Gesundheitsschonendes Arbeiten steht nicht im Widerspruch zu schnellem Arbeiten – ganz im Gegenteil.
Text Hansjörg Preims
In der professionellen Reinigung muss in der Regel unter extrem hohem Zeitdruck gearbeitet werden. Unter diesen Umständen, möchte man meinen, bleibt den Reinigungskräften kaum Zeit, auf eine – wenigstens körperlich – möglichst gesundheitsschonende Durchführung der Arbeit zu achten. Oder ist gesundheitsschonendes Arbeiten gar kein Wiederspruch zu schnellem Arbeiten? Sergio Lottenbach, Leiter der Wetrok Academy: „Ja, Reinigungskräfte sind permanent unter Zeitdruck, und in solchen Stresssituationen greift die Person auf bekannte und für sie bewährte Bewegungsmuster zurück. In der Regel gehen diese Muster mit sehr hoher Anstrengung und verkrampften Bewegungen einher. Verkrampfung und Verspannung führt zu Verlangsamung und Verschleiss.“ Das Ziel müsse somit genau das Gegenteil sein: Entspannung und Beschleunigung. Somit stehe gesundheitsschonendes Arbeiten nicht im Widerspruch zu schnellem Arbeiten – im Gegenteil: „Entspanntes Arbeiten bedeutet schnelles und gelenkschonendes Arbeiten. Das gilt es zu erreichen.“
Tänzerisches Reinigen
Als Leiter der Wetrok-Kurse „Ergonomie in der Reinigung“ weiß Lottenbach natürlich, welche die häufigsten Fehlhaltungen und -bewegungen bei der Reinigung sind und wie man es richtig macht: „Die häufigsten Beschwerden finden wir im Nacken-, Schulter- und Armbereich, wie auch im Bereich des unteren Rückens. Das hat mit falschen Gelenkspositionen, Kraft- und Energieblockaden in den Gelenken und der Wirbelsäule zu tun. Nun besteht der Mensch unter anderem aus etwas mehr als 700 Muskeln, die durch das Gehirn über die Nervenbahnen gesteuert werden. Jeder Mensch ist also Chef von 700 ,Mitarbeitern‘ (= Muskeln). Die meisten Reinigungsmitarbeitenden arbeiten aber nur mit einem kleinen Teil ihrer ,Mitarbeiter‘. Um ein Beispiel zu nennen: Beim Reinigen einer Tischoberfläche werden lediglich die Muskelpartien der Schulter, des Armes und der Hand eingesetzt. Der Rest des Körpers bleibt aktionslos und meistens verharrend in angespannter Position. Je mehr Stress, desto mehr Anspannung. Die Schulter- und Armpartien ermüden somit relativ schnell. Und wenn die Muskulatur ermüdet, werden die Knochen, Sehnen und Gelenke stark belastet, was zu diversen Entzündungsformen führt. Durch den Einsatz der gesamten Körpermuskulatur
wird die Ermüdung um ein vielfaches reduziert. Knochen, Sehnen und Gelenke werden geschont. Kraft und Geschwindigkeit nehmen zu. Tanzen ist ein sehr gutes Beispiel für den Einsatz der gesamten Körpermuskulatur. Tanzen entspannt und macht Freude. Somit wäre ,tänzerisches Reinigen‘ das erklärte Ziel.“
Einsparpotenzial durch Prävention
Welchen Nutzwert hat die Bedachtnahme auf gesundheitsschonende und ergonomische Reinigung für die Unternehmen, mögliches Stichwort „weniger Krankenstände“? Lottenbach: „Es gibt diverse Statistiken über den Nutzwert der Gesundheitsprävention im Internet. Hier ein Auszug aus einer Studie des Schweizer Staatssekretariates für Wirtschaft SECO: Rückenprobleme und weitere Erkrankungen des Bewegungsapparats kosten die Wirtschaft in der Schweiz mehr als 4 Milliarden Franken pro Jahr! Einsparpotenzial durch Prävention: über 3 Milliarden Franken pro Jahr (SECO, September 2008 + 2009).“
Seine diesbezügliche persönliche Erfahrung, so Lottenbach, sei sehr unterschiedlich: „In einem Fall habe ich mit 50 Personen ein ganzes Jahr lang regelmäßig trainiert – zweimal im Monat ca. zwei Stunden. Die Reduktion der Arbeitsausfälle wegen Erkrankungen des Bewegungsapparates lagen bei ca. 50 Prozent. In einem zweiten Fall habe ich mit 120 Personen ein Basistraining und zwei Aufbaukurse während eines Jahres durchgeführt. Die Reduktion der Arbeitsausfälle wegen Erkrankungen des Bewegungsapparates lagen bei 12 Prozent. Die meisten Trainings finden nur einmal in Form eines Basistrainings statt. Die Teilnehmenden nehmen ein spezielles Thema, was für sie im Moment wichtig ist, mit und reduzieren Schmerzen und Anstrengung.“ Genaue Zahlen könnten in solchen Fällen nicht geliefert werden, da die Nachbetreuung und das Coaching nicht gesichert seien. „Sehr positive mündliche und schriftliche Feedbacks der Kunden lassen jedoch darauf schließen, dass positive Ergebnisse vorliegen.“
Sergio Lottenbach, Leiter der WETROK Academy:
„Durch den Einsatz der gesamten Körpermuskulatur
wird die Ermüdung um ein Vielfaches reduziert.“