Michael T. Grüssinger, Geschäftsführer Alfred Kärcher Österreich, über Robotik in der Reinigung – und warum Kärcher in diesem Segment sich bis jetzt nicht vorgedrängt hat.
Text Hansjörg Preims
Reinigung aktuell: Vergangenen November, als Robotik das zentrale Thema in Reinigung aktuell war, wollte Kärcher bei diesem Thema nicht vorkommen. Ist das kein Thema für Kärcher?
Grüssinger: Robotik ist, wie bei allen in unserer Branche, natürlich auch für Kärcher ein Thema – ein sehr wichtiges Thema für die Zukunft. Kärcher hat schon vor 15 Jahren den ersten Bodenreinigungsroboter auf den Markt gebracht, sodass wir auch schon einige Erfahrung mit der Entwicklung und den Märkten dieser Maschinen haben. Nämlich auch die Erfahrung sowohl mit uns selber als auch mit unseren Wettbewerbern, dass Produkte dieser Technologie sehr schnell angekündigt wurden, der Output dann aber ausblieb oder nur ein mäßiger war, sprich: zu teuer für die Leistung, welche die Maschine erbracht hat, die Umfeldbedingungen waren zu wenig eingespeist – viele Dinge, die auch heute noch ein Thema sind, wenn man sich mit Robotik beschäftigt. Aufgrund dieser Erfahrungen halten wir es jetzt eben so, dass wir mit unserer Robotik-Maschine erst dann an die Öffentlichkeit und zu unseren Kunden gehen werden, wenn wir von ihrer Markttauglichkeit und Wirtschaftlichkeit überzeugt sind. Wir arbeiten jedenfalls daran.
Wann ist mit einem Kärcher Reinigungsroboter zu rechnen?
Es kann durchaus sein, dass wir innerhalb der nächsten zwölf Monate das eine und andere Neue in diesem Bereich bekannt geben können. Aber wie gesagt – es geht uns weniger um Ankündigungen und Time lines, sondern vielmehr darum, wirklich erst mit einem funktionierenden, marktgerechten System an die Öffentlichkeit zu gehen.
Was meinen Sie mit „funktionierendem System“? Welchen technologischen Entwicklungsgrad?
Man muss hier den Kundenwunsch in den Vordergrund stellen. Die Kundenanforderungen an die Robotik sind heute nach Zielgruppen sehr unterschiedlich, sprich: Ein Gebäudedienstleister hat andere Anforderungen als etwa die großen Retail-Ketten. Und die Herausforderung für uns wie auch für jeden Wettbewerber ist eben, Lösungen anzubieten, die jeweils für diese Zielgruppen funktionieren. Klar ist, dass die Automatisation in diesem Bereich für unsere Kunden ein Riesenthema ist. Gar nicht so sehr wegen der Ersparnis bei den Personalkosten, sondern eher, um sich mit dem Thema Tages- und Nachtzeiten der Reinigung nicht mehr beschäftigen zu müssen. Für die Kunden eines Supermarkts zum Beispiel ist es nicht angenehm, wenn sie beim Einkaufen einem Bodenreinigungsautomaten ausweichen müssen. Jedenfalls glaube ich, dass es hier nicht EINE, sondern verschiedene, jeweils zielgruppenspezifische Lösungen geben muss. Möglicherweise auch Lösungen unterschiedlichen Automatisierungsgrades.
In welchen Bereichen werden diese Maschinen vornehmlich zum Einsatz kommen?
Robotik wird sich naturgemäß dort am besten einsetzen lassen, wo ein hohes Maß an Automatisation möglich ist. Nämlich wo man sehr klare Flächeneinteilungen hat und sehr klare Zeiten zuteilen kann – und wo es möglichst wenig Dinge gibt, die in irgendeiner Form fixe Abläufe stören. In der Industrie zum Beispiel, die ja 4.0-Vorreiter ist, kann ich mir gut vorstellen, dass in dem einen und anderen Zweischichtbetrieb in der dritten Schicht dann mit dem Roboter gereinigt wird.
Wenn ein großer Hersteller wie Kärcher mit einer der größten Entwicklungsabteilungen sagt, man sei im Segment der Robotik noch in der Entwicklungsphase – impliziert das nicht, dass die Geräte der anderen Hersteller, die schon am Markt sind, noch nicht wirklich ausgereifte Produkte sind?
Ich möchte unsere Wettbewerber hier nicht beurteilen, aber mir ist derzeit kein Robotik-Reinigungssystem auf dem Markt bekannt, das eine breite Kundenschicht abdecken würde. Der Kunde wird erst dann auf diesen Zug aufspringen, wenn er einen echten Mehrwert für sich sieht, der auch wirtschaftlich darstellbar ist. Und das scheint aus meiner Sicht derzeit am österreichischen Markt noch nicht gegeben zu sein.
Welche Hauptprobleme sind bei der Anwendung von Robotik in der Reinigung noch zu lösen – erstens technisch? Und zweitens – wenn diese Probleme gelöst wären, gäbe es dann immer noch menschliche Faktoren, die dagegen sprächen, Stichwort Arbeitsplatzverluste? Oder dass überhaupt der Dienstleister dann durch den Roboter ersetzt werden könnte?
Zunächst zum zweiten Punkt: Das sind Probleme, die wir generell in der Automatisierungstechnologie haben. Diese Ängste gibt es, man spricht bei „Industrie 4.0“ ja von der größten Revolution am Arbeitsmarkt seit der ersten großen industriellen Revolution. Die Auswirkungen werden extrem sein, auf uns alle, direkt oder indirekt, aber wir werden diese Entwicklung, genauso wie damals, nicht aufhalten können. Ein Thema, das meines Erachtens bei der Robotik in der Reinigung viel zu wenig zur Sprache kommt, ist eigentlich viel früher angesiedelt, nämlich schon mit dem Bau von Gebäuden. Eine Vielzahl von Gebäuden ist heute für Roboterreinigung gar nicht geeignet bzw. nicht darauf ausgelegt. Beispiel „selbstständiges Wassernachfüllen“ des Roboters: Es gibt keinen Supermarkt, der einen Wasseranschluss im Verkaufslokal hat. Und kein Hotel bietet dem Dienstleister die Möglichkeit, die Maschine alle 500 Meter mit Wasser zu befüllen und zu entleeren. Ich glaube daher, die Zukunft wird wie in vielen Bereichen so sein, dass man bei Neu- oder Umbauten bereichsübergreifend zusammenarbeiten und auch die Roboterreinigung zum Planungsbestandteil machen muss. Hier gibt es auch schon erste Ansätze dazu. Denn wir als Maschinenhersteller können uns den Kopf zerbrechen, wie viel wir wollen – ohne Wasseranschluss gibt es kein Wasser zum Befüllen.
Wie sehen Sie den derzeitigen Zustand des Marktes generell für Reinigungsmaschinen?
Ich glaube, dass es eine weitere Konsolidierung geben wird. Tennant zum Beispiel hat sich bereits konsolidiert bzw. ist durch einen Zukauf der italienischen IPC zum Gesamtanbieter geworden. Auch andere Unternehmen strukturieren sich neu, und dieser Trend wird sich fortsetzen. Auch weil die Anforderungen immer umfassender werden und es auch eine gewisse Größe und Stärke braucht, um hier mithalten zu können. Auf dem österreichischen Markt sehe ich ein solides Wachstum auf hohem Niveau, wobei sich von den Playern her nichts Gravierendes verändert hat.
Eine höhere Professionalisierung der Reinigungsbranche bedeutet bekanntlich auch eine höhere Maschinendichte. Und hier soll es eine Diskrepanz zwischen Österreich und Deutschland geben. Wie sehen Sie das?
Es gibt einige Unterschiede im österreichischen Reinigungsmarkt zu Deutschland. Das hängt auch mit der Betriebsform und -größe unserer Reinigungskunden zusammen. Und daraus leitet sich natürlich auch ab, dass die Technologisierung in Österreich nicht ganz so fortgeschritten ist wie in Deutschland.
Wie wird das Jahr 2017 wirtschaftlich?
Generell bin ich für das Jahr 2017 vorsichtig optimistisch – vorbehaltlich möglicher politischer Unwägbarkeiten. Ich glaube, es wird ein besseres Jahr als die letzten, und auch die waren nicht ganz schlecht, zumindest in unserer Branche.
Was ist für Sie die schlagkräftigere Unternehmensform, ein Familienunternehmen oder eine AG?
Nach 26 Jahren Tätigkeit für das Familienunternehmen Kärcher dürfte es nicht schwer sein, meine Antwort zu erraten. Ein Familienunternehmen bringt natürlich den Vorteil, dass man sehr flexibel arbeiten und sehr langfristig denken und planen kann. Auf der anderen Seite haben Unternehmen, die am Kapitalmarkt aufgestellt sind, den Vorteil, dass sie kurzfristig größere Geldsummen in die Hand nehmen können, um gewisse Dinge weiterzubetreiben. Ich bin aber ein großer Freund von Familienunternehmen, weil sie für mich gleichzusetzen sind mit Nachhaltigkeit, langfristigem Denken und sozialem Engagement.
Herr Grüssinger, danke für das Gespräch!