Je stärker das Management kontrolliert, desto mehr ruft es Verhaltensformen hervor, die noch mehr Kontrolle und Management erfordern.
Viel zu viele unserer heute gängigen Managementpraktiken stammen noch aus einer früheren Zeit und passen heute nicht mehr. Zum Beispiel die Überzeugung, dass Mitarbeiter kontrolliert und gemanagt werden müssen. Oder die Ansicht, dass Menschen ein Kostenfaktor sind. Maschinen erscheinen in der Bilanz als Investition, Menschen werden aber als Ausgabe gerechnet. Und noch vieles mehr.
Das Problem ist, dass die Manager das Kontrollmodell auf alles und jeden anwenden. Da viele, die Autoritätspositionen innehaben, den wirklichen Wert und das wahre Potenzial ihrer Leute nicht erkennen und die Natur des Menschen nicht richtig verstehen, managen sie ihre Leute wie Dinge. Doch so lassen sich die Motivationen und Talente der Menschen nicht erschließen. Was passiert, wenn wir unsere halbwüchsigen Kinder wie Dinge behandeln? Es führt zur Entfremdung und Kränkung, es kommt zu geringerem Vertrauen, Streit und Auflehnung. Was passiert, wenn man Menschen wie Dinge behandelt? Sie verlieren den Glauben und das Vertrauen und warten nur mehr auf Befehle von „oben“.
Nur, wenn wir den Menschen wieder in den Mittelpunkt stellen, werden wir sein volles Potenzial erkennen und das Wissen, die Motivation und Talente in dem Maße nutzbar machen, wie es das neue Zeitalter erfordern wird. Die Schwächen beider Seiten verstärken das Verhalten der jeweils anderen und rechtfertigen es schließlich. Je stärker das Management kontrolliert, desto mehr ruft es Verhaltensformen hervor, die noch mehr Kontrolle und Management erfordern. Diese Kultur wechselseitiger Abhängigkeit ist schließlich so sehr institutionalisiert, dass niemand mehr Verantwortung übernimmt.
Meine Beobachtung dazu ist, dass jeden Tag in der Früh tausende Mitarbeiter als ungeöffnete Schatzkisten in die Firma kommen und ungeöffnet wieder nach Hause fahren, nur weil der Unternehmer keinen Schlüssel hat, um sie zu öffnen.
Der Autor John Gardner schrieb: „Die meisten kränkelnden Organisationen haben eine funktionelle Blindheit für ihre eigenen Mängel entwickelt. Dass sie nicht gesund werden, liegt nicht daran, dass sie ihre Probleme nicht lösen könnten, sondern vielmehr daran, dass sie ihre Probleme nicht sehen können.“
Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen: Wie versuchte man im Mittelalter, die Menschen zu heilen? Durch Aderlässe. Wie sah das Paradigma aus? Der Krankheitserreger ist im Blut – also raus damit. Würden Sie dieses Paradigma nicht in Zweifel ziehen, nähmen Sie noch mehr Aderlässe vor, schmerzloser, schneller, Sie würden auf TQM und Six Sigma setzen. Sie würden Qualitätskontrollen vornehmen, Varianzanalysen, Strategien und brillante Marketingpläne entwickeln. Können Sie sich vorstellen, was passierte, als die Bakterien entdeckt wurden und Forscher herausfanden, dass die Bakterien die Hauptursache für Krankheiten sind und Aderlässe sogar kontraproduktiv wirken?
Das Problem ist, dass Paradigmen – wie Traditionen – sehr hartnäckig sind, selbst wenn ein besseres Paradigma entdeckt wurde – wie die Ergebnisorientierte Reinigung für unsere Branche. Diese und die innere Haltung sowie die vorgelebten Werte einer Engpasskonzentrierten Strategie (EKS) – das ist für mich das Penicillin unserer Branche. Will man es erfolgreich einsetzen, müssen Paradigmen – und Traditionen – abgelöst werden, so hartnäckig Sie sich auch dagegen wehren. Nur so können wir neue Gedanken, Ideen, Sichtweisen und Ziele zulassen. Wir müssen nicht nur neue Denkweisen entwickeln, sondern auch neue Fähigkeiten und Werkzeuge, die sich daraus ergeben. Leicht ist das nicht, denn es wirft uns alle aus unserer Komfortzone. Tatsache ist aber, dass eine neue Realität entstanden ist, eine neue Wirtschaft, eine neue Herausforderung. Und wer in dieser neuen Herausforderung nicht nur überleben, sondern wachsen und gedeihen will, muss sich auf neue Gewohnheiten um- und einstellen.
Christian Höger, seit 1986 in der Dienstleistungsbranche tätig, ist Unternehmensberater und Geschäftsführer der Höger Consulting GmbH. www.hoeger-consulting.at