Ein rasanter Boom bleibt zwar aus, aber das Geschäft mit Sicherheits-Dienstleistungen wächst seit Jahren konstant. Dafür sind die Preise unter Druck. Das Zusammenwachsen von Security, Reinigung und Facility ist daran wenig schuld. Eher schon die schwarzen Schafe.
Text: Heinz van Saanen
Das Bedürfnis nach Sicherheit ist hoch. So hoch, dass die Einschätzung nicht immer mit der Realität korrelieren muss. Selbst nur gefühlte Sicherheit, die Meinungsforscher erheben das immer wieder, erzeugt noch ein warmes Bauchgefühl. Ohne das Wort kommt keine Werbung für Altersvorsorge und keine Politansprache aus. Schindluder wird damit aber auch getrieben. Die berühmte US-Terrorwarn-Ampel schaltete just immer dann auf gelb oder rot, wenn die Umfragewerte der Bush-Regierung gerade im Keller waren. Ein für Europäer eher mulmiges Gefühl erzeugen auch die in den USA dauerpräsenten privaten Securities. An jeder Ecke steht ein Wachmann staatstragend herum, ausgestattet mit Phantasieuniform und dem Selbstbewusstsein von Chuck Norris. Hört man das Schlüsselwort „cooperation“, sollte man die Autorität der übel launigen US-Privatsherrifs lieber nicht hinterfragen. Anders als in Europa scheint die Grenze zwischen Exekutive und privaten Sicherheitsdiensten bisweilen zu verwischen. Eine weltweite Konstante im Geschäft mit Sicherheitsdienstleistungen dürfte das konstante Wachstum sein. Selbst Krisen können dem Geschäft scheinbar nichts anhaben. So vermeldete etwa der Security-Riese G4S in der letzten Bilanz das siebte aufeinander folgende Jahr „organischen Wachstums“. Selbst wenn das ökonomische Umfeld in den USA oder der EU einmal rauer wird, kompensiert das ein internationaler Player mit starken Wachstumsraten in den Entwicklungsländern oder einzelnen Segmenten.
So beschäftigt G4S weltweit rund 660.000 Mitarbeiter. Zum Vergleich der Dimensionen: der Weltkonzern Siemens bringt es aktuell auf „nur“ rund 370.000 Mitarbeiter. Ende 2011 wurde, von einer breiteren Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, einer der größeren Deals der jüngeren Wirtschaftsgeschichte abgeblasen. G4S wollte den Facility-Spezialisten ISS übernehmen und so einen Konzern mit über einer Million Mitarbeitern formen. An der mangelnden Attraktivität des Vorhaben dürfte es nicht gescheitert sein. Selbst nachträglich ließen die CEO‘s beispielsweise noch verlauten, dass der Zusammenschluss „bahnbrechend“ für die globale Dienstleistungsbranche gewesen wäre. Der Zeitpunkt für den Mega-Merger war freilich unglücklich: Wie Wiedergänger schlugen die Finanzkrisen gerade in Staatsschuldenkrisen um und drückten nicht nur auf das ökonomische Umfeld, sondern auch auf den Mut der Großaktionäre. Aber auch ohne den Merger bleibt nicht nur G4S, sondern auch ISS auf Wachstumskurs. Auch in Österreich. So konnte etwa ISS-Geschäftsführer Erich Steinreiber für 2011 den Umsatz von 186 auf 193 Millionen Euro steigern. Einen Grund dafür sieht Steinreiber in der Konzentration auf die Kernkompetenzen: „Die Kernbereiche von ISS in Österreich sind ganz klar die infrastrukturellen Services wie Reinigung und Bewachung/Reception-Services, aber natürlich auch alle technischen Services wie Gebäudetechnik, Kältetechnik und Industrieservice.“
Portfolio-Überschneidungen
Obwohl abgesagt, zeigt der geplante G4S-ISS-Merger, wie sehr sich die Geschäftssegmente von reinen Security-Firmen und Reinigungs- oder Facility-Anbietern ergänzen und überschneiden (siehe Kasten). Für „reine“ Security-Unternehmen ist der klassische Wachdienst nach wie vor ein zentrales Segment, aber serviceorientierte Dienstleistungen wie Portier- oder Rezeptionsdienst werden auch für die „Spezialisten“ immer wichtiger. Ebenso Feuerwehrdienste oder Sicherheits- und Meldezentralen für Alarm, Brandschutz oder Gebäudetechnik. Das aber sind Bereiche, die unter die von ISS-Geschäftsführer Steintreiber subsumierten „infrastrukturellen Services“ fallen. Neben ISS haben das viele der größeren „Generalisten“ aus Reinigung und Facility im Angebotsspektrum. Dussmann Service bietet etwa vom Objektschutz über Schließ- und Ordnungsdienst oder Serviceleitstellen bis hin zu Feuerwehrdiensten und integrierten Sicherheitslösungen die ganze Palette. Die WISAG bietet sogar Flughafensicherheit an. Auf der anderen Seite fischen klassische Security-Dienstleister auch im Revier der Generalisten. Jüngstes augenfälliges Beispiel ist das heimische Traditionsunternehmen Österreichischer Wachdienst (ÖWD). Erst vor kurzem krempelte der ÖWD seine Firmenstruktur um und tritt seither mit allen seinen fünf Firmen unter der Dachmarke „ÖWD Security & Services“ auf. „Verschwunden“ ist etwa die ehemalige PRG Partner Gebäudereinigung, die jetzt als „ÖWD cleaning services“ agiert.
Oder auch die TMS Technical Management Systems die jetzt als „ÖWD time access“ firmiert. „ÖWD ist eine extrem bekannte Wortbildmarke, und alle fünf Einzelfirmen werden von der Bündelung am Markt profitieren“, sagt ÖWD-Geschäftsführer Clemens Chwoyka. Aufschlussreich über das Zusammenwachsen reiner Security-Unternehmen und Reinigungs- und Facility-Generalisten ist auch die jüngste Untersuchung des deutschen Marktforschers Lünendonk. Das Spitzentrio der deutschen Sicherheitsdienstleister bilden 2011 – allen deutlich voran die Securitas – noch weitgehend klassische Security-Anbieter. Auf den Plätzen 4 und 7 des Umsatzrankings folgen jedoch bereits WISAG beziehungsweise Dussmann. Bei allen Gemeinsamkeiten gibt es laut Thomas Forstner auch klare Trennlinien. „Die Abwicklung von Großveranstaltungen oder Geldmanagement ist etwa eine Domäne der „echten“ Security-Anbieter“, so der Generalsekretär des Verbands der Sicherheitsunternehmen Österreichs (VSÖ). Ebenso eine Domäne ist das Geschäft mit kommunalen Dienstleistungen wie Parkzonen-Überwachung oder Fahrschein- und Radarkontrollen. Personenschutz für „Reich & Schön“ oder Wirtschaftskapitäne bleibt ebenfalls den Spezialisten vorbehalten. Dieses Marktsegment ist in Österreich aber äußerst überschaubar.
Blaue Flecken, harte Bandagen
Dem Zusammenwachsen von Spezialisten und Generalisten könnte auch der VSÖ zukünftig Rechnung tragen. Wie inoffiziell zu hören ist, denkt der Verband über eine Öffnung nach. Erste Vorgespräche zu „Annäherung und Evaluierung“ sollen bereits stattgefunden haben. Aktuell plagen den Verband aber akutere Sorgen. Das Wachstum ist es nicht. „In Österreich selbst erzielten wir ein organisches Wachstum von vier Prozent“, sagt Dussmann Service-Geschäftsführer Peter Edelmayer. Dussmann liegt wie viele andere damit im langjährigen Branchenschnitt, den Martin Wiesinger, Fachgruppenvorsitzender der Dienstleister im VSÖ, mit rund drei bis sechs Prozent beziffert. Aber der Druck auf die Margen ist hoch. Daran dürfte weniger die Konkurrenz der großen und seriösen Security- oder Reinigungsunternehmen untereinander schuld sein. Laut Wiesinger – im „Brotberuf“ übrigens Country President von Securitas Österreich – beackern rund 400 Unternehmen den Markt. Bei einigen davon dürfte es sich um Klein- und Kleinstunternehmen handeln, die es mit Sozialversicherung, Steuer oder Arbeitsrecht nicht so ganz genau nehmen. Während die Großen der Branche ihre Personalfluktuation mit dem Kollektivvertrag 2005 massiv verbessert haben, weiß man bei manchen schwarzen Schafen nicht einmal, ob der Geschäftsführer noch in Österreich oder schon in Serbien, Ungarn oder Bulgarien abgetaucht ist. Was zurück bleibt, sind Firmenmäntel und Schulden beim Finanzamt oder der Sozialversicherung – soferne überhaupt Mitarbeiter angemeldet wurden.
Zurück bleiben aber auch ruinierte Preise. Wer auf Paragraphen pfeift, kann locker kalkulieren. Die schwarzen Schafe fahren mit Mannstundenpreisen von weit unter 20 Euro in den Markt. Für seriöse Anbieter dürften eher 30 Euro kostendeckend sein. Die schwarzen Schafe ruinieren aber nicht nur die Preise, sondern auch das Image. Billige Security-Rambos aus den äußersten Rändern der Gesellschaft und ohne eine Minute Ausbildung sind keine Empfehlung für die Branche. Und speziell bei der Ausbildung hapert es hierzulande schon bei den Grundlagen. Während sich der Beruf des Security-Miatbeiters europaweit zu einem Berufsbild mit halbwegs adäquaten Ausbildungsprogrammen mausert, hapert es in Österreich schon am Gesetz (Details siehe Kasten). Österreich ist quasi europaweit das einzige Land, das noch kein „Bewachungsgesetz“ hat. Ein Anlauf dafür wurde schon 2010 unternommen, der ziemlich dürftige Entwurf wurde von den Begutachtern aber mit Bomben und Granaten zurück an den Start beordert. Am Start verharrt der Entwurf auch heute noch. VSÖ-Fachgruppenvorsitzender Wiesinger bastelt gerade an einem Positionspapier – in der Hoffnung, den Gesetzgeber vielleicht doch noch vor den Wahlen in Bewegung zu setzen. Warum das Bewachungsgesetz nicht zustande kommt, ist ein austriakisches Mysterium. Rot und Schwarz wollen es – und haben das sogar im Regierungsübereinkommen festgeschrieben. Finanz- und Wirtschaftsminister wollen es ebenso. Die Großen der Branche auch, denn es sichert Minimumstandards die auch das Image heben. Aber das Gesetz kommt und kommt nicht…
Ausstehendes Bewacher-Gesetz: Warten auf Godot
Nach landläufiger Meinung ertrinkt Österreich in einer Paragraphenflut. Aber es geht auch anders. Die Alpenrepublik ist quasi europaweit das einzige Lande, das noch kein „Bewachungsgesetz“ hat. Am Versuch ist es nicht gescheitert. 2010 wurde ein Gesetzesentwurf ins Rennen geschickt, der bei allen Begutachtern als zu unspezifisch durchrasselte. Tatsächlich bringt es der schlanke Entwurf gerade einmal auf zwei luftig beschriebene Druckseiten. In Europa sind etwa qualifizierte Ausbildungsprogramme längst Standard, der Entwurf gab sich hier höchst genügsam: für ein halbes Dutzend verschiedener Rechtsgebiete, Konfliktmanagement, Erste Hilfe, Brandschutz und technische Sicherheitseinrichtungen sollte ein Schnellsiedekurs von 7,5 Stunden reichen. Als Bremser werden Kleinunternehmen gehandelt, die Kostennachteile befürchten. Die Branchengrößen, der VSÖ, Innen- und Wirtschaftsminister machen sich für ein Bewachungsgesetz stark, Rot und Schwarz haben es sogar ausdrücklich im Regierungsübereinkommen vorgesehen. Aber es kommt und kommt nicht, während der Wahlkampf schon seine Schatten wirft. Keine gute Zeit für ein Bewachungsgesetz – Pessimisten rechnen erst 2014 damit.