Viel hat sich in den vergangenen 10 Jahren in unserer Branche getan. Industrie 4.0, Digitalisierung, Robotic – Schlagworte, die heute auf jedem Forum intensiv diskutiert werden und teilweise auch die Emotionen hochgehen lassen. Alle namhaften Produzenten, aber auch Dienstleister heften sich diese „Modern Must Haves“ werbewirksam auf ihre Fahnen, auf den internationalen Messen beobachtet man ein nicht enden wollendes Hochrüsten. Aber vergessen wir dabei nicht manchmal unseren Kunden? Was ist ihm wichtig? Was wünscht sich die Branche? Was macht Sinn und was nicht?
Eines gleich vorweg: Natürlich halte ich diese Entwicklung in unserer Branche, vor allem den Siegeszug der Digitalisierung für richtig, wertvoll und unabdingbar, Produzenten wie auch Dienstleister müssen sich den neuen Gegebenheiten der Märkte anpassen, um auch in Zukunft bestehen zu können. Aber wie weit sind diese Entwicklungsschritte auch mit den Kunden abgestimmt? Sprechen wir hier überhaupt die gleiche Sprache?
Gerade das zurzeit so stark „gehypte“ Thema Robotic zeigt klare Unterschiede, wenn es darum geht, was Produzenten, Dienstleister und letztlich die Kunden an der Front unter „autonomer Reinigung“ verstehen. Alle namhaften Produzenten führen mittlerweile erste Reinigungsroboter im Sortiment, selbstverständlich funktionieren diese auch aus Sicht der Hersteller. Aber können sie auch das, was sich die Kunden erwarten, oder besser gesagt, was den Kunden zum Teil bereits suggeriert wird?
Im Duden steht unter autonom „…selbstständig, unabhängig, eigenständig…“, umgelegt auf einen Reinigungsroboter bedeutet das also: Batterie laden, Frischwassertank und Reinigungschemie auffüllen, während der Reinigung auf Gegebenheiten vor Ort Rücksicht nehmen, bei hohem Verschmutzungsgrad etwa das Reinigungsintervall, Dosierung und Anpressdruck individuell anpassen oder stark verschmutzte Flächen mehrmals abzufahren sowie nach erfolgter Reinigung die Schmutzflotte fachgerecht entsorgen, die Tanksysteme reinigen und, sofern notwendig, auch desinfizieren, Arbeitselemente wie Pads und Bürsten selbstständig reinigen und tauschen, über ein Flottenmanagement notwendige Serviceintervalle kontrollieren und abrufen.
Einige Maschinen am Markt sind hier technisch schon sehr weit fortgeschritten, was aber oft außer Acht gelassen wird: Um Roboter in diesem Sinne wirklich flächendeckend einzusetzen, bedarf es dafür auch zum Teil massiver infrastruktureller Maßnahmen in den Objekten vor Ort.
Unsere Kunden müssen sich bewusst sein, dass eine autonome Reinigung zur Unterstützung der Reinigungsfachkräfte in den Objekten durchaus sinnvoll Arbeitszeit einsparen kann. Die Reinigung war, ist und wird aber immer eine personalintensive Branche bleiben, die Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter im Umgang mit einem Roboter werden demzufolge massiv steigen und vermutlich mit dem heute zu Verfügung stehenden Mitarbeiterpool nicht abzudecken sein. Die Bezeichnung „Reinigungsfachkraft“ wird also eine komplett neue Bedeutung bekommen.
Auch auf Seiten der Produzenten wird der Bedarf an noch besser qualifizierten Mitarbeitern massiv steigen, 24/7-Service, Servicetechniker mit Mechatronic Ausbildung, um eine funktionierende Aftersales-Betreuung gewährleisten zu können. Es wird wohl nicht mehr möglich sein, bei einem Maschinenausfall schnell einmal eine Leihmaschine vorbeizubringen, ohne diese aufwendig auf das Objekt anzulernen. Fachberater müssen künftig in der Lage sein, über die reinigungstechnische Anwendung hinaus auch infrastrukturelle Maßnahmen im Objekt zu evaluieren.
Wenn autonome Reinigung wirklich funktionieren soll, wird sie also auch viel Geld kosten, und es stellt sich aus heutiger Sicht die Frage, ob der Markt auch bereit sein wird, diese Kosten zu tragen.
Nach knapp 9 Jahren als Geschäftsführer der Wetrok Austria GmbH werde ich das Unternehmen verlassen und in Zukunft getrennte Wege gehen. Wohin mich eine neue Aufgabe führen wird, kann ich aus heutiger Sicht leider noch nicht sagen, ganz bestimmt aber werde ich die Branche weiter intensiv beobachten und freue mich schon jetzt auf die nächsten 10 Jahre.
Christoph Truls, von 2010 bis 2018 Geschäftsführer Wetrok Austria GmbH
Email: christoph.truls@me.com