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„Hygiene bedeutet Prävention“

Reinigung aktuell sprach mit Marion Krejci, Geschäftsführerin des Hygienemanagement Consulting-Unternehmens Hygline, über den Stellenwert von Hygiene in Alten- und Pflegeeinrichtungen.

Text: Erika Hofbauer

Seit mehr als 10 Monaten hat die Coronakrise nicht nur Österreich fest im Griff. Vor allem die Alten- und Pflegeeinrichtungen stehen aktuell auch medial im Fokus der Pandemie, die Rufe nach optimalen Hygienestandards und verbesserter Qualität von Maßnahmen waren und sind unüberhörbar. Marion Krejci, Geschäftsführerin des Hygienemanagement Consulting-Unternehmens Hygline, über den Stellenwert von Hygiene in Alten- und Pflegeeinrichtungen, das passende Preis-Leistungs-Verhältnis – und dass sie sich gerne irren würde.

Reinigung aktuell: Wenn Sie auf die vergangenen Monate zurückblicken – wie würde Ihr berufliches Pandemie-Bild aussehen?

Marion Krejci: Wir haben etwa 150 Vertragspartner in ganz Österreich. Wir betreuen hauptsächlich Alten- und Pflegeeinrichtungen, Rehab-Kliniken und Sonderkrankenanstalten. Wenn man sich nun Alten- und Pflegeheime ansieht, wird gerne folgendem Prinzip gefolgt: Es sollte nach ähnlichen – hygienischen – Bedingungen gelebt bzw. gewohnt werden wie davor zuhause. Das ist grundsätzlich kein schlechter Ansatz, denn es wird in diesen Einrichtungen ja auf das Wohnen alter Menschen abgestellt. Um überhaupt einen Platz in einer solchen Einrichtung zu bekommen, ist das Erreichen einer gewissen Pflegestufe erforderlich. Und diese Pflegestufen sind als Zugangskriterium generell sehr hoch. Es liegt dann in der Natur der Sache, dass hier ein reger Transfer zwischen Krankenhaus und der Pflegeeinrichtung herrscht. Und in diesem regen Transfer ist auch ein Erregertransfer enthalten. Nun gibt es verschiedene Verhaltensweisen seitens der Heimleitung, wie – zum Beispiel im Falle einer Pandemie – mit speziellen Situationen umgegangen wird. Da gibt es die eine Gruppe, die keine Vorsorge getroffen hat, da kann der Ansatz des „Wohnen wie früher zu Hause“ schnell einmal zum Boomerang werden. Dann gibt es eine Gruppe, wo bereits ein Generationswechsel im Managementteam stattgefunden hat. Diese sehen verstärkt den Aspekt der Rechtssicherheit. Und dann gibt es eine dritte Gruppe – wobei ich hier nur für unsere Partner sprechen kann –, wo ein sehr hohes Qualitätsbewusstsein in der Einrichtung herrscht, und da gehört das Hygienemanagement dazu. 

Reinigung aktuell: Wo bzw. wie agieren Sie dabei?

Krejci: Man kann entweder selbst das geeignete Hygienepersonal ausbilden und beschäftigen oder man holt sich externe Beratung – wie beispielsweise uns -, was manchmal strategisch die klügere Wahl ist. Denn wir sehen sehr viele Einrichtungen und können hier eine gute Expertise in jede Beratung einbringen. Wir haben da auch keine Betriebsblindheit, können objektiv von außen beurteilen, sodass oft die Akzeptanz der Empfehlungen höher ist. 

Reinigung aktuell: Ihnen wird also die Arbeit nicht ausgehen?

Krejci: Gemessen an der reinen Bettenzahl haben Alten- und Pflegeeinrichtungen den höheren Anteil als etwa ein Krankenhaus. Wir haben mehr Pflege- als Krankenhausbetten, der Markt ist also riesig. Was nun die Schulungen in Sachen Hygienemanagement betrifft, da ist noch viel Luft nach oben. Obwohl die Pandemie gezeigt hat, welche tolle Arbeit auch Reinigungsfachkräfte leisten und geleistet haben. Natürlich ist das Bewusstsein in diesem Zusammenhang in Krankenhäusern ganz anders, im Bereich der Alten- und Pflegeeinrichtungen bemühen wir uns im Rahmen des Hygienemanagements zu schulen, zu begleiten und zu trainieren, und zwar aller Mitarbeiter, nicht nur Pflegekräfte. 

Reinigung aktuell: Haben Sie im Rahmen Ihres beruflichen Alltags ein neues Hygiene-Bewusstsein bemerkt? Hatten Sie regen Zulauf?

Krejci: Interessanterweise nicht! Ich habe zum Beispiel bereits im März 2020 ein Krisenszenario ausgearbeitet, um gewappnet zu sein, wenn der große Ansturm kommt. Der ist jedoch völlig ausgeblieben. Womöglich waren ein Gutteil der handelnden Personen in einer Art Schockstarre, die nicht in der Lage waren, notwendige externe Hilfe zu holen. Unsere bestehenden Kunden haben wir natürlich gut weiterbetreuen können, da hat uns auch geholfen, dass wir eines der wenigen Unternehmen in dieser Branche sind, die datenbankbasiert arbeiten. Das heißt: Der Kunde hat per Mausklick den aktuellen Hygienestandard und alle aktuellen, erforderlichen Daten zur Hand gehabt. 

Reinigung aktuell: Gab es bei Ihren bestehenden Kunden neue Anforderungen an Sie?

Krejci: Eigentlich nicht. Lediglich einige – für mich persönlich – ernüchternde Aussagen sind mir untergekommen, zum Beispiel wenn eine aus einer Einrichtung ausgeschiedene Hygienefachkraft mit den Worten „es soll aber nicht zu viel kosten“ ersetzt werden soll. Ich würde mir wünschen, dass Hygiene und Hygienebewusstsein durch dieses gesellschaftlich doch dramatische Ereignis den gleichen Stellenwert erhält wie eine Haushaltsversicherung oder Investitionen in den Brandschutz.

Reinigung aktuell: Was hat sich durch die Pandemie in Ihrer Arbeit verändert?

Krejci: Die Angst – nicht nur in den Einrichtungen – ist weniger geworden, wir haben ja fast ein Jahr lang „geübt“. Angstvolles Vorgehen führt ja tendenziell zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit, weil ich aus lauter Angst nicht mehr klar denken kann, die Analytik fehlt. Dann wurde über das Ziel manchmal hinausgeschossen, wenn zum Beispiel Überschuhe getragen wurden, obwohl man wusste, dass vom Fußboden keine Infektion ausgeht. Jetzt müssen wir aber auf eine etwas andere Entwicklung aufpassen. Es schleicht sich nämlich eine gewisse Ermüdung ein, die auf ihre Art auch gefährlich ist, vor allem dann, wenn sinnvolle Auflagen ignoriert werden. 

Reinigung aktuell: Wie steuern Sie hier dagegen? Welche Maßnahmen bieten Sie?

Krejci: Wir haben bereits Anfang 2019 einen so genannten ASK-Infektionsschutz ausgearbeitet. Das ist im Grunde eine Infomappe, die sich dem Thema Hygienestandards mit den Stichworten Aufmerksamkeit, Schutzkleidung, Kommunikation – eben ASK – widmet. Sie ist aber speziell gestaltet. Denn, wir haben festgestellt, dass wir zwar Standards beschreiben oder Checklisten gestalten, aber: Wenn ein spezieller Erreger – und es gibt noch Anderes als Corona – ausbricht, sind manche Verantwortliche oft nicht in der Lage gewesen, die Hygienestandards vernünftig zu lesen. Wir haben mit einem Grafiker nun etwas gestaltet, das optisch ganz leicht zu erfassen ist und auch unter Stress gut umgesetzt werden kann. Wir haben auch einen eigenen Flyer für Angehörige in einfacher Sprache verfasst. 

Reinigung aktuell: Was sollte uns die Pandemie hinsichtlich „Hygieneverhalten in Zukunft“ lehren?

Krejci: Hygiene bedeutet Prävention. Das ist wie beim Zähneputzen: Dadurch will man ja auch verhindern, dass beim Zahnarzt viel gebohrt wird. Was auch wichtig ist: Diese Prävention sollte auch wirklich etwas wert sein dürfen. Diese Problematik bemerken wir auch bei Reinigungsdienstleistungen. Wenn wir zum Beispiel eine Einrichtung als Kunde übernehmen, sind manchmal die ersten Beschwerden des Managements, dass sie mit der – externen – Reinigungsdienstleistung nicht zufrieden sind. Ich frage dann meist zurück: Wie lautete denn der Auftrag? Wenn man hier minimalistisch unterwegs ist, weil ich nur sparen will, dann werde ich auch nur ein entsprechendes Ergebnis erhalten.

Reinigung aktuell: Was kommt noch 2021?

Krejci: Ich glaube, dass uns das Thema noch das ganze Jahr begleiten wird. Ich würde mir wünschen, dass sich viele Einrichtungen Hilfe holen, aber nicht nur, um Brände zu löschen, sondern um Hygienemanagement-Maßnahmen in ihren Einrichtungen als Teil des Qualitätsmanagements zu implementieren. Natürlich spielt das Finanzielle eine Rolle, überhaupt in der jetzigen Zeit, wo das Geld abgeschafft scheint. Aber die Zeiten werden auch wieder anders und ich fürchte, dass der eine oder andere wieder extreme Einsparungen in diesem Bereich fahren wird. Ich hoffe jedoch, dass ich falsch liege. Denn ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sollte für alle akzeptabel sein.

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