Dr. Thomas Schnell, Geschäftsführender Gesellschafter der DR.SCHNELL Chemie GmbH, über den überraschenden Erfolg beim „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“, die weniger erfreuliche EU-Regulierungsflut und das eine oder andere Missverständnis in der öffentlichen Wahrnehmung von „Chemie“.
Text: Hansjörg Preims
Herr Dr. Schnell, Sie waren am 22. November 2013 bei der Verleihung des diesjährigen Deutschen Nachhaltigkeitspreises unter den Top 3 in der Kategorie „Deutschlands nachhaltigste Marken“. Das ist für einen Chemiehersteller im Wettbewerb unter anderem mit Naturkost- und Naturkosmetik-Herstellern doch ein bemerkenswerter Erfolg, oder?
Dr. Schnell: Ja, dass wir überhaupt von den 600 teilnehmenden Firmen unter die drei Finalisten gekommen sind, war für uns so nicht zu erwarten und ist dementsprechend schon ein ganz, ganz großer Erfolg. Daher sind wir mit der „Silbermedaille“ hochzufrieden.
Was war die Motivation teilzunehmen?
Es war eine aktive Entscheidung von uns, beim „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“ teilzunehmen und sich dem Wettbewerb der Besten zu stellen, auch vor dem Hintergrund, dass wir schon seit 50 Jahren das Wachstum des Unternehmens auf das Thema Nachhaltigkeit gründen. Jeder heftet sich heutzutage irgendein selbst eingeführtes „Grün“-Logo auf die Fahne, um zu zeigen, wie nachhaltig er ist, aber das ist nicht unsere Art. Wir machen es lieber fundiert und haben in der Teilnahme am „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“ mit seiner hoch qualifizierten Jury und dem Gewicht, das diese Auszeichnung in Deutschland hat, eine Chance gesehen, ein Siegel dafür zu bekommen, dass das, was wir machen, unter dem Aspekt Nachhaltigkeit wirklich Hand und Fuß hat und gut ist. Dass wir bis ins Finale kommen würden, wagten wir kaum zu glauben. Damit wurde unser Engagement von unabhängiger Stelle gewürdigt.
Welcher Aufwand war damit verbunden?
Wir sind viel Mühe ja gewohnt – dadurch dass wir seit 1998 EMAS-zertifiziert, 14001-zertifiziert und jetzt auch nach der AISE Charter für Sustainable Cleaning zertifiziert sind. Da kommen externe Gutachter, schauen sich zwei Tage den Betrieb intensiv an und geben dann ihre Rückmeldung. Das jetzige Projekt ist darüber noch hinausgegangen, weil es neben den Umweltaspekten auch die sozialen und ökonomischen Aspekte gab – dass auch diese Endkundenaspekte noch mit hineingenommen wurden, hat uns gut gefallen. So hat man beispielsweise 100 unserer wirklich anwendenden Kunden angerufen und sie gefragt, ob das, was wir zum Thema Schulung, Beratung und Anwendung der Produkte über uns erzählen, auch in der Praxis umgesetzt wird. Dieser Aspekt ging deutlich über das Übliche hinaus. Aber auch sonst wurde richtig hinterfragt und musste auch vorgelebt werden, was in den Projekten getan wird. Es war also viel Mühe damit verbunden.
Was glauben Sie, wird auf die Branche – auf Ihre und auf die Ihrer Kunden, also Chemie auf der einen Seite und Reinigungsgewerbe auf der anderen – zukommen?
Für uns Chemiehersteller ist es so, dass die Regulierungsflut von Seiten der EU ja nicht nachlässt. Nachdem wir die REACH-Verordnung ganz gut im Griff haben, kommt jetzt die neue Biozid-Gesetzgebung, und es kommt GHS (neue EU-Regelung zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien, Anm.). Das sind für einen Mittelständler vom Aufwand und vor allem auch von den Kosten her schon große Herausforderungen. Wenn man sich überlegt – wir waren kurz davor, ein Standard-Händedesinfektionsmittel, das heute jeder einsetzt, gar nicht mehr nutzen zu dürfen, und jetzt sind wir so weit, dass man es zwar ziemlich sicher weiter nutzen kann, dass aber eine Registrierung dafür etwa eine halbe Million Euro kostet. Das wird Folgen haben auf dem Markt. Die Großkonzerne, klar, werden das durchziehen, auch die größeren Mittelständler werden das irgendwie hinbekommen, aber es gibt ja, was wir eigentlich ganz gesund finden, auch viele kleinere Mittelständler, die in solchen Bereichen bisher ihr Geschäft gemacht haben, und die wird es in einigen Jahren, wenn das Ganze dann wirklich scharf geschaltet wird, nicht mehr geben. Insofern ist bei uns im Chemiebereich schon durch diese EU-Regulierungen einiges in Bewegung. Aber wir stellen uns dem und glauben auch, dass wir das recht gut hinbekommen werden, auch wenn es viel Arbeit ist.
Heißt das, es wird zu einer Marktbereinigung kommen? Womöglich auch beabsichtigt?
Offiziell begründet man diese vielen Regularien natürlich nur mit dem Schutz des Verbrauchers vor uns „gefährlichen“ Chemieunternehmen. Der Grund, warum diese Biozid-Gesetzgebung so scharf ist, ist der, dass man bei bioziden Desinfektionsmitteln befürchtet, sie könnten nicht nur Keime, Viren und sonstige Krankheitserreger abtöten, sondern darüber hinaus auch dem Menschen schaden. Wenn das aber solche Ausmaße annimmt, dass ganz normaler Alkohol, den man seit Jahrzehnten für die Händedesinfektion und ohne schädliche Auswirkungen für den Menschen einsetzt, als verfügbarer Rohstoff wegfallen würde, weil die Hersteller dieser Alkohole sagen, der Markt wäre für sie zu klein, um 300.000 Euro für die Registrierung zu zahlen, und man daher diese Registrierung erst über Abnehmerkonsortien sicherstellen muss, dann ist das schon erschreckend. Und dann noch einmal die enormen Dossier-Kosten für ein Produkt.
Was sind Dossier-Kosten?
Man muss für die EU ein Dossier darüber erstellen, welche Rohstoffe in einem Produkt genau enthalten sind, um es zugelassen zu bekommen, und dieses Dossier kostet 300.000 – 400.000 Euro. Und das auch für ein Produkt, das schon seit Jahrzehnten eingesetzt wird, eben alkoholische Händedesinfektionsmittel, von dem man genau weiß, dass es Keime abtötet und dem Menschen nicht schadet. Solche Regularien gehen klar zu Lasten des Mittelstandes. Es ist aber auch getrieben von den ganz großen Chemieherstellern. Wenn man sich den europäischen Dachverband unserer Branche anschaut, dann sind dort 11 von 12 Sitzen an die großen Chemiekonzerne vergeben, einer ist Vertreter eines nationalen Verbandes aus Belgien, der wiederum zu 80% von den Großen finanziert wird. Seit 5 Jahren versuchen die mittelständischen europäischen Hersteller einen Sitz zu bekommen, das wird abgelehnt. Das einzige Entgegenkommen an uns Mittelständler ist ein „Beisitzer“ ab nächstem Jahr, der zumindest hören darf, was in den Gremiensitzungen beschlossen wird.
Merken Sie einen Trend in Richtung Spezialprodukte, sprich: vom allgemeinen Allzweckeiniger und herkömmlichen Sanitärreiniger hin zu mehr Spezialprodukten, mehr Desinfektion, keimfrei usw.?
In bestimmten Bereichen ja, speziell im Gesundheitswesen. Ansonsten aber gehen wir eher den Weg in die andere Richtung und versuchen, diesen Wildwuchs an unterschiedlichen Produkten jeweils für spezielle Anwendungen möglichst zu reduzieren, sprich: ein Produkt für möglichst viele Anwendungsbereiche. Es war von Anfang an auch die Philosophie von DR.SCHNELL, mit nur drei Produkten 90% der Reinigungsbereiche abdecken zu können, und dieser Philosophie wollen wir treu bleiben, zumal es das Wirtschaftlichste und für die Reinigungskraft auch das Verständlichste ist. Und es passieren am wenigsten Fehler, weil man mit den drei Produkten keine Schäden anrichten kann. Das sind alles keine Gefahrstoffe, man muss die Leute nicht schulen und es passiert auch nichts. Dies alles natürlich abgesehen von dem Bereich Desinfektion, wo klarerweise sehr spezielle Anwendungen erforderlich sind. Aber im Bereich Reinigung sagen wir: Spezialprodukte nur, wenn es unbedingt sein muss.
Welche Trends und Entwicklungen wünschen Sie sich für Ihre Branche?
Grundsätzlich arbeiten wir alle an einer besseren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, zumal wir mit unseren Produkten wirklich werterhaltend tätig sind und in vielen Bereichen auch gesundheitserhaltend.
Wird Chemie wird grundsätzlich als „schlecht“ gesehen?
Wenn ich als Privatperson irgendwo erzähle, dass wir Reinigungsmittel produzieren, merke ich schon, dass zunächst einmal ein bisschen Abstand genommen wird. Und wenn ich dann sage, dass uns Umweltfreundlichkeit dabei sehr wichtig ist, kommt meistens die Frage: „Dann macht ihr auch den Essigreiniger?“ Dabei ist der Essigreiniger nach wie vor die größte Umweltlüge, die allerdings sehr erfolgreich vermarktet wurde. „Nein, gerade das produzieren wir nicht“, sage ich dann, und so langsam kommen die Leute dann wieder ein bisschen näher. Aber man muss sie abholen, das Thema Chemie ist noch immer kein Selbstläufer.
In Deutschland sind die Chemie-Anbieter sehr stark in großen Logistik-Organisationen vertreten, in Österreich viel weniger stark oder anders. Was ist für Sie besser?
Wir sind mit diesem Modell in Deutschland gewachsen – und wir sind gut gewachsen, insofern fühlen wir uns auch wohl damit.
Der Fachgroßhandel macht aber nicht die Beratung für Sie …
Die Kundenberatung machen wir mit über 100 Fachberatern im Außendienst in Abstimmung mit unseren Fachgroßhandelspartnern, die dann die Logistik übernehmen. Das ist in den meisten Regionen ein gutes, enges Zusammenspiel. Kundenbedürfnisse geben wir auch an den Fachgroßhandel weiter. So ergänzt man sich gut gegenseitig. Ich sehe auch nach wie vor den großen Mehrwert eines Fachgroßhandels, gerade was die Objektbelieferung betrifft. Wir hören von unseren Kunden immer wieder, dass sie möglichst alles aus einer Hand und mit einer Rechnung haben wollen und nicht für jedes Produkt und Gerät ein eigenes Einkaufs-Procedere. Auch aus Umweltgründen macht das Sinn, daher ist das für uns schon ein sehr präferiertes Modell.
Sehen Sie diese Entwicklung zum Fachgroßhandel deutscher Prägung auch in Österreich kommen?
Die Struktur der Direktbelieferung ist in Österreich extrem stark und eingefahren. Und es ist immer schwierig, solche Gewohnheiten schnell zu ändern. Ich könnte mir aber schon vorstellen, dass auch in Österreich von den Kunden zunehmend gefordert wird, mehr in Richtung größere Logistiker zu gehen.