In jeder Ausgabe von Reinigung aktuell – siehe Editorials – werden die Auftrag-geber daran erinnert: „Die Reinigungsstunde sollte nicht unter 19 Euro eingekauft werden.“ Muss das nach oben revidiert werden?
Text: Hansjörg Preims
Branchenkenner haben sich in der Redaktion gemeldet und gemeint, die von Reinigung aktuell in jedem Editorial angemahnte Untergrenze von 19 Euro für die Reinigungsstunde müsste eigentlich eher bei 20 Euro liegen. Anlass genug, diesen Stundensatz einmal ganz genau unter die Lupe zu nehmen und – siehe folgende Seiten – aufzuschlüsseln, über welche Stundensätze man noch diskutieren kann und welche hinsichtlich Vollkostendeckung unrealistisch und somit indiskutabel sind.
Unter die Lupe genommen wurde der Stundensatz anhand von Kalkulationsbeispielen mit Hilfe des Tools für Stundensatzkalkulation, das die Innung dem Gebäudereiniger seit gut einem Jahr zur Verfügung stellt, um ihn dabei zu unterstützen, seine angebotenen Preise zu überprüfen. Oder, wenn er noch keine Preise anbietet, einen entsprechend validierten Stundensatz errechnen zu können.
Den Kalkulationsvarianten zu Grunde liegt ein fiktives, eher junges und schlankes Unternehmen mit 68 Dienstnehmern – mit EINER Person im Innendienst, EINEM Geschäftsführer und EINEM Objektleiter. Es wurde mit einem relativ realistischen Aufschlag von Material- und Gerätekosten gerechnet. Die angegebenen Werte sind jeweils ohne die gesetzliche Mehrwertsteuer in Höhe von 20%.
Variante 1 – unrealistische Mindestkosten
Hierbei sind berücksichtigt:
- 1 Tag Krankenstand,
- 0,01 Tage Sonstige Arbeitsverhinderungen wie Pflegeurlaub, Arzttermine, Behördenwege, Siedeltage, Hochzeiten, Todesfälle, …(0,01, weil hier nicht null angegeben werden kann),
- 1 Euro Kosten pro Jahr für den Objektleiter (0 ist nicht möglich, da sonst die statistischen Werte herangezogen werden) und
- KEINE Gemeinkosten (KfZ, Büro, …; also 1 Euro pro Jahr).
Personaleinstandskosten: € 15,59
Kosten inkl. Material und Geräten, ohne Objektleiter, ohne Gemeinkosten, ohne Gewinn: € 16,78
Ein Stundensatz, der nicht mehr plausibel ist, weil:
a) Hier wird mit nur EINEM Krankenstandstag gerechnet, also rein hypothetisch. Als österreichischer Durchschnitt gelten branchenübergreifend 14 Krankenstandstage. Darüber hinaus sind in den Nichtleistungszeiten nur Urlaub und Feiertage (beides gesetzlich verpflichtend) gerechnet.
b) 0,01 Tag für „Sonstige Freistellungen“ – hier wurden sonst keine Arbeitsverhinderungen berücksichtigt – was völlig unrealistisch ist, allein wenn man bedenkt, dass ein Mitarbeiter nur für Pflegeurlaub Anspruch auf fünf Tage hat, Alleinerziehende sogar das Doppelte. Leider kommt es oft vor, dass die Mitarbeiter aufgrund der Familiensituation nicht anders können, als diese zeit voll auszunützen.
c) Weiters nicht ganz korrekt ist in diesem Beispiel, dass der Stundensatz ohne Kosten für Objektleitung gerechnet ist und ohne Gemeinkosten. Das heißt, der Mitarbeiter ist hier nur mit den gesetzlichen Anforderungen berücksichtigt, sonst mit nichts bzw. mit unrealistischen Krankenstandstagen und keinen sonstigen Dienstverhinderungen.
Variante 2 – Minimalsatz ohne Gemeinkosten
Hierbei sind berücksichtigt:
- 10 Tage Krankenstand,
- 1,5 Tage sonstige Arbeitsverhinderungen (Pflegeurlaub, Arzttermine, Behördenwege, Siedeltage, Hochzeiten, Todesfälle, …),
- 52.184,08 Euro Kosten pro Jahr für den Objektleiter (1 Objektleiter mit 2.480 Euro brutto pro Monat, einem Auto mit 500 Euro Kosten pro Monat und einem Mobiltelefonvertrag um 20 Euro pro Monat),
- KEINE Gemeinkosten (KfZ, Büro, …; also 1 EUR pro Jahr).
Personaleinstandskosten: € 16,35
Kosten inkl. Material und Geräten mit Objektleiter, ohne Gemeinkosten, ohne Gewinn: € 18,40
Der Unterschied zwischen 10 Tagen Krankenstand und 1,5 Tagen sonstige Arbeitsverhinderung gegenüber 1 Tag Krankenstand und 0,01 Tage Arbeitsverhinderung liegt bei nur 0,88 Euro (Personaleinstandskosten Variante 2 – Personaleinstandskosten Variante 1)!
Gemessen am österreichischen Durchschnitt, sind 10 Krankenstandstage als „gerade noch plausibel“ anzusehen, darunter ist es sehr unwahrscheinlich.
In diesem Beispiel sind allerdings – wie bei Variante 1 – keine Gemeinkosten dabei bzw. keine Overhead-Kosten des Unternehmens, sprich: keine Sekretärin, kein Geschäftsführer, kein Verkaufsmitarbeiter, … – nur die Kosten für Objektleitung. Es wurde also nicht berücksichtigt, dass das Unternehmen auch noch Kosten dafür hat, dass es als Unternehmen überhaupt bestehen kann: keine Bilanzierung, kein Rechtsanwalt, kein Steuerberater, keine Mietkosten für das Unternehmen, keine Fahrzeuge.
Das heißt, die Veränderung der Personaleinstandskosten von Variante 1 zu Variante 2 ist ausschließlich darauf zurückzuführen, dass der Krankenstand mit 10 Tagen angegeben ist.
Variante 3 – Vollkosten
Hierbei sind berücksichtigt:
- 14 Tag Krankenstand,
- 1,5 Tage Sonstige Arbeitsverhinderungen (Pflegeurlaub, Arzttermine, Behördenwege, Siedeltage, Hochzeiten, Todesfälle, …),
- 52.184,08 Euro Kosten pro Jahr für den Objektleiter (1 Objektleiter mit 2.480 Euro brutto pro Monat, einem Auto mit 500 Euro Kosten pro Monat und einem Mobiltelefonvertrag um 20 Euro pro Monat),
- relativ moderate Gemeinkosten (KfZ, Büro, …).
Personaleinstandskosten: € 16,67
Kosten inkl. Material und Geräten mit Objektleiter, mit Gemeinkosten ohne Gewinn: € 21,22
Kosten inkl. Material und Geräten mit Objektleiter, mit Gemeinkosten und 3 % Gewinn: € 21,86
Fachlicher Input: Mag. Peter Fiedler
Eine Antwort
Ich finde sehr gut, dass Sie darlegen, welche Kosten Reinigungsunternehmen zu tragen haben und wie eine sinnvolle Kalkulation aussehen kann. Für unser Seniorenheim in Krefeld suchen wir nach einer neuen Reinigungsfirma. Wir haben nun ein Angebot und ich vergleiche die Preise.