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„Müssen für den Kunden Werte generieren“

Was sind die Geschäfte von morgen? Wie wird sich das Reinigungs-Business in Zukunft verändern? Inwieweit kann man das heute schon proaktiv beeinflussen? Darüber tauschten sich am Reinigungstag am 22. Oktober 2019 aus: Hans Georg Hagleitner, Hagleitner Hygiene International, Alexander Redlein, Leiter Institut für Immobilien und Facility Management der TU Wien, Mike Kirschnereit, Vorsitzender der Geschäftsführung der DIW Instandhaltung GmbH, und Markus Breithaupt, Vorstandsvorsitzender von HECTAS Facility Services.

Text: Hansjörg Preims

Reinigung aktuell: Herr Hagleitner, Sie haben ein großes Unternehmen aufgebaut, das sehr von Innovationen getrieben ist. Wie macht man das? Kann man so etwas institutionalisieren? Ist es lernbar? Planbar? Wie macht man in Zukunft die Geschäfte?

Hagleitner: Wir sind ein kleines Familienunternehmen mit über 900 Mitarbeitern, sind im Direktvertrieb sehr gut etabliert, und in der Branche dürfen wir uns international zu den Innovativsten zählen. Wir versorgen heute in 12 Ländern rund um Österreich ca. 150.000 gewerbetreibende Kunden mit Hygiene-Produkten für Waschraum, Küche, Wäsche und allgemeine Hygiene. Und wir nahmen diese Entwicklung aus eigenem Antrieb heraus. Schließlich hat man als Hersteller und Vertriebsorganisation die Erfordernis zu wachsen bzw. eine bestimmte Größe zu erreichen, um in der Zukunft überleben zu können. Auf die Frage, wie man in der Zukunft Geschäfte macht, kann ich nur sagen, dass es weniger ums Geld geht, sondern vielmehr darum, wer in der Zukunft überleben wird. Und dazu wird es ganz anderer Prozesse und Produkte bedürfen. Es wird heute allenthalben über Digitalisierung gesprochen, und ich darf von meinem Unternehmen berichten, dass, was Digitalisierung von Gerätschaften betrifft, in unseren Kernsegmenten alles schon digitalisiert ist. Insofern schauen wir zuversichtlich in die Zukunft – als Familienunternehmen, in dem auch meine Töchter schon tätig sind, und mit zukunftsweisenden Produkten.

Reinigung aktuell: Wie machen Sie das unternehmensintern? Haben Sie einen Development Manager beschäftigt?

Hagleitner: Ich habe mich mit 21 Jahren selbstständig gemacht und meine ersten Kunden gewinnen dürfen. Und die einzige Möglichkeit zur Entwicklung war, den Kunden zu fragen, was er braucht und wo ich ihm helfen kann, und mit dieser Fragestellung dann etwas Spezielles für den Kunden zu fertigen. Dadurch hat sich eine bestimmte Kultur im Unternehmen Hagleitner entwickelt, wo jeder bemüht ist, sich jeden Tag darüber Gedanken zu machen, wie man es besser machen kann. Heute ist es in der Unternehmensgruppe Hagleitner selbstverständlich, nicht stehen zu bleiben, ständig Neues zu entwickeln und es immer besser machen zu wollen. Und immer mit dem Bewusstsein, dass man keine Zukunft haben wird, wenn man sich nicht verändert.

Reinigung aktuell: Herr Professor Redlein, was sagt die Forschung, wo es in der nächsten Zukunft im infrastrukturellen FM hingeht?

Redlein: Nach einer bereits älteren Studie der Universität Cambridge werden ca. 40 Prozent aller Berufe sich verändern. Das heißt nicht, dass sie wegfallen. Ich habe zum Beispiel wenig Angst, dass die Reinigung von Robotern gemacht wird. Auf ebenen Flächen werden die Roboter zwar besser, aber das österreichische Stiegenhaus können sie noch nicht reinigen. In besagter Studie wurden 700 Berufe analysiert, und ein Ergebnis war, dass einer der Berufe, die als erste wegfallen werden, der Vorarbeiter ist. Wie ändert sich das Thema Reinigung? Die Dienstleistung per se wird nach wie vor von Personen erbracht werden, das wird sich nicht so schnell ändern, weil es nicht so einfach ist, hygienisch gut in unterschiedlichen Levels zu reinigen. In einem Wiener Gründerzeithaus wird ein Roboter nicht reinigen können. Aber die Steuerung davon, sei es, dass man Sensoren für die Nutzung hat oder ergebnisorientierte Reinigung, wird anders werden. Diese Steuerung wird vielleicht anders getriggert werden, wenn sich hier eine Plattform etabliert.

Reinigung aktuell: Herr Breithaupt, was könnten in der nächsten Zeit die lukrativen Geschäftsfelder sein? In den meisten westeuropäischen Ländern ist die Unterhaltsreinigung eigentlich ein Verdrängungswettbewerb, der ausschließlich über den Preis bestimmt wird. Wie gehen große Organisationen damit um, andere Betätigungsfelder zu finden? 

Breithaupt: Wir dürfen den Kunden nicht aus den Augen verlieren. Insbesondere den Endkunden, der auch der Kunde unseres Kunden sein kann. Letztlich geht es darum, für unseren Kunden Werte zu generieren, sprich: Es geht nicht darum, eine Leistung A oder B zu erbringen, sondern am Ende des Tages geht es darum, dass mein Kunde die Leistung, die ich als Dienstleiter erbringe, als für sich wertvoll erachtet. Das heißt für unsere Branche der infrastrukturellen FM-Services erstens: Ab dem Augenblick, wo wir uns darauf reduzieren zu sagen, dass wir in der Lage sind, eine bestimmte Fläche sauber zu machen, werden wir wahrscheinlich nur einen Teilwert generieren. Wenn wir aber darüber hinaus auch im Auge haben, was die Probleme des Kunden sind, zum Beispiel Zeitdruck zu einer bestimmten Zeit oder sonst ein Bedürfnis, auf das wir besonders eingehen können – wenn wir dafür ein Gespür entwickeln und damit im Endeffekt verstehen, was eigentlich die Herausforderungen unseres Kunden sind, und versuchen, ihm dafür eine Lösung zu bieten, dann können wir einen Wert für ihn generieren, sind also „wertvoll“ für ihn. Und am Ende des Tages können wir dafür auch wieder eine ordentlichen Ertrag generieren. Es gehört aber noch ein weiterer Punkt dazu, und das ist heute eben eine riesengroße Herausforderung: Da der Kunde nicht per se antwortet im Sinne von „das oder jenes ist mein Bedarf“, auch weil er nicht automatisch abschätzen kann, was wir überhaupt leisten und wo wir ihn unterstützten können, weil er unsere Kreativität nicht kennt – aus dieser Situation heraus müssen wir auch bereit sein, Vieles zu probieren. Und das bedeutet auch, dass wir uns organisatorisch darauf einstellen müssen, auch mal Fehler zu machen, auch dass wir bei unseren Mitarbeitern Fehler zulassen. Und wenn wir das tun, dann haben wir eine gute Plattform, um einen klaren Blick auf den Kunden und seine Bedürfnisse, auf das, was für ihn wertvoll ist, zu haben.

Reinigung aktuell: Herr Kirschnereit, in welchen Segmenten kann was angegangen werden? Gibt es spezifische infrastrukturelle FM-Segmente, die lukrativer sind als andere? Wie wird das bei Ihnen institutionalisiert, Stichwort Business Development Manager?

Kirschnereit: Zunächst auf Ihre erste Frage eingehend, ob das Finden von Geschäftsfeldern lernbar ist. Auf jeden Fall hilfreich ist planvolles Vorgehen. Wir in unserem konzerngeprägten Unternehmen beschäftigen uns sowohl mit dem Thema „Digital“ als auch mit den klassischen Entwicklungen am Markt, aber natürlich auch immer wieder damit, was ein Kunde zurückspielt. Aus alldem ergeben sich Themen, wo man strukturiert Entwicklung vorantreiben kann. Unsere Branche wird auch zukünftig getrieben sein von Mitarbeitern, die in dieser Dienstleistungsbranche arbeiten, denn das operative Geschäft auf den Flächen wird nicht schon morgen durch Robotik ersetzt werden. Welche Entwicklungen werden nun zukünftig den Markt prägen? Viel ist die Rede von Sensorik und Robotik, wir sehen aber, dass alles plattformgetrieben ist. Es ist nicht zwingend der einzelne Roboter oder der einzelne Sensor, sondern: Die strategische Entwicklung gerade für große integriert aufgestellte Unternehmen wie das unsere ist vielmehr das dienstleistungs- und leistungsbereichsübergreifende Handeln und Schaffen von Transparenz für Kunden. Denn darin liegt ein Kundennutzen. Es geht darum, wie man über eine Plattform einen Prozess steuern und managen kann, von der Abrechnung bis hin zur Qualitätssicherung, um erstens dem Kunden Transparenz zu liefern. Und zweitens das, was kein Kunde bezahlen will, nämlich die Strukturkosten so gering wie möglich zu halten.

Die nächste Frage ist natürlich, wo die interessanten Geschäftsfelder liegen. Da kommt es darauf an, wie man aufgestellt ist, ob man als Konzernunternehmen entsprechend groß aufgestellt ist, mit unterschiedlichen Leistungsbereichen als integrierter Dienstleister, oder ob man in einer Nische als Spezialist unterwegs ist. Beide Seiten haben ihre Berechtigung und können auf absehbare Zeit auch funktionieren, sprich: auch die Spezialisten können noch eine ganze Zeitlang am Markt existieren und profitabel wirtschaften.

Reinigung aktuell: Seit vielen Jahren schon hört man immer wieder, auch von Marktforschungsunternehmen, dass die Tendenz hin zur Multidienstleistung bzw. bundled Services geht. Aber was diesbezüglich vor 10 Jahren prognostiziert wurde, ist immer noch nicht eingetreten. Daher die Frage an Prof. Redlein: Werden solche Trends auch tatsächlich realisiert?

Redlein: Man muss unterscheiden zwischen einem Service Provider und mehreren. Österreich ist klein. Wir machen jedes Jahr eine Studie mit den 500 größten Unternehmen Österreichs – darüber, wie sie sich aufstellen, zum Beispiel wie viele Dienstleister sie haben, und da sind wir in Österreich immer noch im Bereich von unter 10 Prozent, die einen Dienstleister haben möchten. Denn da stellt sich an einen Dienstleiser, den ich für alle infrastrukturellen Dienstleistungen beauftrage, auch die Frage, ob er zum Beispiel den Bereich Technik alleine schafft oder zukauft. Wenn er es nicht schafft, zahle ich eine Management Fee. Und da wägen viele Unternehmen eben ab, ob sie Management Fee an den Dienstleister zahlen oder es selber machen. Denn wenn die Management Fee mehr ausmacht als man mit eigenen Mitarbeitern steuert, dann wird es nicht passieren, dass Dienstleistung Externen überlassen wird. Wir müssen unterscheiden zwischen Technologien und wie schnell die kommen. Wir haben als TU Wien eine Datenbank aufgebaut mit 700 Cases, wo wir jetzt sagen können, was die gängigen Technologien und die davon betroffenen Services sind. Und wir können von 700 herunterbrechen, welche Technologien zum Beispiel die Reinigung oder Work Place Managment, Asset Management beeinflussen. Und das kommt. Und wenn wir es nicht machen, wird jemand anderer diese Technologien einsetzen. Deswegen ist für mich zu unterscheiden: Habe ich nur einen Dienstleister oder mehrere? Das ist dann nämlich Risikomanagement, wo man seine Beschaffung, sein Risikomanagement fragt, ob man sich auf einen Dienstleister einlässt. Und wir wissen alle, dass es ein People Business ist. Der Auftraggeber vertraut dem Dienstleister und gibt ihm den Auftrag, nur ist es in der Branche so, dass immer wieder auch Zukäufe gemacht werden, sodass man nicht weiß, ob der Dienstleister morgen noch eigenständig ist oder ob ihn ein Fonds aufgekauft hat.

Aber um noch etwas ganz anderes anzuführen: Es wird gesagt, man hört dem Kunden zu. Wir haben gerade eine Studie über den KMU-Bereich gemacht. Frage: Welcher Dienstleister hat ein spezifisches Angebot für Ein- bis Zwei-Mann-Unternehmen, für die Start Ups, die wir jetzt so hochloben? Denn die wollen sich nur mit ihrer Arbeit beschäftigen. Man könnte doch versuchen, in diesen Sektor, der sehr gefördert wird, Dienstleistungen reinzubringen. In einer Studie, die wir 300 Kilometer rund um Salzburg gemacht haben, haben wir keine Angebote gefunden, die für Ein- oder Zwei-Personen-Unternehmen zugeschnitten wären. Denen hat auch keiner zugehört, „eh uninteressant, die wollen nicht auslagern“, hieß es, diese Kleinunternehmen würden sich nicht damit beschäftigen wollen. Ich könnte aber auf Anhieb ein paar von diesen Kleinunternehmen nennen, die offiziell, also nicht schwarz Reinigungsdienstleistung in Anspruch nehmen würden. Sie haben aber das Problem, Dienstleister um einen relativ angemessenen Preis zu bekommen. Stellt sich die Frage: Hört man hier wirklich dem Kunden zu?

Reinigung aktuell: In welche Richtung sollte ein mittelgroßes Gebäudereinigungsunternehmen mit 150 – 200 Mitarbeitern in Österreich für die nächsten Jahre weiterdenken bzw. sich entwickeln? Wie kann sich ein solches Unternehmen am Markt zukünftig zurechtfinden? Sollte man die Dienstleistung eher diversifizieren oder sich eher spezialisieren? Herr Hagleitner …

Hagleitner: Ich glaube, dass jedes kleine Unternehmen eine große Chance in der Zukunft hat. Weil der Markt sich unglaublich verändern wird. Spezialisierung ja, ohne Spezialisierung wird es nicht funktionieren, und zum richtigen Zeitpunkt erkennen, welche Produkte – und da sind wir beim Thema Digitalisierung – können dazu führen, mehr Effizienz als der Mitbewerber zu bieten. Von dem sind wir getrieben, nämlich Produkte zu entwickeln, die helfen, ein Service mit weniger Aufwand und mit mehr Qualität zu bieten. Wir haben in unserem Unternehmen 40 Leute, die tagtäglich entwickeln, es gibt keine drei Monate, wo wir nicht neue Produkte auf den Markt bringen. Wir sind Getriebene in dieser digitalen Welt. Ohne Digitalisierung wird es keine Zukunft geben. Auch unser Unternehmen hätte keine Zukunft, wenn unsere Produkte nicht diesen Innovationsstandard hätten. In diese Richtung geht es. Und dann werden wir dem Gebäudereiniger helfen können, die Prozesse effizienter zu gestalten, sprich: in weniger Zeit mehr Service zu bieten. 

Breithaupt: Zur Frage Spezialisierung oder Generalisierung bzw. Diversifizierung kann ich nur sagen, dass kleinere Unternehmen ganz klar bei der Spezialisierung beginnen sollten. Und dann, je nachdem, welche Größe sie aufbauen, können sie an Weiterentwicklung denken. Jedenfalls müssen sie am Ende des Tages ihre Leistung beherrschen, um sie mit einem ordentlichen Ergebnis verkaufen zu können. Jeder hat in seinem Unternehmen auch Unternehmensentwicklung, und je besser einer in der Lage ist, in die Köpfe seiner Mitarbeiter das Gedankengut hineinzubekommen, dass sie ihre Services so einbringen, dass der Kunde am Ende des Tages den Mehrwert empfindet, umso besser entwickelt sich das Unternehmen weiter. 

Redlein: Nicht nur der FM-Dienstleister ist getrieben von der Digitalisierung, sondern genauso dessen Kunde. Bei dem verändert sich die Welt gerade genauso. Und dementsprechend muss sich auch die Dienstleistung anpassen. Die Kunden brauchen Weggefährten, die sie bei dieser Veränderung unterstützen. Weil sie neue oder andere Dienstleistungen brauchen.

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