Podium

„Lange Arbeitstage – trotzdem nicht Vollzeit“

Podiumsdiskussion am „Tag der Gebäudereinigung“ am 15. Juni in Wien: „Gute Arbeit im Spannungsfeld von Kunden, Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden“ – mit: Gerhard Komarek, Bundesinnungsmeister der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger; Karin Sardadvar, Soziologin und Arbeitsforscherin, WU Wien; Martin Sobotka, AMS-Abteilungsleiter Service für Unternehmen; Ursula Woditschka, Gewerkschaft vida, Fachbereich Gebäudemanagement.

Moderation: Ines Omann

Frau Woditschka, Reinigungsarbeit bekommt gesellschaftlich verhältnismäßig wenig Anerkennung, passiert oft auch „versteckt“. Muss man sich damit abfinden und sozusagen das Beste daraus machen? Oder könnte man versuchen, die Anerkennung zu erhöhen, und wenn ja, wie?

Moderatorin Ines Omann
Moderatorin
Ines Omann

Woditschka: Ein wesentlicher Faktor ist die Kommunikation. Man muss kommunizieren, was Reinigen ist. Es wird oft das Wort „Putzen“ verwendet, aber wir sprechen hier von Fachkräften. Auch wenn sie nur teilweise qualifiziert sind, in der Büroreinigung zum Beispiel, müssen sie relativ viel Fachwissen mitbringen, um in kürzester Zeit ein 15-Quadratmeter-Büro mit doch sehr unterschiedlichen Flächen und Einrichtungen fachgerecht reinigen zu können. Es muss kommuniziert werden, was es heißt, ein sauberes Büro oder Spital, einen sauberen Arbeitsplatz zu haben, und welches Know how dahintersteht. Wichtig ist aber auch die Kommunikation zwischen dem Endverbraucher, zum Beispiel der Bürokraft, und dessen Arbeitgeber, der als Auftraggeber mit dem auftragnehmenden Dienstleister den Vertrag ausmacht, aufgrund dessen die Reinigungskraft dann weiß, was sie zu tun hat. Denn die Erwartungshaltung der Endverbraucher im Büro ist in der Praxis oft eine ganz andere. Zum Beispiel: Wenn die Endverbraucher in einem Büro auch Wert darauf legen, dass die Kaffeehäferln weggeräumt werden, und das aber nicht im Auftrag drinnensteht, bleiben die Kaffeehäferln eben stehen und man beschwert sich ständig über die Reinigungskraft. Deshalb ist es auch ganz wichtig, dass ich als Bürokraft MEINEM Arbeitgeber, also, dem der die Reinigung beauftragt, kommuniziere, was benötigt wird. Denn wenn es dann MEINE Arbeitszeit kostet, das Kaffeehäferl wegzuräumen, entspricht der Reinigungsauftrag nicht den Erwartungen.

Frau Sardadvar, Sie forschen auch zum Thema Arbeitszeiten in der Reinigung, daher die Frage an Sie: Welche Probleme sind mit den „Geteilten Diensten“ bzw. der Reinigung an den Tagesrandzeiten verbunden? Und was könnte man hier tun?

Sardadvar: Zunächst möchte ich erklären, worüber wir hier sprechen – am Beispiel einer Reinigungskraft mit zwei Kindern, die im Büro eines Unternehmens reinigt. „Geteilte Dienste“ bedeutet, sie arbeitet zum Beispiel in der Früh von 6 bis 9 Uhr, fährt dann nach Hause, kümmert sich dort um die Kinder, um das Essen, macht Einkäufe und Erledigungen, Hausarbeit, und tritt dann ein zweites Mal ihren Dienst an, um 16 oder 17 Uhr, und arbeitet bis 19 oder 20 Uhr. Bei diesen „Geteilten Diensten“ an den Tagesrändern sprechen wir also über zwei Probleme gleichzeitig: diese Zerrissenheit des Arbeitstages und die Lage der Arbeitszeiten in der Früh und am späten Nachmittag bis abends. Solche „Geteilten Dienste“ greifen sehr stark in das Leben der Beschäftigten ein, der ganze Arbeitstag steht sozusagen unter der Überschrift der Erwerbsarbeit. Man fängt früh an und kommt spät nach Hause, kommt aber oft trotzdem nicht auf eine Vollzeitarbeit. Oft sind es nur 20 Stunden, vielleicht 30. Wobei diese Unterbrechung zwischen Arbeitszeit am Morgen und abends für uns in der qualitativen Forschung auch insofern interessant ist, als sich die Frage stellt, was das eigentlich für eine Zeit ist. Es ist natürlich unbezahlte Zeit, fühlt sich aber nicht wirklich an wie Freizeit, wenn man weiß, dass man kurz nach 15 Uhr wieder los muss. Auch das soziale Leben ist schwierig, wenn man sowohl spät zu arbeiten aufhört als auch am nächsten Morgen wieder früh beginnt. Das macht es ganz schwierig, unter der Woche zum Beispiel an einer Familienfeier oder Ähnlichem teilzunehmen. Problematisch sind solche langen Arbeitstage auch die Gesundheit betreffend. Oder die Kinderbetreuung kann schwer zu organisieren sein. Zum anderen, Stichwort Unsichtbarkeit der Reinigungsarbeit an den Tagesrändern: Was passiert im Kundenunternehmen durch diese Arbeitszeiten? Der Mensch, der die Reinigungsarbeit verrichtet, wird nicht gesehen, und das ist aus unserer Sicht ganz schlecht für eine Branche, die ohnehin damit zu kämpfen hat, die gesellschaftliche Anerkennung zu bekommen, die ihr zusteht. Denn dieses Arbeiten an den Tagesrändern ohne oder mit nur wenig Kontakt mit den Beschäftigten des Kundenunternehmens verstärkt immer weiter, dass diese Arbeit im Unsichtbaren verbleibt.

Herr Komarek, Thema Teilzeitbeschäftigung: Das betrifft bekanntlich insbesondere Frauen – manchmal auch unfreiwillige Teilzeitbeschäftigung, wenn Menschen gerne mehr arbeiten würden. Woran liegt es, dass in der Reinigung nicht mehr Vollzeitstellen oder zumindest mehr 30-Stunden-Beschäftigungen angeboten werden können? Es wird ja von Arbeitskräftemangel gesprochen – was müsste sich hier ändern, damit es das Problem des Arbeitskräftemangels nicht gäbe und gleichzeitig Menschen, die es möchten, länger arbeiten könnten?

Komarek: Wenn ich ein Rezept hätte, um das so umzusetzen, hätten wir als Sozialpartner schon Lösungen gefunden. Hier geht es hauptsächlich um die Kommunikation, deshalb auch vielen Dank im Namen der Reinigungsbranche an die OrganisatorInnen und Institutionen, die diesen „Tag der Gebäudereinigung“ organisiert haben, denn ich glaube, dass die einzige Möglichkeit, zu mehr Tagreinigung zu kommen, die Kommunikation mit dem Endkunden ist. Beispiel: In einem Ministerium arbeiten 40 Reinigungskräfte von 6 bis 9 Uhr. Dabei wäre es den Dienstleistungsunternehmen viel lieber, es wären nur 20 Reinigungskräfte von 6 bis 12 Uhr – und noch lieber, es wären nur acht, die vollzeitbeschäftigt sind.“ Das muss man dem Auftraggeber aber auch kommunizieren.

Es ist aber auch nicht so, dass ab morgen alles nur mehr am Tag gereinigt werden könnte. Zunächst müsste man selektieren, in welchen Bereichen Tagreinigung möglich ist und wo nicht. In einer Therme etwa kann man nicht untertags mit dem Hochdruckreiniger zwischen den Liegen arbeiten. Und dann müssen wir auch die grundsätzlichen Maßnahmen dafür treffen, sprich: das geeignete Personal dazu finden. Denn ich kenne auch die Situation, dass Reinigungskräfte sagen, sie würden nicht gut deutsch sprechen und möchten deshalb lieber mit niemandem reden müssen – was natürlich besser am Abend und in der Früh geht. Auf der anderen Seite gibt es schon neue Generationen, die das sehr wohl könnten und mit denen man das umsetzen könnte. Der springende Punkt ist jedenfalls, dass man mit dem Kunden spricht, denn die Vorteile der Tagreinigung liegen auf der Hand: für die Reinigungskräfte, für den Dienstleister und vor allem für den Kunden. Die Umsetzung ist aber nicht so einfach. Wir Sozialpartner haben uns schon überlegt, was wir diesbezüglich auch kollektivvertraglich tun könnten, zum Beispiel die Reinigung in den Tagesrandzeiten verteuern. Doch das wäre wiederum unfair zum Beispiel einer Therme gegenüber, wo es nicht anders geht, als nachts zu reinigen, wenn sich das dann verteuern würde. Wir haben auch den Betrieben österreichweit Informationen zugeschickt, wie sie beim Auftraggeber entsprechend argumentieren können. Wobei ich aber auch sagen muss: Es gab schon – nicht veröffentlichte – Umfragen in Großobjekten, wo der Auftraggeber die eigenen Mitarbeiter gefragt hat, ob sie die Reinigung untertags oder morgens und abends wollen, und diese gesagt haben, sie würden die Reinigungskräfte untertags gar nicht sehen wollen. Das heißt, es ist auch ein gesellschaftliches Problem, Stichwort Wertschätzung. Deswegen haben wir schon vor 10 Jahren uns ganz intensiv auch dem Thema Aus- und Weiterbildung gewidmet. Wir haben im 23. Wiener Bezirk die modernste Ausbildungsakademie Europas für die Reinigung geschaffen, denn ich glaube, dass die Gesellschaft nur dann die Wertigkeit der Reinigung erkennt, wenn diese Tätigkeiten auch sehr professionell sind, sprich: wenn erkannt wird, dass diese Tätigkeit doch einiges Fachwissen erfordert. 

Herr Sobotka, Sie arbeiten beim AMS im Bereich „Service für Unternehmen“. Was können Sie bei Stellenausschreibungen von Unternehmen, die Reinigungskräfte suchen, beobachten? Was wird angeboten? Und nach welchen Jobs wird gesucht?

Sobotka: Je mehr Stunden angeboten werden und je besser die Arbeitszeiten sind, umso schneller und einfacher können wir diese Stellen besetzen. Wir tun uns dagegen sehr schwer, Stellen mit 15 Wochenstunden zu besetzen, zumal von 6 bis 9 Uhr und von 17 bis 20 Uhr. Aber die Menschen entwickeln sich auch und wechseln dann oft in andere Branchen wie den Handel mit besseren oder geregelteren Arbeitszeiten als in der Reinigungsbranche. Wir sind jedenfalls Verfechter der Tagesreinigung, wir, der Arbeitsmarktservice Wagramerstraße, haben denn auch vor 10 Jahren als Vorzeige-AMS auf Tagesreinigung umgestellt, und wir haben das in Wien mittlerweile in fast allen 14 Häusern geschafft. Mein Wunsch wäre, dass gerade öffentliche Institutionen, wie das AMS eines ist, hier eine Vorbildfunktion übernehmen würden.

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