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„Brauchen vernetzte Struktur innerhalb der Gebäude“

Überlegungen zur Zukunft der professionellen Reinigung – von Karlheinz Rohrwild, Geschäftsführender Gesellschafter der Dorfner Gruppe.

Karl Heinz Rohrwild
Karl Heinz Rohrwild

Innovationen sind in unserer Branche dringend notwendig. Allein ein Blick auf den Arbeitsmarkt macht dies sehr deutlich. Wir haben schon heute im Dienstleistungssektor massive Schwierigkeiten, genügend Mitarbeiter zu finden. Man muss kein Prophet sein, um zu sagen, dass sich das in Zukunft nicht wesentlich verbessern wird. Deshalb brauchen wir innovative Technologien, die es uns ermöglichen, bestimmte Tätigkeiten – man nehme als Beispiel die Bodenreinigung – von autonom arbeitenden Maschinen erledigen zu lassen. Doch in diesen Bereichen, damit meine ich insbesondere die Robotik, laufen wir in Deutschland der Entwicklung noch ziemlich hinterher. Im asiatischen Raum, vor allem in Japan, ist man da schon erheblich weiter.
Aber ist die Robotik tatsächlich der Schlüssel für die Zukunft? Sie ist zweifellos ein wichtiger Teil, aber nur ein Bereich einer umfassenden Digitalisierungsstrategie. Wir müssen hier weitaus ganzheitlicher denken. Ein einfaches Beispiel: Ein Roboter kann heute noch nicht selbstständig Türen öffnen, geschweige denn daran denken, dass dahinter vielleicht eine Person steht, die möglicherweise durch das plötzliche Öffnen gefährdet würde. Also müssen wir dafür sorgen, dass – um bei diesem recht simplen Beispiel zu bleiben – der Roboter und die Tür miteinander kommunizieren. Mit anderen Worten: Wir brauchen eine vernetzte Struktur innerhalb der Gebäude. Das muss die eigentliche Innovation sein. Dazu braucht es aber bei den Menschen auch die entsprechende Akzeptanz. Und hier sehe ich in Europa im Vergleich zum asiatischen Raum noch erheblichen Nachholbedarf. In meiner Wahrnehmung sind wir gerade in Deutschland noch bei weitem nicht so offen gegenüber den technologischen Fortschritten, wie es nötig wäre. Zukunftsforscher, das habe ich kürzlich gelesen, gehen davon aus, dass die erste Ehe zwischen einem Menschen und einem Roboter wohl in 30 Jahren geschlossen wird. Auch wenn das nicht unbedingt der Maßstab ist, zeigt es aber doch, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben.

Lassen uns nur von widrigen Umständen treiben

Damit möchte ich jedoch nicht sagen, dass die Reinigungsbranche innovationsträge ist. Die Interclean in Amsterdam hat erst wieder gezeigt, dass der Markt durchaus innovativ ist. Betrachten wir aber mal die Triebfedern dieser Innovationen. Es geht immer darum, zu rationalisieren. Und warum ist das so? Weil wir auf der einen Seite Schwierigkeiten haben, überhaupt Mitarbeiter zu finden, und auf der anderen Seite eine immer massiver werdende Verdichtung der Arbeit konstatieren müssen – durch engere Stundenvorgaben und höhere Leistungszahlen. Das heißt aber aus meiner Sicht, dass wir uns eigentlich nur von den – sagen wir mal vorsichtig – widrigen Umständen treiben lassen. Und das ist falsch! Wir müssen diese Bedingungen ändern – das ist das eigentlich Innovative.
Konkret heißt das zum Beispiel, dass wir weg kommen müssen von den bisherigen starren Leistungsverzeichnissen und Systemen. Wir müssen flexibler werden – und dabei helfen uns die technischen Möglichkeiten in der Zukunft. Nehmen wir das Beispiel „Reinigung on Demand“. Das bedeutet ja nichts anderes, als dass der Kunde dann eine Reinigungsleistung bekommt, wenn er sie auch braucht. Auch hier ein kleines, aber aussagekräftiges Beispiel: Stellen Sie sich vor, es regnet stark. Ihr Gebäude wird also gerade im Eingangsbereich immens strapaziert. Wie wäre es, wenn wir jetzt die Möglichkeit hätten, den Verschmutzungsgrad mit Hilfe entsprechender Sensoren zu messen und ‚just in time‘ eine Reinigungsleistung in dem betroffenen Bereich abzurufen? Das wäre doch eine tolle Geschichte. Statt in dieser Zeit vergleichsweise unwichtige Bereiche zu reinigen, würden die Mitarbeiter dort sein, wo sie auch dringend gebraucht werden. Wir sollten unsere zweifellos vorhandene Innovationsstärke auf diese Themen konzentrieren – also auf intelligent vernetzte Technologien in Kombination mit ebenso intelligent verbundenen Dienstleistungskonzepten. Ich bin fest davon überzeugt, dass sowohl die Gebäudedienstleister als auch die Kunden davon entscheidend profitieren würden. Machen wir uns doch nichts vor: Wir müssen unsere Leistungen in Zukunft noch stärker als bisher in einer Kostenstruktur halten, die Kunden müssen auch noch zahlen können. Um das sicherzustellen, helfen uns nun mal intelligente Systeme. Am wichtigsten ist hier nach meiner Ansicht eine clevere konventionelle Lösung wie Sauberlaufzonen im Eingangsbereich. Schmutz, den ich nicht ins Haus trage, muss ich auch nicht wieder entfernen. Auch temporäre Tracking-Anwendungen, die uns Auskunft über Besucherströme und damit über Verschmutzungsintensitäten in unseren Gebäuden geben. Damit könnten wir die Reinigungsleistung dort erbringen, wo sie am sinnvollsten ist und wir können dank ihnen erkennen, über welche uns bisher verborgen Wege der Schmutz ins Haus getragen wird, und darauf reagieren.

Verknüpfung mit intelligenter Haustechnik

Um auf das Thema „Cleaning on demand“ zurückzukommen: Auch die entsprechende Bedarfsermittlung kann automatisiert werden, indem man, wie gesagt, den Gesamtprozess in den Blick rückt. Dieser Prozess, wie wir ihn heute haben, ist extrem manuell. Er ist auf Zuruf und auf menschliche Fähigkeiten abgestimmt. Nun baut man kleine Einheiten, irgendwelche kleinen Kontroll-Apps, mit denen man arbeiten kann, man baut Roboter, die die Bodenreinigung übernehmen können, aber sinnhaft wird das Ganze erst im richtigen Zusammenspiel, sprich: durch Verknüpfen mit intelligenter Haustechnik. Und Verknüpfen heißt: Wir haben heute in den Häusern fast überall schon Brandmeldesensoren, autonom oder zentral gesteuert, mitunter auch eine Videoüberwachung. Wir haben die verschiedensten Technologien zur Kontrolle der Räume, ob sie belegt sind oder nicht, ob man eine Gefahrensituation hat oder nicht. Was spricht dagegen, einen weiteren Sensor einzusetzen, der den Boden überwacht? Und zwar so, dass er in einem ‚Falschfarbenbild‘ aufnimmt, wenn eine grobe Veränderung des Bodens vorhanden ist, sprich: irgendein Schmutz. Man könnte dann automatisch schon die Maschine bzw. den Roboter dorthin schicken. Es wäre auch heute schon kein Problem mehr, Böden herzustellen, in die man diese Sensorik miteinbaut, sodass der Boden selbst meldet, wenn er eine gewisse Verschmutzung aufweist. Denn was ist Verschmutzung? Verschmutzung ist in vielen Bereichen nur das, was das menschliche Auge stört – also im Sinne des Betrachters. Das ist ja auch die Schwierigkeit bei all den Kontrollsystemen, dass sie individuell unterschiedlich gesehen werden und dann im Grunde auch auf die Betrachtungsweise des jeweiligen Nutzers sozusagen „geeicht“ werden können.

Fußbodenreinigung könnte aus dem Portfolio des Gebäu­de­reinigers verschwinden

Klar werden diese Technologien zunächst vornehmlich in neuen Gebäuden realisiert werden. Aber ich bin mir sicher, dass sukzessive auch der Altbestand nachziehen wird. Letztlich wird es entscheidend sein, dass die Nutzer und Eigentümer der Gebäude die Vorteile erkennen. Auch ein Reinigungsroboter wird nur dann effizient sein, wenn er selbstständig von Etage zu Etage fahren, Türen öffnen und auch kleine Flächen reinigen kann. Solange er noch von einer menschlichen Reinigungskraft „betreut“ werden muss, bringt er nichts. Deswegen sind alle Roboter-Lösungen, die dann wieder mit Personaleinsatz verbunden sind, komplett fehl am Platz. Der Roboter muss über einen relativ langen Zeitraum autonom fahren können und sollte auch in der Lage sein, seine eigenen Schwierigkeiten bzw. einen Servicebedarf selbst melden zu können. Wir brauchen sehr autonome Systeme, die Sinn machen. Und wenn man diese Systeme zukünftig auch noch mit einer Haustechnik koppelt und dadurch zusätzlich ansteuert, dann stellt sich sowieso die Frage, ob die Robotertechnik im Bereich der Fußbodenreinigung nicht Teil des Hausbetreibers wird und aus dem Bereich des Gebäudereinigers verschwindet, der im Grunde dann nur noch Nachreinigungen macht in den Bereichen, wo der Roboter aufgrund seiner Technik nicht komplett reinigen kann. Nicht überall, aber in manchen Bereichen wird die tägliche Unterhaltsreinigung des Fußbodens möglicherweise aus dem Portfolio von uns Gebäudereinigern verschwinden. Beziehungsweise werden wir in diesem Bereich erst wieder gefragt sein, wenn Sonderreinigungen zu erbringen sind.

Reinigungskraft wird eine individuell einzusetzende Servicekraft sein

Was bedeutet das alles für die Personalsituation? Wird es irgendwann weniger ungelernte Kräfte brauchen? Ja und nein. Die Arbeit in der Gebäudereinigung ist wesentlich anspruchsvoller, als allgemein angenommen wird – sowohl im Erkennen als auch in der Ausführung. Denn es ist nach wie vor ein Knochenjob, der bei den heutigen Leistungszahlen dauerhaft von niemandem geleistet werden kann. Wenn es aber gelingt, die Reinigungskraft von der anstrengenden Arbeit der Bodenreinigung zu entlasten, dann kommen wir in Bereiche, die körperlich einfacher zu bewerkstelligen sind. Auch muss man sich die Frage stellen, ob es dauerhaft ein vernünftiges Modell ist, dass die Reinigungskraft quasi unsichtbar zu sein hat bzw. nur an Randzeiten reinigen soll. Diese Modelle kommen hauptsächlich daher, dass man während des Normalbetriebs in einem Gebäude keine Störung des Arbeitsablaufes möchte, vor allem im Rahmen der Betriebssicherheit. Wenn man aber die Bodenreinigung aus dieser Arbeit herausnimmt und in der Nacht erledigt, spricht nicht mehr viel dagegen, dass die Reinigungskraft auch wieder untertags im Haus reinigt, so wie es früher auch war. Wir alle wissen, dass es sehr schwierig ist, Mitarbeiter zu finden, die abends und früh morgens für zwei Stunden im Einsatz sind. Hat man dagegen ein Zeitfenster von 4 bis 5 Stunden, kann man ganz anders agieren, man kann andere Arbeitsplätze formen, und dann wird es auch wieder für viele interessant.
In Zukunft, wenn man in den Bereich Reinigung „on demand“ geht, wird es soweit kommen, dass die Reinigungskraft eine individuell einzusetzende Servicekraft ist – mit VR-Brille, über die ihr gesagt wird, wo sie heute was zu reinigen hat. Und sie wird die entsprechende Information wie in der Industrie „just in time“ bekommen. Unter Umständen wird ihr dann auch erklärt, wie sie eine bestimmte Reinigung auszuführen hat. Und wir können gleichzeitig überprüfen und dokumentieren, dass die Arbeit fachgerecht erledigt wurde.

Für diesen Knochenjob sollte gutes Arbeitsmaterial zur Verfügung stehen

Ein ungemein wichtiger Aspekt ist auch die Entwicklung im Bereich Reinigungsmaterialien. Ich besuche eine Messe wie die ‚Interclean‘, um nach Innovationen Ausschau zu halten, die unseren Reinigungskräften die Arbeit so leicht wie möglich machen. Denn es ist harte Arbeit, die in extrem wenig Zeit erledigt werden muss, und am Ende soll auch noch ein gutes Ergebnis stehen. Wer diesen Knochenjob macht, sollte gutes Arbeitsmaterial zur Verfügung haben. In einer Branche, wo allein die Arbeitszeit rund 80 Prozent der Kosten ausmacht, ist es irrelevant, ob man an den 3 Prozent für Material ein bisschen spart oder nicht. Am Material zu sparen, ist für mich sowieso die größte Dummheit, die man machen kann. Material wie zum Beispiel Textilien über ihre eigentliche Lebenszeit hinaus zu benutzen, ist ein Irrsinn. Dass eine Waschmaschine, entsprechend gechipt, verstehen sollte, welchen Bezug man wäscht und wie oft dieser bisher gewaschen wurde, dass der Bezug, wenn er schon zu oft gewaschen wurde, automatisch ausgeschieden gehört bzw. von der Maschine nicht mehr angenommen werden sollte, dass man sortenrein waschen kann und die Maschine mit der richtigen Anzahl an Teilen bestückt – das sind alles Forderungen, die es von unserer Seite schon seit 15 Jahren gibt. Langsam kommen wir dorthin. Das Gleiche gilt für die Arbeits- und Bestellprozesse: Ein System muss letztendlich so clever sein, dass es über die Bestellrhythmen erkennt, wann es an der Zeit ist, dieses und jenes zu bestellen, und einen entsprechenden Vorschlag macht. Also auch in diesem Bereich der Grundversorgung muss die Technik unseren Reinigungskräften und Objektleitern so viel an Arbeit abnehmen, wie nur irgend möglich. Auch hier wird und muss sich ungeheuer viel tun.

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