Die Reinigung in Alten- und Pflegeheimen ist ein sehr sensibler Bereich. Ein ansprechendes, sauberes Ambiente ist für das Wohlbefinden der Bewohner unerlässlich. Die hohen Hygienestandards sind für die oftmals geschwächten Bewohner von grundlegender gesundheitlicher Wichtigkeit.
Text: Gabi Weiss
Die Reinigung von Alten- und Pflegeheimen stellt einen grundlegenden Unterschied zur Unterhaltsreinigung oder Büroreinigung dar“, sagt Thomas Dattenböck, Geschäftsführer von der DUOrein GmbH. Und dafür gibt es viele Gründe. Zum einen sind die Bewohner sehr kommunikationsbedürftig. Bietet sich die Gelegenheit für ein kleines Schwätzchen, einen Austausch über Befindlichkeiten oder kleine Erlebnisse, so wird er ergriffen – egal ob es sich dabei um Angehörige handelt oder um das Pflege- bzw. Reinigungspersonal. „Die Reinigungskräfte brauchen viel Fingerspitzengefühl, wie sie den Bewohnern begegnen“, sagt Dattenböck. Wie verhalte ich mich, wenn es jemandem nicht gut geht? Was mache ich, wenn jemand Hilfe oder Ansprache braucht? Wie viel Zeit kann ich dem Menschen schenken, wie sehr auf ihn eingehen? Soziale Kompetenzen stehen beim Reinigungspersonal in Alten- und Pflegeheimen ganz oben. Dafür braucht es Zeit und die muss einkalkuliert sein. Denn eine heimelige Atmosphäre wird nicht allein durch ein sauberes Umfeld geschaffen.
Und noch eine Tatsache fügt sich ins Bild: Durch die oft niedrige Fluktuation beim Reinigungspersonal entstehen nach und nach Bindungen – und zwar auf beiden Seiten. „Im Durchschnitt kommt es zu einer Restlebenszeit der Bewohner von ca. vier Jahren. Und dadurch zu einer stetigen Begleitung. Da darf man auch die psychologische Seite des Jobs nicht unterschätzen“, sagt Hubert Schabauer, Facility Manager im Genesungs-, Wohn- und Pflegeheim Mater Salvatoris. Er spricht sogar von Trauerarbeit, die da vom hauseigenen Reinigungspersonal manchmal geleistet werde. Kein Wunder, dass die menschliche Bindung im Mater Salvatoris sehr hoch ist, denn das Personal bekleidet dort mehrere Funktionen: Die Reinigungskräfte sind auch im Servicebereich tätig. Die bekannten Gesichter vermitteln Vertrauen und Sicherheit, sie wissen über die individuellen Bedürfnisse der Bewohner bescheid. Und das Personal ist zeitlich flexibler einsetzbar – denn der gesundheitliche Zustand eines älteren pflegebedürftigen Menschen kann sich rasch ändern.
Immer einsatzbereit
Die Reinigung in Alten- und Pflegeheimen braucht daher einen anderen Rhythmus. Keinen der fix ist, sondern einen der flexibel sein muss. Schließlich erfordert jede Pflegestufe einen anderen Reinigungsaufwand. „Einmal täglich zu reinigen, wäre eine schlechte Lösung. Eine teure Variante wäre, Reinigungspersonal im Journaldienst zu beschäftigen“, sagt Dattenböck. Seine Lösung heißt: Einsätze zeitlich versetzen. Kleinere Reinigungs-Teams einsetzen, damit flexible und situationsbedingte Arbeiten möglich sind. Inkontinenz oder Magen-Darmerkrankungen, Viren mit der Angewohnheit, sich schnell verbreiten zu wollen, halten sich nun mal nicht an Zeitpläne. Dattenböck setzt auf 20-Stunden- anstatt 40-Stunden-Einsätze, verteilt die Reinigung auf sechs anstatt auf vier Reinigungskräfte. „Man muss die Reinigung bei Alten- und Pflegeheimen auf breite Beine stellen“, sagt er. Die Mitarbeiter auch freispielen, damit sie für „Sondereinsätze“ Zeit haben. Es wird traktweise vorgegangen und nicht eine ganze Abteilung auf einmal gereinigt. Es wird dort gereinigt, wo die Bewohner nicht gestört werden. Oder eben dort, wo es gerade die Situation erfordert, denn schnell ist ein kleines Malheur passiert. Das Pflegepersonal muss sich sehr stark auf die Gegebenheiten vor Ort einlassen können, eine offene, hausinterne Kommunikation unterstützt die Sache.
Auch Schaubauer setzt auf Teilzeitkräfte, die maximal 30 bis 35 Stunden beschäftigt werden. So lassen sich die Dienstformen besser planen und eine Reinigungspotenz ist fast immer vorhanden. Bei Mater Salvatoris – mit ca. 130 Betten – ist die Reinigung nicht outgesourct, ebenso bei dem Pflegezentrum Raiding mit ca. 40 Betten, Tendenz steigend. „Das Outsourcen des Reinigungspersonals ist auf jeden Fall günstiger. Aber als wir ein Projekt zum Thema ‚präsent sein‘ gemacht haben und ich sah, wie groß die Anteilnahme des Reinigungspersonals ist und wie sehr kleine Fragen nach den Wochenendbetätigungen die Gesichter aufhellen, war mir klar, dass Outsourcen keine Lösung ist“, erzählt Geschäftsführer Franz Drescher über sein eingespieltes Team. Zeitlich flexibel zu sein und trotzdem wirtschaftlich zu bleiben, ist eine der Herausforderungen, die die Reinigung in Alten- und Pflegeheimen mit sich bringt.
Übertragungs-Möglichkeiten
Dazu kommen die strengen Auflagen zu Hygiene-und Infektionsschutz, welche die Reinigungsarbeit zu einem besonderen Tätigkeitsfeld machen. Die Gründlichkeit der zu erledigenden Reinigung ist von lebenswichtiger Bedeutung. Bereits kleinste Fehler bei der Reinigung können erhebliche Folgen haben. Reinigungskräfte brauchen daher ein gut fundiertes Wissen in den Bereichen Hygienestandards, Reinigungstechniken und Krankheitserreger. Und es bestehen auch andere Anforderungen an die Ausrüstung der Putztruppe. Beispielsweise braucht es verschließbare Reinigungswägen, damit die Bewohner nicht an die Putzmittel herankommen und diese unabsichtlich zu sich nehmen. Hier bestimmen sowohl Quantität als auch Qualität der Reinigungsmittel den Erfolg. Die Putzutensilien müssen hochwertig und in großen Menge vorhanden sein. Denn nur so ist eine Einmalverwendung garantiert und eine Verschleppung von Bakterien und Viren ausgeschlossen.
„Achtung Krankheitserreger“, steht auf einem Zettel, der an der Tür zu einem Zimmer im Pflegezentrum Raiding klebt. Der Bewohner leidet an einer Durchfallserkrankung. „Schutzkleidung tragen“, steht darunter. Ein unmissverständliches Zeichen, was zu tun und was zu unterlassen ist. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist die ständige Desinfektion der Hände, nach jeder „unreinen Handlung“, wie Schabauer das nennt. Türklinken werden dabei besonders oft gereinigt. „Eine besondere Herausforderung sind spezielle Erreger, die Darmerkrankungen hervorrufen und bei denen mit explosionsartigem Erbrechen und Durchfall zu rechnen ist“, sagt Schabauer. Ist die Krankheit diagnostiziert, geht die Meldung von der Pflegestation an den Facility Manager. Worst Case Szenario: die erkrankten Bewohner zusammenzulegen – aber das ist laut Schabauer zum Glück noch nie passiert. Was auf jeden Fall zu tun ist: Die Zimmer der Erkrankten werden zuletzt gereinigt, das Geschirr wird einer eigenen Reinigung unterzogen und Einweg-Putzutensilien kommen zum Einsatz. Handschuhe werden nach der Reinigung eines WC entsorgt, Einwegtücher ebenso. Eine Verschleppung der Keime zu vermeiden, ist oberstes Gebot. Auch bei der Desinfektion werden Maßnahmen gesetzt. Bei der Dosierungsanlage für die Flächenreinigung werden die Desinfektionsmittel von 2% auf 5% erhöht. Die gezielte Desinfektion ist dort erforderlich, wo Krankheitserreger auftreten und Kontaktmöglichkeiten zur Weiterverbreitung bestehen – bespielsweise Verunreinigungen mit Erbrochenem, Blut, Stuhl, Urin. Um Kreuzkontaminationen auszuschließen, wird mit Farbcodierungen für genau festgelegte Reinigungsbereiche gearbeitet. So ist sichergestellt, dass für jeden Reinigungsbereich die korrekten Reinigungsgeräte und -mittel verwendet werden. Sicher ist sicher. Denn für ältere Menschen mit gemindertem Allgemeinzustand oder bei bestimmter medikamentöser Behandlung und Personen mit Vorerkrankungen oder Immunschwäche besteht immer eine erhöhte Infektionsgefahr. Einen zusätzlichen Risikofaktor stellt dabei auch das gemeinschaftliche Wohnen dar.
Sensibler Bereich
Die Reinigung in Alten- und Pflegeheimen ist dem Reinigungskonzept in Krankenhäusern sehr ähnlich, und doch bestehen einige Unterschiede. „Es gibt keine Intensivstation und keine OPs, die zu reinigen sind und in eine andere Hygienestufe fallen“, sagt Dattenböck. „Das Reinigungspersonal hat zu den Patienten keinen intensiven Kontakt.“ Größter Unterschied ist die Individualisierung, die in Alten- und Pflegeheimen oft an oberster Stelle steht. Dieser gibt man gerne Raum. So ist in den meisten Fällen eine Tierhaltung erlaubt. Genauso wie die eigenen Möbel mitzunehmen. Oder das Zimmer so persönlich wie möglich zu gestalten. So hat eine Dame im Pflegezentrum Raiding an die 30 Teller an der Wand hängen – Erinnerungsstücke aus ihrem Leben. „Die Dame fühlt sich wohl und das ist die Hauptsache“, sagt Drescher. Ein anderer Bewohner wollte sich von seinem Biedermeierschrank nicht trennen. Auch das macht die Reinigung nicht einfacher, noch dazu ist er vollgeräumt mit Büchern. Immer wieder tauchen auch Sonderregelungen bei der Reinigung der Wäsche auf. Die Flachwäsche wird im Mater Salvatoris outgesourct, aber die Wäsche der Bewohner wird im Haus gereinigt. „Da gibt es einen Herren, der legt Wert auf gestärkte Hemden, ein anderer will sie in einer ganz speziellen Form gefalten haben“, erzählt Schabauer. Aber der Mehrwert, der dabei entsteht, dass sich die Bewohner wohlfühlen, ist den Mehraufwand wert. Immer geht es darum, die Würde und die Privatsphäre der Bewohner zu bewahren, da muss sich auch die Reinigung unterordnen.