Unsere Person des Jahres 2018: Harald Peterka, Geschäftsführer der Greenbird Vertriebs GmbH. Ursprünglich zum Facility Management gekommen, „ohne es zu planen“, sei das mittlerweile seine Berufung, sagt er. Heute entwickelt er mit dem Unternehmen Greenbird Werkzeuge zur Digitalisierung und Automatisierung von Facility Services. Das System „Cleanbird“ etwa misst mit modernen Sensoren, wie intensiv oder wie wenig Flächen genutzt werden, und erstellt täglich einen dem Bedarf angepassten Reinigungseinsatzplan.
Text hansjörg preims
Reinigung aktuell: Herr Peterka, was war der zündende Gedanke für die Entwicklung von Cleanbird?
Harald Peterka: Cleanbird entstand vor dem Hintergrund, dass ich als Facility Manager mit 30 Jahren Berufserfahrung mit „anderen Augen“ durch Gebäude und Unternehmen gehe. Ich bin viel unterwegs, schaue mir Vieles an und beobachte auch, wie Prozesse in Gebäuden funktionieren. Der wirkliche Auslöser für diese Idee war ein Aufhänger an einer Hotelzimmertür, auf welchem nicht etwa stand, „Bitte nicht stören“, sondern: „Lieber Gast, wenn Sie auf die Reinigung Ihres Hotelzimmers verzichten, schreiben wir Ihnen 5 Euro gut“. Die Idee begeisterte mich und hat mich gedanklich unentwegt beschäftigt – ich fand den Zugang genial – da ich der Meinung war, so könnte auch die Reinigung von Büros oder gewerblich genutzten Flächen funktionieren. Diese Idee, gepaart mit meiner Technik-Affinität, führten in weiterer Folge zu dem Gedanken, ein vollautomatisches System zu entwickeln, das „weiß“, wo und was notwendig ist. Ich war davon überzeugt, dass es möglich ist, die notwendige Reinigungsintensität oder den Reinigungsbedarf in Form von Sensorik, also unterstützender Technik, vollautomatisch zu erkennen und mit dieser Erkenntnis, ohne täglichen manuellen Eintrag, eine dementsprechende Leistungsintensität für das Reinigungspersonal zu erarbeiten.
Jedenfalls entstand mit dem Aufhänger in einem Holiday Inn Hotel in München mein persönliches Idealmodell für die Reinigungsbranche in meinem Kopf, das ich dann zu Papier brachte. Auf dieser Basisidee gründete ich die Firma Greenbird und begann, das Produkt Cleanbird zu designen – mit möglichst wenig Distanz zum Idealmodell und auf Grundlage von 30 Jahren unternehmerischer und facilitärer Erfahrung sowie vielen Hunderten Gesprächen mit Fachleuten aus der Branche, die mir fachliche Inputs und weitere Ideen für Funktionen mit auf den Weg gaben, die sie als sinnvoll und als Mehrwert einer Ideallösung sehen würden.
Was tut Cleanbird für den Reinigungskunden?
Der Kunde bekommt bei uns folgende wesentlichen Informationen: Erstens ist für ihn sichergestellt, dass das, was er bestellt, auch dokumentiert abgearbeitet wird. Das heißt, er bekommt absolute Transparenz der Leistungserfüllung. Der Kunde kann erstmalig die erbrachte Leistung seines Dienstleisters digital bestätigen, weil er einen Nachweis dazu hat. Zweitens ist für den Kunden sichergestellt, dass die Leistung dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Drittens besteht in den meisten Ausgangssituationen die Chance auf eine wirtschaftliche Optimierung.
Facility Management bedeutet ja, das Kerngeschäft optimal zu unterstützen. Einer der Gründe, warum ich vielleicht ein bisschen polarisierend wahrgenommen werde, liegt eventuell darin, dass ich Facility Management immer schon anders gesehen habe. In diesem Managementbereich gibt es nicht die klassische Aufteilung zwischen Auftraggeber und Kunden – man schuldet dem Kerngeschäft ein Service, um bestmöglich zu unterstützen. Man kennt auch keine endgültigen Lösungen, sondern muss sich täglich an den Bedarf von – sich verändernden – Organisationen anpassen. Diese Merkmale – Transparenz, Leistungsintensität, eventuelle wirtschaftliche Optimierung und ständige Veränderung – werden mit Hilfe von Sensorik und Automatisierung täglich sichergestellt.
So gesehen gewinnt sowohl der Kunde als auch der Dienstleister bei Verwendung dieses Systems?
Ja. Beide stellen für uns große Kundensegmente dar. Der Dienstleister hat mit Cleanbird ein Werkzeug in der Hand, mit dem er genau diese Bedürfnisse auf Kundenseite erfüllen kann. Er kann seinem Kunden einmal ein besseres Service bieten, und wenn er unser Werkzeug als integralen Bestandteil für seine operativen Tätigkeiten verwendet, besitzt er damit auch ein Management-Tool, mit dem er seine eigene Dienstleistungslogistik deutlich optimieren kann. Das führt dazu, dass er wirtschaftlicher arbeiten und wesentlich besser managen kann. Dienstleistungsmanagement hat sehr viel mit Logistikmanagement gemein. Wenn der Dienstleister im Einsatz des Systems dem Kunden gegenüber unseren Erfahrungen und Empfehlungen folgt, dann besteht die Chance, einen höheren Deckungsbeitrag zu erwirtschaften und vor allem auch deutlich längere Vertragsbindezeiten zu erwirken.
Für alle Prozessbeteiligten gilt: Sie können jederzeit belegen, dass rechtskonform gearbeitet wird. Mit anderen Worten: Kollektivvertragliche Leistungsgrenzwerte werden entsprechend eingehalten. Es entsteht damit eine rechtliche Absicherung für den Auftraggeber wie auch für den Dienstleister im Reinigungsgewerbe.
Ist Cleanbird für den Dienstleister also auch ein Verkaufsargument und auch ein Kundenbindungsinstrument?
Ja, Cleanbird ist ein Werkzeug, mit dem der Dienstleister höhere Verkaufschancen hat und längere Kundenbindungen erwirken kann. In einem Bieterverfahren ist es ihm möglich, einem Kunden gegenüber darzustellen, dass man mit diesem Werkzeug in der Lage ist, wechselndem Bedarf auf sehr einfache Weise gerecht zu werden. Die Konsequenz daraus ist, dass die Reinigungsbranche sich dem Thema der Flexibilisierung und auch auf der kollektivvertraglichen Diskussion wird stellen müssen. Weil Flexibilität natürlich nur dann funktioniert, wenn alle Teile eines Prozesses flexibel gehalten sind – ohne dabei soziale Aspekte aus den Augen zu verlieren und ohne dass dabei Probleme entstehen, die Einzelne in der Prozesskette verlieren lassen.
Die bisherige Logistik der Dienstleister ist ja darauf aufgebaut, dass sie ein Pflichtenheft haben, wo sie einfach Zeiten abliefern. Daher die Frage: Stört das System Cleanbird dieses bisherige Zeitsystem?
Ganz generell unterliegen viele Geschäftsabläufe der Flexibilisierung. Diese sind nicht mehr stationär, nicht mehr linear, sie sind veränderbar. Das fängt bei der Arbeitszeit jedes Einzelnen an und steht auch tief im Zusammenhang mit Kundenbeziehungen. Ich behaupte, es ist eine Tatsache, dass die Reinigungsbranche in Bezug auf Management und Vertragsgestaltung einen gewissen Nachholbedarf hat. Wenn ein Kunde entgegen der gewohnten Linearität in der Leistungserbringung vom Dienstleister eine gewisse Flexibilität fordert, dann stößt die klassische Struktur eines österreichischen Dienstleistungsunternehmens rasch an rechtliche und organisatorische Grenzen.
Weil sich dieser globale Trend auch in Österreich nicht verhindern lässt, bedeutet das, dass sich die lokale Reinigungsbranche Werkzeuge zulegen muss, um dieses veränderte Marktverlangen bedienen zu können.
Sie sagten einmal, als Cleanbird-Anbieter erleben Sie Österreich und Deutschland unterschiedlich? Inwiefern?
Es gibt in der Digitalisierung eine Aussage, die ich für mich als DIE „Aussage 2018“ definiere: „In Wirklichkeit ist die Realität ganz anders“. Das spiegelt den aktuellen Stand von Österreich im Bereich der Digitalisierung allgemein, aber im Speziellen auch in der gewerblichen Gebäudereinigung wieder. Damit meine ich: Nahezu alle größeren Anbieter haben ausgesprochen gute strategische Visionen und meist gute, bunte, hochglänzende Digitalisierungsmodelle für diesen Industriebereich. Ein Blick hinter die Fassade zeigt aber, dass bis heute außer der Idee noch immer probiert wird bzw. zumeist relativ wenig umgesetzt wurde. Deutschland und Österreich unterscheidet, dass Deutschland – vielleicht aufgrund des höheren Industriealisierungsgrades – wesentlich dynamischer bei dem Thema „Das probier‘ ich“, ist. Das heißt, der deutsche Dienstleister beschäftigt sich intensiver mit den Entwicklungen, wissend, dass diese Technologien die Zukunft darstellen. Wenn wir in Österreich mit einem Dienstleister über einen Testpiloten unseres Cleanbird-Systems sprechen, dann sind das Gespräche, die teilweise 6 – 8 Monate andauern, und dabei sprechen wir über 300 Quadratmetern Anwendungsfläche. Der deutsche Dienstleister reflektiert nach dem ersten Gespräch mit uns: „Hab ich gesehen, ich weiß, dass das kommt, ich möchte mit dem Piloteinsatz in 6 Wochen beginnen, und zwar auf 15.000 Quadratmeter“. Zusätzlich skizziert und dokumentiert er seinen Lernprozess innerhalb dieses Piloten, um am Ende eine zusätzliche neue digitale Karte dem Kunden gegenüber ausspielen zu können. Es existiert in Bezug auf die Digitalisierung in Europa ein klassisches Nord-Süd-Gefälle, dementsprechend ist der deutsche Markt agiler, dynamischer und mutiger – Deutschland zeigt sich weniger veränderungsresistent als Österreich. Aus diesem Grund wachsen wir international deutlich stärker als in Österreich.
Wie sieht die Zukunft des österreichischen Reinigungsmarktes für Sie aus?
Unsere digitale Lösung hat sehr großes Potenzial für viele Anwendungsgebiete des gesamten Reinigungsmarktes, aber ich sehe Greenbird-Anwendungen nicht bei jedem Kunden. Ein Kunde mit 5.000 Quadratmetern ist für den österreichischen Reinigungsdienstleister ein „guter“ und eigentlich ein großer Kunde. Das liegt an der Struktur der österreichischen Unternehmen. Ich glaube, spätestens in fünf Jahren wird es zur gelebten Praxis geworden sein, Kunden dieser Größenordnung mit Technologien wie der unseren zu bedienen. Ich glaube auch, dass Kunden sich weiter emanzipieren und solche Technologie zunehmend verlangen werden. Getrieben ist diese Entwicklung nicht nur durch unsere IoT-Technik (Sensoren), sondern es gibt Begleitunterstützung von ganz anderen Industrien wie etwa der Beleuchtungsindustrie, die Leuchtensysteme mit integrierter Sensorik für andere Anwendungen bereits am Markt anbietet. Das bedeutet: Wenn Daten generiert werden, braucht es Werkzeuge, um daraus „wertschöpfende“ Informationen zu generieren und Prozesse zu steuern. Deswegen glaube ich, dass viele Entwicklungen rascher entstehen werden, als wir selbst beeinflussen können.
Ganzheitliches Datenmanagement bildet das Fundament. Gemeint ist damit, dass Informationen – egal welchen Ursprung sie haben –, sofern sie Prozesse beeinflussen, in digitalen Modellen Berücksichtigung finden werden. So zum Beispiel in unserem Anwendungsfall die Integration von Waschraumhygiene, Vernetzung der Spendersysteme, aber auch autonome Reinigungsmaschinen.
Die Architektur denkt heute bereits daran, Flächen so zu gestalten, dass diese auch autonom reinigbar sind. Ich behaupte, dass für Produkte wie das unsere ein Marktpotenzial von mindestens 20 Prozent des Marktes gegeben ist und wir diese Ausdehnung in 5 Jahren erreicht haben werden.
Und – abschließend – glaube ich, dass dies vor allem getrieben durch die Globalisierung in dieser Geschwindigkeit und diesem Umfang entstehen wird. Wir haben in Österreich sehr viele Unternehmen internationalen Ursprungs, die in Österreich gleiche Digitalierungsqualität erwarten, wie sie auch in anderen Ländern angeboten bekommen.
Ich sehe für die Reinigungsbranche eine sehr große Chance, mit diesem Thema Geschäftsfelder ausbauen zu können und langfristige Geschäftsbeziehungen einzugehen. In Österreich ist diese Entwicklung langsamer – was aber auch sein Gutes hat, da die Veränderung in der Dienstleistungsbranche über Menschen stattfindet und man den Menschen auch die Zeit geben muss, mit dieser Veränderung umgehen zu können – damit es keine Verlierer dieser Entwicklungen gibt.