Hygienehersteller Hagleitner will ein landläufiges Verwertungs-Dilemma lösen. Eine entsprechende Modellrechnung zeigt: Der Klima-Fußabdruck reduziert sich um fast zwei Drittel, wenn der Produktanbieter den Kunststoff entsorgt – und nicht der Verbraucher.
Plastikabfall zu sammeln, ist gut; dafür finden sich Annahmestellen. Noch besser aber wird Kunststoff-Recycling, wenn es sortenrein passiert. Dann unterbleiben Fehlwürfe, dann wird überhaupt nichts mehr verbrannt. Fehlwürfe sind sonst unvermeidlich – normalerweise landet ihretwegen immer ein Teil des Plastikabfalls im Feuer, das betrifft selbst den Gelben Sack.“ So spricht Hans Georg Hagleitner. Seine Firma hat am 1. August 2023 einen Feldversuch gestartet, es geht um Flaschen und Kanister für Reinigungsmittel. „Das Thema ist ein Perspektivenwechsel: Nicht der Verbraucher entsorgt das Gebinde, sondern der Anbieter.“ Hagleitner holt die Verpackung zurück, sobald sie leer geworden ist. Eine neue Flasche bläst daraus Alpla, der Kunststoffspezialist aus Vorarlberg. Erheblich minimiere sich hiermit der Klima-Fußabdruck, er mache dann nur mehr gut ein Drittel aus. Das ergibt eine Modellrechnung, die Szenarien fiktiv durchgespielt hat.
Treibhausgasbilanz
0,53 Kilo CO2-Äquivalent[1] fallen je Kilo Kunststoff an, führt Hagleitner die Verpackung sortenrein in den Kreislauf zurück. Darauf gründet sich der Feldversuch, genau seine Methode hat im Modell also am besten abgeschnitten. Auf dem Silberrang folgt der Gelbe Sack, das CO2-Äquivalent beträgt hier 1,34 Kilo – um 151 Prozent mehr. Relativ schlecht käme bei Hagleitner ein drittes Setting weg: Flaschen und Kanister zu waschen. Das CO2-Äquivalent würde sich dann auf 1,48 bis 1,93 Kilo summieren – je nachdem, welchen Recyclinganteil das Gebinde enthält.[2] – Diesen Vergleich zog Sattler-Energieconsulting, ein Sachkundigenbüro in Oberösterreich; der Hygienehersteller Hagleitner hatte es mit der Klimakalkulation beauftragt.
Hagleitner sammelt und verpresst
100 Prozent Recyclingquote verspricht der Feldversuch, der aufs B2B-Geschäft abzielt: Kauft jemand ein neues Produkt, liefert es Hagleitner nicht nur aus; der Betrieb nimmt auch mit, was aufgebraucht ist. Das Leergut gelte es zunächst zu komprimieren, schildert Hans Georg Hagleitner. Er hat rund 150.000 Euro aufgewandt, um Kunststoffpressen anzuschaffen; sechs Standorte sind damit gerüstet: Wien, Graz, Ansfelden, Villach, Imst sowie Zell am See. Der Feldversuch läuft nämlich in Österreich, tangiert hier 1.683 Kundinnen und Kunden: „Sie sind bewusst gewählt, denn sie greifen auf den Komplettservice unseres Unternehmens zurück“, verdeutlicht der Industrielle. „Betreuen wir sie doch vollumfänglich – samt proaktiver Wartung.“ Immerhin 25 Tonnen Leergut will man allein im ersten Jahr an den sechs Standorten zu Ballen verpressen.
Alpla recycelt
Die Ballen gelangen nach Niederösterreich, konkret nach Wöllersdorf. Dort befindet sich ein Unternehmen namens PET-Recycling-Team – die Firma ist eine Tochter von Alpla, dem Kunststoffspezialisten gehört sie seit 2013 zu 100 Prozent an. Das PET-Recycling-Team reinigt die Ballen und macht sie zu Granulat zurecht. „Es geht um konsequente Kreislaufwirtschaft für alle Materialien, in allen Anwendungen in allen Regionen“, sagt Alpla-Chairman Günther Lehner. „Das Prinzip von Werthaltigkeit einer Flasche nach Gebrauch, die Sammlung, die Wiederaufbereitung und die Wiederverwertung in neu produzierte Kunststoffflaschen funktioniert überall auf der Welt sehr ähnlich.“ Viel bedeute dabei ein besonderes Prinzip: Design for Recycling. Verpackungskomponenten seien hiermit von vornherein aufs Recycling angelegt, Qualität und Optik beeinflusse das langfristig. Das Granulat aus Wöllersdorf verarbeitet Alpla direkt weiter, gleich ums Eck liegt das Flaschen- und Verschlussproduktionswerk von Steinabrückl. Dort schließt sich der Kreislauf: Gebinde für Gebinde wird neu geboren.
20 Tonnen weniger CO2-Äquivalent im ersten Jahr – allein durch den Feldversuch
Geplant hat Hagleitner den Feldversuch auf unbestimmte Zeit, im August 2024 soll er zum ersten Mal evaluiert werden. 20 Tonnen CO2-Äquivalent könne man der Umwelt bis dahin ersparen, heißt es von Seiten des Hygieneherstellers – die Zahl erschließt sich aus dem prognostizierten Recyclingvolumen: Über die zwölf Monate stehen 25 Tonnen Kunststoffabfall ins Haus. Als Messlatte dient der Gelbe Sack, darauf fußt der Referenzwert.[3] – Wer also bei Hagleitner kauft, hatte Flaschen und Kanister vor dem Feldversuch ausschließlich selbst entsorgt.
Rote Laterne fürs Waschen
Warum Hagleitner keine Kleingebinde wäscht, erklärt Marcus Hutter; er ist dort Mitglied der Geschäftsleitung, verantwortet die gesamte Produktion: „Nicht alle Behälter kehren intakt retour. Bei Flaschen und Kanistern reicht oft schon ein Kratzer und das Stück ist unten durch. So ein Gebinde wieder aufzufüllen, bietet sich nicht mehr an; denn die Hülle könnte leck werden. Generell steigt dieses Risiko mit jedem Mal Spülen, spätestens nach dem vierten Mal ist daher Schluss. Eine Menge Abfall entsteht – ganz zu schweigen von der Wasserverschwendung. Auch braucht es Energie, um das Wasser hinreichend zu erhitzen – und viel Mühe, um das Gebinde zuverlässig zu säubern: Vom alten Reiniger darf kein Rückstand bleiben, das fordert in der Praxis am meisten; würde doch jeder Rückstand das neue Produkt kontaminieren.“
[1] Die Messgröße erfasst sämtliche Treibhausgase, um deren Effekt gebündelt darzustellen.
[2] Drei Möglichkeiten berücksichtigt die Modellrechnung: 0 Prozent, 30 Prozent sowie 70 Prozent Recyclinganteil.
[3] Im Feldversuch greift der Koeffizient 0,53, 1,34 lautet dieser beim Gelben Sack (siehe oben – unter Treibhausgasbilanz); die Ersparnis ergibt sich aus der Differenz.