Der Salzburger Hygiene-Spezialist Arno Sorger, Geschäftsführer des Laboratoriums für Wasseruntersuchungen und Hygiene (W.H.U.), erläutert für Reinigung aktuell, wie es um die Hygiene in Österreichs Wellness-Landschaften bestellt und wie gut die Reinigungsmittel-Industrie auf Anforderungen von heute aufgestellt ist.
Hygiene ist die Wissenschaft der Vorbeugung von Krankheiten bzw. im Lebensmittelbereich die Wissenschaft der Vermeidung einer nachteiligen Beeinflussung des Lebensmittels, die in Folge zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung führen kann. „Bäderhygiene bedeutet daher: Ein Schwimmbad oder Wellnessbereich darf nicht krank machen“, bringt es der Salzburger Hygiene-Spezialist Arno Sorger auf den Punkt. Da gefährliche Mikroorganismen in unserer Zivilisation glücklicherweise nicht allgegenwärtig seien – „es hat nicht jeder Badegast eine Salmonelleninfektion“ – sei dies dabei immer unter dem Aspekt der Möglichkeit zu sehen, sprich: „Es soll ,nicht leicht möglich’ sein, dass ich mir eine Krankheit aus dem Schwimmbad oder Wellnessbereich hole.“
Wie gut steht diesbezüglich Österreich international da? In Österreich gibt es seit 1976 das Bäderhygienegesetz, seit 1978 zugehörige Verordnungen. Die gesetzliche Verpflichtung zur Einhaltung detaillierter hygienischer Vorgaben gibt Betreibern, Behörden und vor allem auch Badegästen Sicherheit. Es gibt innerhalb der Europäischen Union in keinem weiteren Land vergleichbar detaillierte gesetzliche Vorgaben. „Dies“, so Sorger, „führt dazu, dass österreichische Schwimmbäder auch im Vergleich eine sehr hohe hygienische Sicherheit bieten.“ Es gebe in anderen Ländern teilweise noch strengere – normativ festgelegte – Vorschriften, sie seien aber nur durch Normen – und nicht gesetzlich – festgelegt. Dies führe teilweise zu massiven Unterschieden in der hygienischen Qualität, „denn es gibt ja keine unmittelbar Konsequenz, wenn ich Normen nicht einhalte.“
Gestiegene Ansprüche an die hygienische Betriebsführung
Das österreichische Bäderhygienegesetz gibt es, wie gesagt, seit 1976, und die Hygienestandards wurden zwischenzeitlich überarbeitet und verbessert. Es hat in den vergangenen 40 Jahren aber auch eine deutliche Veränderung bei den Schwimmbädern gegeben. Sorger: „Schwimmbäder haben sich von einer Sporteinrichtung zu einer Vergnügungseinrichtung geändert. Das bedeutet, dass die Beckenwassertemperaturen gestiegen sind, die Becken sind seichter geworden. Man baut auch viel mehr Attraktionen in die Becken ein. Auch der Wellnessbereich hat sich von den ,Eine-Sauna-Bädern’ zu den heutigen Wellnesstempeln gewandelt. All diese Veränderungen stellen erhöhte Ansprüche an die hygienische Betriebsführung.“ Diesen Veränderungen habe einerseits der Gesetzgeber mit den Anpassungen des Bäderhygienegesetzes und der Bäderhygieneverordnung Rechnung getragen, anderseits seien als Ergänzung zu den gesetzlichen Vorgaben viele notwendigen Details in Normen geregelt worden: „Es gibt Normen für Bau und Betrieb von Schwimmbädern, für Bau und Betrieb von Wellnessanlagen (z.B. Sauna) und auch für die Ausbildung von Aufsichtspersonal im Schwimmbad. Gerade diese Ausbildungen sorgen bei den Betreibern für besseres Verständnis und bessere Akzeptanz für die notwendigen vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen.“ Die Verbesserungen seien daher weniger in den Vorgaben als viel mehr in den Umsetzungen der Vorgaben zu finden. Es werde bewusster auf die optimale Wasserqualität geachtet, es würden die Desinfektionen fachlich kompetenter durchgeführt.
Desinfektion und Reinigung nicht durcheinander bringen
Wie würde der Hygiene-Experte die aktuelle Desinfektionspraxis im Nassbereich heute beschreiben, wo sind die Problemfelder, und welche Lösungen gibt es?„Reinigung hat neben dem Hygieneaspekt noch viele weitere Beweggründe: Es geht um Sauberkeit, es geht um Schönheit (z.B. klare Glasflächen, glänzende Oberflächen), es geht um Geruch (Geruchsvermeidung und Geruchsgestaltung), es geht um Ordnung“, erklärt Sorger. „Auch ist nicht jede Desinfektion mit Hygiene zu begründen. Der ,hygienische’ Teil von Reinigung und Desinfektion sollte immer im Hinblick auf den Zweck der Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung oder einer Beeinträchtigung eines Lebensmittels hinterfragt werden. Es gibt Bereiche, in denen ohne hygienische Notwendigkeit desinfiziert wird. Es gibt aber auch Bereiche, in denen eine Desinfektion sinnvoll wäre – diese aber derzeit nicht (oder falsch) durchgeführt wird.“ Verallgemeinernd auf dem Punkt gebracht: „Oft desinfizieren wir und wissen nicht, warum. Man muss sich viel mehr Gedanken machen über die relevanten hygienischen Gefährdungen – und vor allem, wie man diese auch verhindert.“ Wir hätten ein wenig die „Sicherheits-Desinfektions“-Mentalität: „Wenn wir nur viel desinfizieren, kann nichts passieren. Und dann neigen wir dazu, Desinfektion und Reinigung durcheinander zu bringen.“ Es sei aber notwendig, diese beiden Begriffe auch gedanklich zu trennen: „Reinigung ist der erste Schritt zur Hygiene – und in vielen Fällen auch ausreichend. Desinfektion ist ein zusätzlicher Schritt, den man zwar auch teilweise mit der Reinigung mit erledigen kann, dessen Notwendigkeit aber jeweils bedacht werden soll. Wenn aber ein Desinfektionsschritt erforderlich ist, dann ist dieser fachlich korrekt durchzuführen.“
„Alleskönner“-Produkte kommen und gehen wieder
Und wie geht Sorgers Meinung nach die Reinigungsmittelindustrie mit den heutigen Hygieneanforderungen um? „Auch in der Reinigungsmittelindustrie gilt: Das Bessere ist der Feind des Guten. Es gibt laufend neue Produktentwicklungen mit noch besserer und noch einfacherer Reinigung. Die sogenannten Wundermittel – Produkte, die alles können – kommen aber und gehen. Der verantwortungsvolle Konsument weiß, dass diese Versprechungen nicht gehalten werden können.“ Es würden auch immer mehr Reinigungsmittel durch Reinigungskonzepte ersetzt. Es gehe nicht nur um das Reinigungsmittel, sondern auch darum, wie das Mittel appliziert werde.
Positiv vermerkt Sorger auch, „dass sich viele Firmen von der Verkäuferphilosophie verabschiedet haben und immer mehr zu Informationsdienstleistern werden. Es werden verstärkt Schulungen angeboten, bei denen richtige Hygiene gelehrt wird.“ Nicht vergessen sollte man die EU-Biozidprodukteverordnung. Diese führe zu Einschränkungen bei der Verfügbarkeit von Desinfektionsmitteln. Derzeit seien die Hersteller daher dabei, ihre Produktlinien zu straffen. „Zukünftig ist aber mit deutlich weniger Neuentwicklungen im Bereich der Desinfektion zu rechnen.“
Veränderungen vor allem in Kureinrichtungen
Welche Anforderungen kommen auf die Hotelbetreiber oder Wellness-Anbieter in Sachen Hygieneanforderungen in den nächsten Jahren zu?
Um diese Frage zu beantworten, müsse man, so Sorger, zuerst wissen, wie sich die Wellnessbranche insgesamt entwickeln werde. Der große Hype sei vorbei. Veränderungen gebe es aber derzeit vor allem bei den Kureinrichtungen: „Einerseits führt das restriktivere Genehmigen von Kuren zu einem Ausweichen auf privat finanzierte Aufenthalte und Therapien – und wer zahlt, will dafür auch etwas Entsprechendes geboten bekommen – anderseits ziehen vor allem institutionelle Kureinrichtungen nach und bieten ihren Patienten ein verstärktes Wellnessangebot.“ In Summe bedeute dies aber, dass Wellnesseinrichtungen vermehrt von Personen mit Grunderkrankungen aufgesucht würden. Für diesen Bereich bekomme die Hygiene einen erhöhten Stellenwert. „Generell haben sich aber die im Bäderhygienegesetz und in der Bäderhygieneverordnung definierten Anforderungen bewährt. Anpassungen wird es in Detailbereichen sicherlich geben.“ Veränderungen in den Hygieneanforderungen würden aber nicht zwingenderweise ein Mehr an Reinigung und Desinfektion bedeuten, „sondern es wird vor allem das Wie – sprich: die hygienisch einwandfreie Reinigung und Desinfektion – wichtiger werden.“