Errol Reichel, Vorsitzender des Aufsichtsrates, der Blitz Blank Reinigung – Dienstleistungsunternehmen GmbH, über eine Branche, deren „Jammern“ in keinem Verhältnis zu ihren Chancen steht.
Herr Reichel, was ist derzeit schlecht in der Reinigungsbranche und was ist gut?
Nun, das bestehende extreme Preisdumping, das in unserer Branche momentan betrieben wird, ist sicherlich nicht hilfreich bzw. förderlich. In Wien gibt es derzeit über 4.000 Unternehmen, in verschiedenster Größe, die im Dienstleistungsbereich „Gebäudereinigung und Hausbesorger-Service“ tätig sind. Ich finde lebhafte Konkurrenz gut und wichtig, sie sollte aber nicht zu einem Preisverfall führen. Letztlich leidet darunter immer die Qualität, und das ist, wie bereits erwähnt, weder hilfreich, noch förderlich.
Mehr Sorge bereitet mir der Wunsch der EU, das derzeit „reglementierte Gewerbe“ in ein „freies Gewerbe“ umzuwandeln. Da gibt es Bestrebungen, wonach alle Mitgliedsstaaten die gleichen rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung unseres Gewerbes haben sollen … Gleichstellung ist grundsätzlich ein guter Gedanke, jedoch sollte es in Richtung geregeltes Gewerbe mit qualifizierter Fachbildung gehen, wie bei uns in Österreich. In Deutschland vergleichsweise besteht das Berufsbild der „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger“ mit abschließender Meisterprüfung schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Und was war die Folge? Die Unternehmerzahl verdreifachte sich innerhalb kurzer Zeit – von ca. 13.000 auf rund 40.000 Unternehmen. Ein so rascher Anstieg von Unternehmen führt nicht nur zu Preisdumping und schlechter Qualität für den Endkunden, er zieht meist auch massive Probleme für das arbeitende Dienstpersonal nach sich – auch das sollte dringendst bedacht werden. Wir hoffen natürlich, dass es bei uns in Österreich bleibt, wie es ist. Das „reglementierte Gewerbe mit Meisterprüfung“ ist und bleibt ein hohes Qualitätsmerkmal – und das gilt für alle Ebenen.
Begrüßenswert wäre, dass sich mehr Jugendliche für diesen Lehrberuf interessieren. Die Landesinnungen bemühen sich zwar, aber für junge Menschen scheint die Lehre zum „Denkmal- Fassaden- und Gebäudereiniger“ wohl nicht attraktiv genug.
Wie könnte man diesen Lehrberuf attraktiver machen?
Es steht derzeit im Raum, den Lehrberuf „Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung“ mit dem Lehrberuf „Bürokaufmann“ zu kombinieren. Die Doppellehre würde den Lehrberuf wesentlich attraktiver machen; so eine Ausbildung bietet zahlreiche Einstiegsmöglichkeiten in das Berufseben generell. Das Fachwissen der eigenen Branche ist die beste Basis, um sämtliche administrative Aufgaben erledigen zu können. In diesem Bereich gibt es viele verantwortungsvolle Tätigkeitsbereiche mit Aufstiegsmöglichkeiten, wie z.B. Objekt- u/o Bereichsleiter, Verwaltungstätigkeit, Fakturierung, Angebotswesen, Kundenbetreuung.
Aber zurück zum zweiten Teil der ersten Frage. Positiv ist in jedem Fall unser reglementiertes Gewerbe. Es gewährleistet ein hohes Ausbildungsniveau, und das ist ein Vorteil in und für Österreich. Das sollte auch so bleiben! Jeder Newcomer bekommt eine fundierte Ausbildung in den Bereichen Sicherheit und Umwelt – ein sehr wichtiges Thema in der heutigen Zeit – in Qualität, Preisgestaltung, Administration und eben auch in der Personalpolitik. In meinen Augen ist all dies notwendig, um grundsätzlich ein erfolgreicher Unternehmer zu sein. So kommt es dann auch zu einem fairen Wettbewerb, der wirklich Spaß macht. (Er lacht …). Konkurrenzdenken im klassischen Sinn hab ich nämlich keines.
Welche Ausbildungen haben Ihre Mitarbeiter?
In unserem Betrieb haben wir derzeit neun Meister, elf Gesellen, drei Desinfektoren. Mehr als 200 Mitarbeiter haben die Basisausbildung gemacht, und mit eben diesen Facharbeitern konnten wir die Qualität und das Image gegenüber unseren Kunden stark steigern. Abgesehen davon können wir heute sagen, dass das Fachwissen seitens unserer Kunden zu einer höheren Akzeptanz und Anerkennung unserer Mitarbeiter geführt hat. Das ist ein Aspekt, der für unser gesamtes Sozialgefüge sehr wichtig ist. Man muss bedenken: wir arbeiten bis zu 80 Prozent mit Menschen unterschiedlicher Muttersprachen.
So wie ich es erlebt habe, erhöht diese Fachbildung das Selbstbild unserer Mitarbeiter, sie arbeiten dadurch motivierter und engagierter und unsere Qualität wird wiederum besser. So gesehen ist es nur von Vorteil. Man darf nicht außer Acht lassen, dass wir „Schlipsträger“ schlussendlich von der draußen geleisteten Arbeit, die – unter uns gesagt – wirklich eine Knochenarbeit ist, leben.
Wie erleben Sie den Wettbewerb?
Also ich würde den Wettbewerb als „scharf“ bezeichnen. Wir haben mittlerweile eine gute Marktsättigung erreicht. Für einen Neustarter in der Branche wird es schwierig sein, ein Unternehmen so aufzubauen, wie es zum Beispiel mein Vater und ich vor über 30 Jahren gemacht haben. Jetzt herrscht oftmals leider ein Verdrängungswettbewerb, und ja, es stimmt schon, für Klein- und Mittelbetriebe im klassischen Reinigungsgeschäft, die über Jahre nichts verändert haben, ist es wohl grad auch schwierig, weil eben, wie schon gesagt, Preisdumping betrieben wird.
Ein Gebäudereiniger kann ja nur etwas verdienen, wenn er mindestens 19 Euro die Stunde verlangt. Es kursieren aber Preise weit darunter. Irgendwo muss ja ein Punkt sein, wo man nichts mehr verdienen KANN …
Es gibt eine Studie der KMU-Forschung in Bezug auf die Lohnarten des Kollektivvertrages für „Denkmal- Fassaden- und Gebäudereiniger“ bzw. zum durchschnittlichen Verkaufspreis einer Leistungsstunde. Hier hat man ermittelt, dass der Verkaufspreis zu jeder Lohnart des Kollektivvertrages nicht unter 20 Euro liegen sollte. Das heißt, Preise, die weit darunter liegen, sind kalkulatorisch nicht vertretbar. Es sei denn, man setzt sich über soziale und kollektivvertragliche gesetzliche Bestimmungen hinweg.
Beispiel Krankenhaus: Ein Reinigungsdienstleister kommt in keinem Krankenhaus zum Zug, wenn er nicht entsprechende Referenzobjekte vorweisen kann. Wie soll jemand, der dort einsteigen will, ohne Referenzen hineinkommen – außer er schenkt es her?
Ich persönlich würde nie über einen niedrigen Verkaufspreis die Leistung herschenken. Bei öffentlichen Ausschreibungen gilt es, die Vergabekriterien kritisch zu prüfen und sie gegebenenfalls anzufechten, wenn sie nicht wettbewerbsgerecht sind. Eignungskriterien wie die fachliche Qualifikation, der Nachweis von beschäftigten und verfügbaren Mitarbeitern im Betrieb mit abgeschlossener Ausbildung zum Meister, Gesellen und Desinfektor sind absolut zulässig, ebenso der Nachweis der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Das sind meines Erachtens die Indikatoren für gute Qualität, und die sollten ausreichend sein, um an einer Ausschreibung im Gesundheitsbereich teilnehmen zu dürfen. Bedenklich finde ich allerdings, dass die Teilnahme überwiegend von nachweisbaren Referenzen im Segment Spitalsreinigung abhängig gemacht wird. Das ist eine massive Einschränkung des Bieterkreises. Es müsste das Eignungskriterium „Referenzen auf gleichwertige Gesundheitseinrichtungen“ ausgedehnt werden.
Wer sich mit dem Vergaberecht nicht auseinandersetzt, der übersieht, dass in dem Augenblick, wo eine Ausschreibung aufgelegt wird, bereits die Möglichkeit besteht, gegen die Eignungskriterien Einspruch zu erheben. Das heißt, es gibt ein rechtliches Forum, an das man sich wenden kann, um zu intervenieren. Aber die meisten haben keine Zeit oder denken gar nicht daran, und danach beklagen sie sich.
Wo gibt es Mängel im System?
Nehmen wir das Beispiel Baureinigung: Nur wenige Betriebe führen noch Baureinigungen durch, da keine kostendeckenden Preise erzielt werden können, der Preisverfall ist seit Jahren gegeben. Und warum? Diese Reinigungen werden in der Regel von kleinen Familienverbänden durchgeführt – mit welcher Gewerbeberechtigung auch immer und mit Arbeitern, die was weiß ich woher kommen. Hier wird meiner Ansicht nach seitens der Behörden viel zu wenig kontrolliert.
Thema Spezialisierung oder Diversifizierung: Es ist schwer herauszubekommen, welches Unternehmen in welchem Spezialbereich, sei es Winterdienst, Fassadenreinigung oder was auch immer, besonders gut ist. Auch große Multidienstleister sagen nicht, dass sie ein Reinigungsunternehmen sind, sondern dass sie einfach alles machen. Anscheinend will sich niemand ein Spezialistentum „umhängen“ lassen. Warum ist das so?
Bei den angesprochenen Multidienstleistern erscheint mir deren Wunsch zur Abdeckung aller spezialisierten Leistungsarten ein wenig bedenklich. Da steht meiner Meinung nach der Wachstumsgedanke höher als die machbare Qualität, denn Spezialabteilungen benötigen Mitarbeiter mit fundiertem Fachwissen, andernfalls ist die Leistung für den Kunden nicht zufrieden stellend. Ich persönlich finde, dass „Spezialist für – was auch immer“ ein besseres Markenzeichen ist als „Multidienstleister“. Aus diesem Grund rate ich, das Angebot generell nicht zu breit zu fächern. Unter dem Motto „weniger ist mehr“: ein bis zwei herauspicken und das qualitativ wirklich gut machen – da hat ein Unternehmen genug zu tun.
Aber es gibt sehr wohl viele gute Spezialisten, die vielleicht nur nicht so bekannt sind. Ich kenne hervorragende für das „Hausbesorgerservice“, Reiniger für Fassaden und Fenster oder Profis für Oberflächenvergütungen von Natursteinböden, auch im Bereich der Industriereinigung (Trockeneisstrahlen, Aufbereitung von Kühlschmierstoffen usw.). Da gibt es einige kleine Firmen mit wenigen Beschäftigten, die aber ausgebucht sind und gutes Geld verdienen. Und der Chef arbeitet selber mit. Wenn ich bereits gut gebucht bin, werden Marketing und Werbung zweitrangig. (Er zwinkert und lacht …). Außerdem will man den Mitbewerb ja nicht wecken …
Trotz aller Schwierigkeiten bin ich wirklich überzeugt davon, dass tüchtige Newcomer noch genügend Platz und Raum finden. Tüchtig bedeutet, „zu etwas geeignet sein“. Nun, unsere Firma Blitz-Blank ist groß geworden, weil mein Vater und ich auch selber anpacken konnten. Wir waren z.B. regelmäßig in aller Herrgottsfrüh kontrollierend vor Ort, und das tu ich heute noch, an diesem Erfolgsrezept hat sich nichts geändert. Wenn das jemand macht und die Augen für Marktnischen offen hält, dann besteht immer eine Chance, als Spezialist den Markt zu erobern. Es gibt so viele unterschiedliche Möglichkeiten, sich in der Gebäudereinigung zu engagieren. Ich sag immer: „Den Tüchtigen gehört die Welt.“
Gibt es derzeit eine Bewegung in die eine oder andere Richtung – eher hin zur Multidienstleistung oder hin zum Spezialistentum?
Nun, ein für mich unverständlicher Trend ist die Richtung der Facility Management (FM) Unternehmen. Wir Gebäudereiniger sind Zulieferer, und unsere Stärke ist das infrastrukturelle FM – aber nicht das technische und/oder kaufmännische. Außerdem haben wir genug Probleme in unserem eigenen Gewerbe, ich finde es nicht notwendig, sich auch noch dem Preisverfall im FM auszuliefern.
Aber wie gesagt, auch wenn die Richtung vielleicht grad eine andere ist, sehe ich im Spezialistentum eine gute Chance – vor allem für Neustarter.
Thema Expansion: Wie stehen heute die Chancen für Wachstum?
Ich habe eingangs gesagt, dass wir in Österreich von der Anzahl der Reinigungsunternehmen ziemlich ausgereizt sind und dass ein Verdrängungswettbewerb stattfindet, der für die Preisentwicklung kontraproduktiv ist. Das stimmt zwar so auch, jedoch gibt es immer Chancen für ein Wachstum – derzeit vor allem durch Zukauf.
Wann ist es sinnvoll zuzukaufen?
Na ja, wenn jemand z.B. aus Altersgründen sein Unternehmen abgeben möchte, ist das eine interessante Perspektive für eine Übernahme. In so einem Fall gibt es die Sicherheit einer langfristigen Kundenbindung, und somit ist auch ein relativ sicheres Wachstumspotenzial gegeben. Die Übernahme eines größeren Betriebes ohne familiäre Struktur und ohne persönliche Kundenbindung ist für mich bedenklich, hier fehlt die Seele des Unternehmens. Da kauft man nur die Struktur, und folglich ist mit dem Wegfall von Aufträgen zu rechnen.
Allenthalben klagt man heute, dass das Geschäft früher, eine Generation vorher, viel besser war. War es das wirklich besser?
Ja, ja, die gute alte Zeit … Mein verstorbener Vater sagte schon, als ich in das Unternehmen einstieg, dass „es früher besser gewesen sei und die Preise immer schlechter werden“. Das allgemeine Jammern wiederholt sich bekanntlich von Generation zu Generation. Wer macht sich schon gerne selbst mitverantwortlich? Als die ersten ausländischen Reinigungsunternehmen nach Österreich kamen und am inländischen Markt Fuß fassten, verfielen zum ersten Mal die Preise. Da war kurz richtig schlechte Stimmung: „So kann es nicht weiter gehen, wir können bald nicht mehr existieren“, hieß es. Und wie Sie sehen, ging es trotzdem weiter. Ein Vorteil der freien Marktwirtschaft: „Der Markt regulierte sich selbst.“ Besser ist daher immer relativ.
Ist am Markt noch Platz für neue Reinigungsunternehmen?
So mancher ist der Ansicht, dass es genug Unternehmen in Österreich gibt und wir keine zusätzlichen brauchen – diese Diskussion gibt es für mich nicht, denn unser „System der freien Marktwirtschaft“ gibt jeder Person die Chance, unternehmerisch tätig zu werden. Ich glaube, dass auch in unserer Branche für neue Ideen nach wie vor Platz am Markt ist. Aber bitte nur dann, wenn berufliche Fachausbildung und kaufmännische Grundvoraussetzungen dafür gegeben sind. Nicht so, wie ich es am Beispiel mancher Baureinigungsfirmen schon sagte.
Ein guter und seriöser Unternehmer zu sein, ist nämlich eine schwierige Aufgabe und nicht auf die leichte Schulter zu nehmen; grad im Dienstleistungsgewerbe ist dies mit vielen menschlichen Schicksalen verknüpft. Platz ist am Markt, aber nur mit fachlicher Ausbildung – dies ist und bleibt einfach die Basis für ein erfolgreiches Unternehmertum.
Der Umsatz der gesamten Reinigungsbranche hat sich seit 10 Jahren nahezu verdoppelt. Kann das weiter steigen?
Ein weiteres Outsourcing der Reinigungsleistungen von Bund, Ländern, Gemeinden und Privaten ließe ein weiteres Wachstum unserer Branche zu. Ich gehe davon aus, dass es auch weiterhin zu einer verstärkten Nachfrage kommen wird. Es gäbe also immer noch Potenzial für das Auslagern an externe Dienstleister. Nur zukunftsorientiertes Denken und Handeln ist der Erfolg der Zukunft. Leicht war es nie, man muss aber immer das Hier und Jetzt sehen. Es nützt nichts, zurückzuschauen und zu grübeln, ob es nun besser war oder nicht.
Auch wir mussten in all den Jahrzehnten immer wieder kämpfen, jeden Tag gute Leistungen zu erbringen. Auch wir hatten Personal- und Preisprobleme – das alles sind Umstände, die uns auch heute nicht fremd sind. Immer wieder ergeben sich neue Herausforderungen, aber ich sehe es als unsere Aufgabe, diese Herausforderungen dann auch zu meistern – das ist mein Job als Unternehmer und Firmenchef. Und diese Sichtweise ist zumindest für mich die Grundvoraussetzung, um langfristig erfolgreich zu sein. Oder etwa nicht? Aber ja, bestimmt durchlebt der Eine oder Andere in unserer Branche eine schwierige Zeit, aber vom wirtschaftlichen her, scheint sie mir nicht aussichtslos, und jammern nützt erfahrungsgemäß am allerwenigsten. Wenn es neue Gegebenheiten gibt, dann muss man sich schon auch ein wenig anpassen können, im Sinne von Darwin „only the fittest survive“. Es tun sich immer neue Wege auf. Die Branche selber macht Spaß, und ich sehe rundum, dass es auch eine Erfolgsbranche ist. Und für alles gilt: Wer sich konsequent für das eigene Unternehmen und dessen Ziele einsetzt, hat auch in Zukunft gute Chancen am Markt, für ein weiteres Bestehen ebenso wie für ein gesundes Wachstum.