prunbauer wird die Zukunft der Winterdienstleister maßgeblich davon abhängen, welche Zusagen einem Auftraggeber erteilt werden, welche konkreten Verträge zur Anwendung gelangen und welche Eigenverpflichtungen übernommen werden: „Unabdingbar ist vorausgesetzt, dass Winterdienstunternehmen über die entsprechenden Personalressourcen, Betriebsmittel und Versicherungen verfügen.“ Für KFV-Juristin Lehner wird auch künftig immer gefragt sein: „Was ist dem Räumungsunternehmen zumutbar, und wurde alles Zumutbare eingehalten? Empfehlenswert für Winterdienstleister ist, eine möglichst umfassende Dokumentation ihrer Leistung z.B. Streu- und Einsatzpläne zu haben, sodass bei etwaigen Haftungsfragen die Beweisbarkeit gegeben ist.“ Laut Maschinenring-Vertriebsgeschäftsführer Gilli wird die Arbeit nicht weniger werden: „Der Hauptgrund der Auslagerung des Winterdienstes ist die Übergabe der Haftung an den Winterdienstleister. Diese wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Auch viele Wohnhausgenossenschaften haben wenig Überblick über die Flächen, die zum Eigentum gehören. Hier sind diese gefordert, diese Flächen genau zu erheben oder erheben zu lassen und zu definieren, um dem Winterdienstleister genaue Anweisungen geben zu können. Darüber hinaus gewinnt der Einsatz von richtigem Streumaterial in Zukunft noch mehr an Bedeutung, um eventuelle Schäden an Materialen wie Hausfassaden, Geländer oder Stiegen zu vermeiden“.
Haftung für Winterdienstleister
Der Eigentümer kann die ihn nach der StVO treffende „Streu- und Räumpflichten“ an ein Winterdienstunternehmen übertragen und haftet dann bei Verletzung der „Streu- und Räumpflichten“ geschädigten Personen für seine Besorgungsgehilfen zivilrechtlich gemäß § 1315 ABGB.
Diese Haftung tritt dann ein, wenn er sich einer grundsätzlichen untüchtigen Person bedient („Auswahlverschulden“) oder deren Tätigkeit nicht angemessen kontrolliert („Organisations- und Überwachungsverschulden“). Freilich ist davon auszugehen, dass sich ein Eigentümer im Fall einer Haftung an dem Winterdienstunternehmen regressieren wird. Ein Winterdienstunternehmen, das Leistungen zusagt, haftet für deren ordnungsgemäße Erfüllung und wird bei Eintritt eines Schadens schadenersatzpflichtig.
Steht die geschädigte Person zum Liegenschaftseigentümer in einer rechtlichen Beziehung – so wie ein Mieter nach Maßgabe des Mietvertrages – so kommt bei Verletzung der Streu- und Räumpflichten ein vertraglicher Haftungsanspruch des Mieters gegen den Vermieter wegen Verletzung nebenvertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem Mietvertrag in Betracht. Der Liegenschaftseigentümer kann sich nicht grundsätzlich entlasten, ein Winterdienstunternehmen beauftragt zu haben. Er haftet im Fall der Beauftragung eines Winterdienstunternehmens im Wege der Erfüllungsgehilfenhaftung nach § 1313 a ABGB für das Verschulden des Winterdienstunternehmens wie für sein eigenes. Auf ein eigenes Verschulden des Liegenschaftseigentümers kommt es in diesem Fall also gar nicht an. Dem Eigentümer ist aber anzuraten, sich in diesem Fall beim Winterdienstunternehmen zu regressieren.
Bei der Beauftragung von Unternehmen zur Besorgung des Winterdienstes ist daher auf eine ausreichend klar bestimmte vertragliche Formulierung zu achten, um Fragen und in der Folge auch Streitigkeiten hinsichtlich des Umfanges der übertragenen Arbeiten zu vermeiden. Dazu gehören vertragliche Vereinbarungen betreffend den zeitlich zumutbaren Rahmen in Bezug auf den Beginn der Streu- und Räumungspflichten, der Tauwetterkontrolle, aber auch Vereinbarungen betreffend Entfernung von Dachlawinen, die nicht routinemäßig Gegenstand Betreuungspflicht des Winterdienstunternehmens darstellen. Diesbezüglich wird in der Mehrzahl der Fälle oft ein Dachdecker oder Spengler mit der Entfernung der Dachlawinen betraut. Der ÖHGB empfiehlt beispielsweise In der Beratung den Liegenschaftseigentümern, sich genau über die konkret übernommenen Pflichten durch das Winterdienstunternehmen aufklären zu lassen. Diese übernommen Pflichten müssen in einem solchen Vertrag deutlich und zweifelsfrei festgelegt werden.
Quelle: ÖGHB