Folgen den Worten nun auch dringend notwendige Erleichterungen?

Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs
Der Green Deal war das Hauptprojekt von Ursula von der Leyen in ihrer ersten Funktionsperiode. Das ambitionierte Ziel: Europa soll bis zum Jahr 2050 mit Hilfe einer kreislauforientierten und nachhaltigen Wirtschaft klimaneutral werden. Die Eckpunkte wurden kurz nach Amtsantritt im Dezember 2019 veröffentlicht – zu einer Zeit als die Wirtschaft in Europa noch florierte.
Doch gerade als die ersten wesentlichen Regelungsvorhaben und Strategien zum Green-Deal-Maßnahmen zum Klimaschutz und dem Ausbau erneuerbarer Energien, ein Kreislaufwirtschaftspaket und die Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit – präsentiert wurden, begann sich das Corona-Virus weltweit auszubreiten. Die Folgen für die weltweite Wirtschaft und die globalen Lieferketten waren massiv. Mit der russischen Invasion in der Ukraine und der Lage im Nahen Osten verschärfte sich die Lage für die europäischen Unternehmen zusätzlich, vor allem die Energie- und Rohstoffpreise stiegen weiter.
Trotzdem hielt die EU-Kommission an Ihren ehrgeizigen Plänen zum Klimaschutz, zur Kreislaufwirtschaft und zur Nachhaltigkeit fest und formulierte eine Vielzahl von neuen Regelungen. Die bedeutendsten Regelungen für Hersteller von gewerblichen Wasch- und Reinigungsmitteln basieren sicherlich auf dem Kreislaufwirtschaftspaket und der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit: die Ökodesignverordnung für nachhaltige Produkte, die Revision der europäischen Verpackungsregelungen und die CLP-Verordnung zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien sowie ein Rahmen für sichere und nachhaltige Chemikalien. Auch eine Änderung der Detergenzienverordnung wurde weitestgehend unter den Vorgaben des Green Deals vorbereitet. All diese Regelungen bringen den chemischen Unternehmen weitere Belastungen und sind unter den gegebenen wirtschaftlichen Voraussetzungen und den absehbaren Spannungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten nur schwer zu bewältigen.
Erst mit den EU-Wahlen im vergangenen Jahr und den Berichten von Mario Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit und Enrico Letta zum Binnenmarkt wurden die Apelle der Industrie, die sie in der Deklaration von Antwerpen festgehalten hat, in den politischen Leitlinien für die aktuelle EU-Funktionsperiode aufgegriffen. Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit für europäische Unternehmen wurde an die erste Stelle gesetzt, undes wurde geplant, die übermäßige administrative Belastung für die Unternehmen deutlich zu reduzieren. Anfang des Jahres wurde der Wettbewerbsfähigkeitskompass vorgestellt und aufbauend auf den Zielen des Green Deals der Clean Industrial Deal mit einem Paket für eine leistbare Energie und Vorschlägen zum Bürokratieabbau entwickelt. Für die Branche von maßgeblicher Bedeutung wird das darin bis Jahresende angekündigte Paket für die chemische Industrie sein, das Vereinfachungen im Bereich des Chemikalienrechts verspricht und Klarheit und Planbarkeit von stoffrechtlichen Beschränkungen in den Vordergrund rückt.
Nun ist es dringend notwendig, dass den positiven Ankündigungen auch wirkliche Vereinfachungen folgen und Anreize für Innovationen im Bereich nachhaltiger Produkte geschaffen und finanzielle Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden. Vorschläge für die Änderungen der REACH-Verordnung oder die Überarbeitung der biozidrechtlichen Regelungen für Desinfektionsmittel werden es zeigen. Dringend notwendig ist auch die Abkehr von Stoffverboten und -beschränkungen allein aufgrund der gefährlichen Eigenschaft hin zu einer Bewertung des Risikos bei der Verwendung des Stoffes. Gelingt dies nicht, sind alle ethanolhaltigen Desinfektionsmittel in Gefahr, die nicht nur für das europäische Gesundheitswesen unverzichtbar sind.