Die Elektromobilität ist im Nutzfahrzeug-Sektor nachhaltig angekommen. Auf Händler und Hersteller warten heuer aber noch neue Herausforderungen – Stichwort NoVA und Lieferengpässe. Reinigung aktuell hörte sich um.
Text: Erika Hofbauer
Für Ford fällt ab Mai ein wichtiger Startschuss, wie Ford Austria Pressechef Christian Wotypka erzählt: „Ab da wird es den E-Transit als Kastenwagen mit Einzelkabine, Kastenwagen mit Doppelkabine und als Fahrgestell mit Einzelkabine geben. Wir erwarten, dass beim E-Transit der Aufwand für Wartung und Reparaturen um 40 Prozent niedriger ausfällt als bei vergleichbaren Dieselmodellen, was unter anderem auf den bauartbedingt geringeren Wartungsbedarf von Elektromotoren zurückzuführen ist.“ Darüber hinaus wird es bei Ford verschiedene Lade-Lösungen für den E-Transit geben: für zu Hause, für den Betriebshof oder für unterwegs auf der Straße. „Ein Pluspunkt des E-Transit ist, dass er sowohl über eine Wechselstrom- als auch über eine Gleichstrom-Ladefunktion verfügt“, betont der Ford-Pressechef: „Dank der großen Batterie kann der E-Transit über eine on bord Steckdose auch externe Geräte mit Strom versorgen, beispielsweise einen Laptop, eine Bohrmaschine, eine Trennscheibe oder Ähnliches.“ Der E-Transit sei außerdem ein wichtiger Bestandteil von Ford Pro, dem weltweiten Vertriebs- und Serviceangebot von Ford, das sich darauf konzentriere, die Produktivität der Ford-Nutzfahrzeugkunden mit modernen Produkten und Dienstleistungen zu optimieren, berichtet Wotypka.
Wandel und Aufbruch
Für Nissan soll 2022 in Österreich das Jahr des Wandels und des Aufbruchs werden, wie Peter Stoffels, Sales Manager Nissan Österreich, erläutert: „Heuer starten wir mit drei neuen LCV-Modellen in die Saison: mit Primastar, Interstar und mit dem von Grund auf neuen Townstar.“ Letzterer wird als Kastenwagen und als Kombi erhältlich sein. Beide Varianten werden zunächst mit einem gleichermaßen wirtschaftlichen wie umweltfreundlichen 1,3-l-Benzinmotor ausgestattet sein, betont Stoffels: „Dieser Motor ist sogar so effizient, dass für den Townstar keine NoVA zu entrichten ist.“ Im Lauf des Jahres wird das Modell auch mit reinem Elektroantrieb auf den Markt kommen – ebenfalls in den beiden Versionen als Kastenwagen und Kombi.
Bei Volkswagen werde es im Nutzfahrzeug-Segment beim Multivan 2,0 l (110 kW/150 PS TDI) im 2. Quartal und beim ID. Buzz und ID. Buzz Cargo im 4. Quartal Neues geben, sagt Sepp Ebner, Markenleiter Volkswagen Nutzfahrzeuge: „Der ID.Buzz wird in zwei Versionen erhältlich sein: als Pkw und als Kastenwagen. Er ist ideal als Personentransporter und auf die Bedürfnisse der City-Logistik ausgelegt.“ Aktuell ist Volkswagen Nutzfahrzeuge in der letzten Testphase der ID. Buzz Prototypen. Dieses Modell soll auch der Elektromobilität als „e-Bulli“ ein neues Gesicht geben. Die Baureihe wird mit der ID. Software künftig auch die Funktion „Plug & Charge“ haben. Dabei authentifiziert sich der ID. Buzz per Ladestecker an den Schnellladesäulen vieler Anbieter und tauscht so alle erforderlichen Daten mit dem Ladepunkt aus. Zudem wird es als zusätzliches Feature das bidirektionale Laden geben, wodurch überschüssige Energie aus der hauseigenen Photovoltaik-Anlage tagsüber im Fahrzeug gespeichert und am Abend wieder in das Haus eingespeist wird, um auch ohne Sonne autark zu sein.
Neue Modelle
Nach dem vor einem Jahr vorgestellten E-Ducato ist heuer der Scudo das zweite Nutzfahrzeug von Fiat Professional, das auch in einer elektrischen Version erhältlich ist. Mit diesen beiden Antriebsoptionen soll der Scudo jenen, die ihr Fahrzeug in erster Linie als Arbeitsmittel nutzen, gerecht werden. Mit einer Reichweite von bis zu 330 Kilometern im WLTP-Zyklus soll die Nutzung in der Stadt und in den Vororten möglich sein. Neben dem E-Scudo ist auch der Ducato (Varianten durch 4 unterschiedliche Längen und 3 Höhen möglich, Fahrgestell für Umbauten oder Kastenwägen geeignet) in einer elektrischen Ausführung im Portfolio.
Überarbeitete Modelle und neue Versionen gibt es auch bei Renault: Der Trafic mit einem neu gestalteten Innenraum, der auch als mobiles Büro dienen kann, verfügt über einen 88 Liter Stauraum im Innenbereich. Der Kangoo E-Tech Electric ist die neue Version des Elektro-Vans mit einer 45 kWh Batterie, einem 90 kW starken Elektromotor und einer WLTP-Reichweite von 300 km.
E-Mobilität ist Fixpunkt
E-Mobilität ist also auch im Nutzfahrzeugbereich nicht mehr wegzudenken: „Vor allem im urbanen Bereich wird e-mobility immer wichtiger“, berichtet Sepp Ebner, Markenleiter Volkswagen Nutzfahrzeuge: „Mittelfristig besteht aber nach wie vor Bedarf an klassischen Konzepten, speziell in Kombination mit dem Allradantrieb sowie an Plug-in-Hybriden.“
Ab 2024 wird in jeder Baureihe der Nutzfahrzeugflotte von Ford emissionsfreies Fahren möglich sein, mit vollelektrischem Antrieb oder als Plug-in-Hybrid, skizziert Ford Austria Pressechef Christian Wotypka die nächsten Jahre: „Ab 2030 sollen dann zwei Drittel der verkauften Ford-Nutzfahrzeuge batterieelektrisch oder Plug-in-Hybride sein. Wichtig ist, dass auch in Zukunft an der Infrastruktur gearbeitet wird und Anreize geschaffen werden, um diesen Wandel möglichst komfortabel abzuwickeln“.
Ford habe 1 Milliarde Dollar in das neue Electrification Center in Köln investiert, so Wotypka, darüber hinaus werde massiv in das Werk in Valencia investiert, um den Ausbau der Batteriemontage-Kapazität voranzutreiben.
Den E-Trend bei leichten Nutzfahrzeugen kann auch Peter Stoffels, Sales Manager Nissan Österreich, bestätigen – und die Erwartungen an den Townstar EV seien deshalb groß.
Ähnlich sieht man die Entwicklung auch bei Renault: Die wartungsarmen E-Motoren reduzieren Standzeiten und Wartungsaufwand, zudem sind sie auch auf Kurzstrecken (etwa Zustelldienste) problemlos einsetzbar, heißt es. Die Lärm- und Schadstoffbelastung etwa in Städten könnte durch eine rein elektrische Nutzfahrzeugflotte gesenkt werden, gleichzeitig beugen Firmen mit elektrischem Nutzfahrzeug-Fuhrpark eventuellen Fahrverboten oder Zufahrtsbeschränkungen vor. Auch die immer strengeren Limits und höheren Kosten für CO2 (in Österreich etwa die Nutzfahrzeug-NoVA, auf europäischer Ebene das CO2-Ziel für Autohersteller) forcieren den Umstieg auf elektrische Nutzfahrzeuge, ist man bei Renault überzeugt.
Wandel bei Transport-Lösungen
Martin Riha, Director Fiat Professional und LCV Stellantis Austria, will beim großen Wandel in der Welt des Transportes vorne mit dabei sein: „Wir arbeiten mit Hochdruck am Ausbau unserer Produktvielfalt, um für die Branchen und die Gewerke unserer Kunden passende Lösungen für Transport und Mobilität zu schaffen.“
Bei Opel, gleichfalls einer Marke des Stellantis-Konzerns, zu dem u.a. auch Peugeot und Citroën gehören, geht die Elektrooffensive ebenfalls in die nächste Runde. Im Vorjahr hat der Hersteller bereits angekündigt, ab dem Jahr 2028 in Europa nur noch Elektroautos verkaufen zu wollen, ab dem Jahr 2024 soll jedes Modell auch rein elektrisch angeboten werden. Aktuell hat Opel bereits mehrere Elektromodelle des Nutzfahrzeug-Portfolios am Start. Bis zum Jahr 2028, ab dem es eben nur noch Elektroautos von Opel geben wird, soll es zudem zu einem deutlichen Reichweitenanstieg kommen, heißt es aus dem Unternehmen. Für heuer will man bei den leichten Nutzfahrzeugen wie z.B. beim Vivaro-e oder beim erst kürzlich eingeführten Combo-e die Zuwächse aus 2021 mitnehmen.
Wasserstoff als Antrieb
Ab heuer setzt Renault – wie andere Hersteller auch – auf Wasserstofflösungen beim Antrieb: 2022 werden unter der Renault-Marke Hyvia drei Fahrzeuge und eine Wasserstofftankstelle eingeführt, die speziell für Unternehmens- und Kommunalflotten entwickelt wurden: Master Van H2-TECH für den Transport von Gütern und Paketen mit 12 Kubikmetern Stauraum und einer Reichweite von bis zu 500 km, der Master Chassis Cab H2-TECH sowie der Master Citybus H2-TECH, ein städtischer Kleinbus, der bis zu 15 Fahrgäste befördern kann und eine Reichweite von rund 300 km hat. Die eigene Wasserstofftankstelle soll für eine schnelle Betankung (5 Minuten) sorgen.
Wasserstoff ist auch das Antriebselement, auf das man bei Peugeot und Citroën setzt: So lief das erste Wasserstoff-Fahrzeug von Peugeot im Dezember vom Band. Die Wasserstoff-Elektrotechnologie ermöglicht einen intensiven täglichen Einsatz ohne Nachladen – ein entscheidender Vorteil für Berufstätige, die an einem Tag mehrere hundert Kilometer auf der Autobahn zurücklegen und anschließend in emissionsbeschränkte Stadtgebiete einfahren müssen, heißt es. Die neue Antriebstechnologie kommt z.B. im e-Expert Hydrogen zum Einsatz.
Ähnlich läuft es auch bei Schwester-Marke Citroën: Das Unternehmen bringt mit dem ë-Jumpy Hydrogen im Segment der Kompakt-Transporter eine Elektroversion mit Wasserstoff-Brennstoffzelle in Serie auf den Markt. Im Elektro-Bereich setzt der Autohersteller auf den ë-Berlingo Kastenwagen.
Vorgezogene Käufe
„Die per 1. Juli 2021 eingeführte NoVA-Regelung für Nutzfahrzeuge führte zu Vorzieheffekten bei Verkäufen und Auslieferungen, was sich auf den gesamten Nutzfahrzeugmarkt auswirkte“, berichtet Sepp Ebner, Markenleiter Volkswagen Nutzfahrzeuge. Dem gegenüber führte der weiterhin anhaltende Halbleitermangel zu Lieferengpässen und zu extrem hohen Auftragsbeständen: „Der hohe Auftragsbestand bringt zwar eine gewisse Entspannung im ersten Halbjahr, aber das Thema Halbleiter und die langen Lieferzeiten werden uns das ganze Jahr über begleiten.“ Vorrangiges Ziel in den kommenden Wochen und Monaten sei es jedoch, den hohen Auftragsbestand schnellstmöglich abzuarbeiten.
Bei Ford konnte man 2021 einen massiven Vorziehkauf-Effekt bei Nutzfahrzeugen und das erfolgreichste Jahr in diesem Bereich überhaupt verzeichnen, erzählt Ford Austria Pressechef Christian Wotypka: „Jetzt müssen wir beobachten, wie sich der Markt entwickelt. Grundsätzlich glaube ich, dass Flottenbesitzer ihre Fahrzeuge künftig länger als bisher einsetzen werden und im Zweifel vielleicht zum kleineren Modell ohne NoVA greifen. Die Liefer- und Produktionsengpässe betreffen natürlich alle“, so Wotypka.
Lieferengpässe
2021 waren die NoVA-Effekte bei Nissan nicht so spürbar, sagt Peter Stoffels, Sales Manager Nissan Österreich: „Vorziehkäufe haben hier für einen Ausgleich gesorgt.“ Darüber hinaus habe man bei Nissan „vorgesorgt“, indem die LCV-Fahrzeugflotte mit modernen Euro6D/Full-Antrieben ausgerüstet wurden: „Dadurch werden die NoVA-Werte niedrig gehalten oder überhaupt vermieden.“ Die angesprochenen Lieferengpässe seien in der Branche natürlich ein Thema, so Stoffels: „Unsere Handelspartner haben mit frühen Bestellungen ihre Lager zeitgerecht aufgestockt, sodass wir für die meisten Varianten lieferfähig sind und sich längere Wartezeiten für Kunden nur in Ausnahmefällen ergeben.“ Bei Renault konnte man ebenfalls Lenkungseffekte durch die NoVA-Einführung erkennen: „Viele Unternehmen wollten ihren Fuhrpark noch rechtzeitig erneuern, bevor die höhere Steuerbelastung greift“, so Thilo Schmidt, Generaldirektor von Renault Österreich. Entschlussfreude Richtung vollelektrische Fahrzeuge konnte auch Martin Riha, Director Fiat Professional, bemerken: „Mit 0g CO2/Kilometer sind diese Fahrzeuge prinzipiell von der NoVA-Regelung ausgenommen. Somit können Abgabenersparnisse von über 10.000 Euro realisiert werden.“