Cover 11 2013

Der Preis

Das Bermuda Dreieck der Reinigung lautet: Gebäudereiniger-Kunde-Sauberkeit. Die Gebäudereiniger bieten billig an, die Kunden lügen sich in den Sack, wenn sie glauben, dass mit billig eine adäquate Leistung verbunden ist, und die Sauberkeit (die Qualität) bleibt dann auf der Strecke.

Text: Christian Wolfsberg

Die Diskutanten in alphabetischer Reihenfolge: Mag. Peter Edelmayer, Geschäftsführer Dussmann, Karl Habisohn, Consilium, Mag. Christoph Kecht, Campusmanagement WU Wien, Harald H. Peterka, MSc, Facility Management Universität Wien.

ReinigungAktuell: Laut Innung (siehe Seite 23) kostet die Reinigungsstunde zu Vollkosten, also Lohn plus Lohnnebenkosten, Sonderzahlungen, Krankenstand, Kündigung, Behindertenausgleichstaxe, U-Bahn Steuer etc.) etwa 19 €. Aber bekanntermaßen geht die Stunde auch billiger über den Ladentisch. Warum bietet ein Gebäudereiniger unter diesen Selbstkosten an und wie rechnet sich das trotzdem?

Edelmayer: „Wir wissen alle, dass teilweise deutlich unter diesen 19 €/Stunde angeboten wird, in vielen Objekten wäre ich mit diesem Preis auch nicht konkurrenzfähig. Aber unter den Selbstkosten  anzubieten, da wird entweder in Richtung Mitarbeiter oder Kunde nicht seriös agiert oder beides. Wir machen das nicht, warum es andere tun, weiß ich nicht, manche erklären es mit Markteintritt oder Referenzobjekten. Betriebswirtschaftlich rechnet sich das nie und nimmer – wenn seriös kalkuliert und gearbeitet wird!“

Habisohn: „Ich habe in vielen großen Unternehmen gearbeitet und kann mir das auch nicht erklären. 19-20 € wären aber ein sehr wünschenswertes Niveau. Die Unternehmen kalkulieren aber eben ihren Selbstkostenpreis jeweils sehr individuell … manche haben erstaunlicherweise keine Krankenstände, kein Material, keine Verwaltung, keine Führung! Der Spielraum liegt bei den Lohnnebenkosten; die Wirtschaftskammer sieht die bei knapp 100 %, aber manche kalkulieren eben mit 67 %.“

Edelmayer: „Mit solchen Zahlen werde ich öfters konfrontiert. Der theoretische Spielraum liegt eindeutig bei den Krankenstandstagen. Mitbewerber behaupten dann, dass die Krankenstände ihrer Mitarbeiterinnen bei 2 Tagen im Jahr liegen, was vollkommener Unsinn ist. Bei Dussmann kommen wir aber unter 85 % Lohnnebenkosten nicht durch.“

Peterka: „Der Stundenlohn in der Reinigung ist vollkommen nebensächlich. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter ordnungsgemäß entlohnen und kalkulieren, verlangen eben so zwischen 16-20 €. Der wirkliche Hebel ist ja, wie viel leistet der Mitarbeiter in dieser Stunde? Der Stundensatz ist fix, variabel ist die Leistung. Profitabel wird ein Auftrag durch die Leistung, die Effizienz, die Logistik, aufgrund der Rüstzeiten, dem Maschineneinsatz, der Führung. Die Konzentration des Auftraggebers auf den Stundensatz allein ist Unfug. Der Dienstleister schaut einmal, ob er den Auftrag kriegt … dann übt er am Kunden: Wo schaut dieser hin? Erkennt er, wo nicht gereinigt wird? Und so wird ein 15,80 € Auftrags im Nachhinein auch profitabel.“

Die Kunden lügen sich gerne in den Sack. Billig eingekauft, bedeutet wenig Leistung. Warum tun sie das trotzdem?

Kecht: „Tatsächlich, die Variable ist der Leistungsinhalt. Man muss unterscheiden zwischen der privaten, also der freien Vergabe und der öffentlichen, wo gesetzliche Rahmen zu beachten sind. Als öffentlicher Einkäufer muss ich mich an das Bundesvergabegesetz halten, und da spielen subjektive Kriterien wie Qualität, Kontinuität und was immer mir sonst noch vielleicht wichtig wäre keine Rolle. Der Preis ist das wichtigste Kriterium. Ich kann Qualitätskriterien einführen – am besten nicht zu viele, denn diese muss ich in einem Nachprüfungsverfahren darlegen und sie müssen, auch für einen Richter, objektivierbar sein, und das ist eben sehr schwierig bei Qualitätsmerkmalen.“

Manche Preise dürften aber gar nicht sein, denn zu diesem Preis kann es keine legale Leistung geben…

Kecht: „Wenn ein Fabelpreis, sagen wir 10 €/Stunde, angeboten wird, habe ich dennoch Schwierigkeiten, ihn auszuscheiden, denn die Verantwortung, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, liegen ja bei ihm. Ich müsste ihm eine definitive Missachtung des Gesetzes nachweisen, aber die Kalkulationen sind in der Regel zu vernebelt.“

Ist nicht eines der Probleme, dass der Einkäufer und der Abnehmer der Leistung oft verschiedene Personen sind?

Peterka: „Das ist auch vernünftig so, aber wenn der Nutznießer, der Abnehmer nicht ausreichend Einfluss auf die Beschaffung hat, dann wird kurzsichtig vergeben und der Preis steigt in der Bedeutung. Wir teilen die Beschaffung in Strategie – WAS wollen wir – und in eine operative Einheit – WIE machen wir es. Wir wissen, was die Stunde kostet, wir lassen uns auch immer das Angebot auf Punkt und Beistrich offenlegen und haben den Mut, auch unterpreisige Bieter auszuscheiden. In einer Partnerschaft, finde ich, tragen Auftragnehmer und Auftraggeber gemeinsam die Verantwortung. Dumme Auftraggeber suchen sich dumme Anbieter!“

Edelmayer: „Es gehören ja zwei dazu: einer, der unseriös billig anbietet, und ein Kunde, der das akzeptiert. Es gibt viele, zu viele Kunden, die das Angebot nicht auf Plausibilität prüfen oder oft auch dazu nicht im Stande sind. Die Anzahl der notwenigen Stunden ist neben Stundensatz entscheidend für das Angebot. Es ist ein Unterschied, ob ich für ein Objekt 4 oder 6 Stunden brauche. Für den Kunden ist das oft sehr schwierig zu beurteilen. Daher tun sich viele die Beurteilung der Quadratmeterleistung gar nicht an.“

Peterka: „Himbeersaft ist Himbeersaft, ob ich ihn 1:1 oder 1:5 verdünne! Ich habe früher, als ich noch Dienstleister war, meinen Kunden gesagt: Wenn Sie wollen, dass ich Sie betrüge, mache ich das. Ich mache es so intelligent, Sie werden mir nie draufkommen und ich sage ihnen auch wie: ich reinige fast gar nicht, aber ich habe ein exzellentes Fehlermanagement, ich bin sehr freundlich und bemüht und sehr einsichtig. Ich mache das mit Psychologie.“

Wenn ich ein Packerl Schnitten um 40 Cent verkaufe, muss doch jeder wissen, dass da Schnitten fehlen müssen?

Peterka: „Wenn ich die Schnitten klar definiere, Gewicht, Inhalt, Ablaufdatum etc., dann kann ich auch zum Billigstbieter ausschreiben. Analog: Wenn alle Reiniger mein exaktes Qualitätsniveau bringen, suche ich mir den Billigsten. Nur verlangt das eine sehr ausgeklügelte, juristisch lupenreine Vergabe, und das funktioniert in der Reinigung oder der Sicherheit nicht.“

Edelmayer: „Die Schnitte kann ich exakt definieren. Aber was ist wirklich sauber? Das ist in unserer Dienstleistung immens schwierig zu beurteilen.“

Verdient wird dort, wo nicht gereinigt wird?

Habisohn: „Das ist ein alter Spruch. Tatsache ist aber auch, dass die Ansprüche gestiegen sind, die Leistungsanforderungen werden immer höher, daher muss jeder innerhalb des Stundensatzes bis zur Maximalleistung gehen. Das Budget der Auftraggeber wird weniger, aber die Leistung soll mehr sein.“

Muss man im öffentlichen Bereich den Billigsten nehmen, stimmt das?

Kecht: „Natürlich hat auch der Auftraggeber eine Verantwortung, aber es gibt bei der Vergabe wenig Spielraum. Wenn ich z. B. aus Nachhaltigkeitsgründen den Teureren nehmen, habe ich sehr viel Erklärungsbedarf – der Rechnungshof schaut einfach auf die Preise. Es beginnen sich die Lebenszykluskosten durchzusetzen, denn wenn ich 5 Jahre schleißig reinige, hole ich das wahrscheinlich nie wieder auf.“

Edelmayer: „Zum Beispiel die Jalousienreinigung: ein paar Jahre nichts gemacht … die sind einfach kaputt! Kosten für Neuanschaffung steht in keinem Verhältnis zu einer regelmäßigen Reinigung.“

Wäre mehr Nachverhandlung, also mehr Kommunikation bei den Ausschreibungen sinnvoll?

Edelmayer: „Ich würde mir bei bestehenden Kunden regelmäßige Feedback-Runden wünschen, wo mit offenen Karten gespielt wird und auch die eine oder andere Nachbesserung zur Sprache kommt. Wer einen preislich ruinierten Auftrag übernimmt, bekommt den ja kaum mehr wieder auf ein akzeptables Niveau.“

Welche Verbesserungen würden Sie sich wünschen?

Peterka: „Wir Auftraggeber würden uns 10-Jahresverträge wünschen, da könnten beide Seiten langfristig optimieren und voneinander profitieren, und gute Facility Manager könnten diese auch ausgestalten. Ich glaube aber leider, dass jene, die auf den raschen Gewinn aus sind, so eine sinnvolle zukunftsweisende Ausschreibung durch Einsprüche aushebeln würden, und wir würden dann wieder dort landen, wo wir jetzt sind.“

Edelmayer: „Mehr Tagreinigung, weniger Randzeiten. Uns sieht man ja überhaupt nicht, und daher ist es auch so schwer, das Image zu verbessern. Die BBG hat bei der AKH-Ausschreibung ein paar Puzzlesteine in die richtige Richtung eingebaut: So müssen zB alle Reinigungskräfte vor Beginn der Tätigkeit einen dreitägigen Kurs machen. Oder die Intention, dass alle drei Dienstleister gemeinsam einkaufen … Chemie Waschmaschinen, Mopps, Bekleidung. Überdurchschnittliche Anforderungen seitens Hygiene, aber es wird alles professionell aufgezogen und auch honoriert. Die BBG ist die Ausnahme, die Regel bei langfristigen Verträgen ist aber eine andere: Da muss ich teilweise jedes Jahr 3 % mit dem Preis nachgeben, weil der Kunde meint, ich hätte jetzt Synergievorteile! Im Grunde genommen gilt: Wenn der Auftraggeber keine Plausibilitätskontrolle macht und seriös vergibt, kann sich nie etwas ändern. Der Ball liegt bei den Auftraggebern.“

Peterka: „Man kann von der Autoindustrie viel lernen: Der Unterschied zwischen einem Golf C und einem Golf GTI ist nur die Ausstattung, also Qualität. Vielleicht sollte das die Reinigungsbranche auch so machen; ein paar verschiedene Qualitätsstufen von ReinigungBasic bis ReinigungPremium.  Diese Qualitätsstufen könnte die Innung formalisieren, die öffentlichen Auftraggeber hätten dann die Möglichkeit, sich darauf zu berufen. Ich brauche die Premiumvariante weil ….“

Schlusssätze:

Habisohn: „Es besteht Handlungsbedarf bei den Auftraggebern: Preiserhöhungen dürfen oft nicht weitergegeben werden, es müssen zu lange Zahlungsziele akzeptiert und Einbußen nach 1-2 Jahren hingenommen werden. Da sind die Auftraggeber gefordert, sonst wird es keine professionelle Arbeit geben und auch keine Preise, mit denen Qualität erzielt werden kann.“

Peterka: „Service follows function. Zuerst muss eine gute Dienstleistung erbracht werden, dann kann man über vieles andere noch sprechen.“

Kecht: „Reinigung ist eine sehr personenbezogene Dienstleistung, daher sollten wir alle wie Menschen behandeln, von den Kalkulanten bis zur Reinigungskraft.“

Edelmayer: „Faire Verfahren! Ein ehrliches Angebot und ein fachlich kompetentes Gegenüber, der das auch schätzt und gemeinsam an langfristigen Lösungen interessiert ist.“

Mindeststundensatz Reinigung:

Lohn laut KV Lohngruppe 6:
Lohnnebenkosten inklusive:
14 Krankenstandstage pro MA/Jahr
Kündigungsabgabe
Behindertenausgleichstaxe
U-Bahnsteuer (nur für Wien)
€ 7,88 
Gesamt Lohnnebenkosten 93,5% 
Gemeinkosten wie
Personalaufwand: GF, OL, Büroangestellte etc.
Fuhrpark
Finanzierungskosten, Fremdleistungen etc.
Materialkosten
betragen nach Betriebsgröße unterschiedlich gesamt durchschnittlich € 3,60
Mindeststundensatz ohne Gewinn: € 18,85 
Mindeststundensatz mit 5% Gewinn:  € 19,79 

 


Infos
www.dussmann.at
www.consilium.co.at
www.wu.tt.at
www.univie.ac.at


kommentare

Eine Antwort

  1. Sehr geehrter Herr Wolfsberg,

    ich beziehe mich auf die Diskussion bzgl. Preis und Leistung in der Gebäudereinigung.

    Herr Peterka und Herr Mag. Kecht haben Recht, wenn sie sagen, dass die Variable der Leistungsinhalt ist. In der Regel werden nicht Stunden, sondern der Leistungsinhalt als Dienstleistungsversprechen von Reinigungsunternehmen angeboten, und dafür werden sie monatlich von ihren Auftraggebern bezahlt. Ja, das Messen der Leistung – der Qualität – ist nicht so einfach wie bei den Schnitten. Dafür gibt es jedoch erfolgreiche Software-Systeme, wie beispielsweise Capitano (www.capitano.at).

    Qualitätssicherungsmaßnahmen im Dienstleistungsbereich können keine Fehler verhindern, aber dazu führen, dass Prozesse so verändert werden, dass ein bestimmtes Qualitätsniveau nicht unterschritten wird. Dazu muss auch der Auftraggeber über viel Know-how in der Gebäudereinigung verfügen und über eine entsprechende Statistik, um aussagekräftige Ergebnisse vorweisen zu können. Dieses ist bei den meisten Auftraggebern nicht im ausreichenden Umfang vorhanden und das Auslagern dieser Überprüfungen an Fachleute hat sich noch nicht durchgesetzt.

    Doch erst, wenn Reinigungsunternehmen wissen, dass ihre abgelieferte Qualität und der versprochene Leistungsinhalt regelmäßig von Fachleuten kontrolliert wird, dass es Abzüge von der Monatspauschale gibt wenn bestimmte Leistungslevel nicht eingehalten werden (Bonus-Malus System), wird sich längerfristig etwas ändern und die Billigstanbieter vom Markt verschwinden. Dies kommt längerfristig sowohl den Gebäudereinigern als auch den Auftraggebern zugute.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ing. Thomas Schiefer
    Gerichtssachverständiger für DFG

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