Thomas Ball und Dieter Jäckel, Lünendonk & Hossenfelder GmbH, Ball deren Partner, Jäckel Senior Consultant, im Gespräch mit Reinigung aktuell über Grundsätzliches zum Thema Facility Management.
Text: Hansjörg Preims
Frage – auch im Zusammenhang mit der Österreich-Studie von Lünendonk (s.S. 16): Wann ist für Sie ein Unternehmen ein tatsächliches FM-Unternehmen? Wie definieren Sie das?
Thomas Ball: Eine spannende und ganz wichtige Frage. Facility Management ist ein Querschnittsmarkt, der sich historisch aus Einzelleistungen heraus entwickelt hat, die Reinigung ist bei vielen FM-Unternehmen die Wurzel. Andere kommen beispielsweise aus der Sicherheitsdienstleistung oder aus der Technik. Die große Herausforderung ist, die Anforderung eines umfassenden Gebäudebetriebes als Dienstleistung abzubilden. Für uns, Lünendonk, haben wir das mit dem Festlegen von Kriterien gelöst, die zum einen besagen, dass ein Unternehmen kein Einzelgewerk-Anbieter sein darf bzw. mehrere Gewerke anbietet, beispielsweise Reinigung, Grünanlagenpflege, Sicherheitsdienstleistung und Hausbetreuung. Das ist ein ganz wesentlicher Bestandteil – wobei die Grenzen auch fließend sein können. Und zum anderen, dass ein Unternehmen vor allem auf dem externen Markt tätig sein muss, zum Unterschied von so genannten „Hausdienstleistern“ wie zum Beispiel den ÖBB, der Deutschen Bahn und anderen großen Unternehmen.
Was ist FM tatsächlich und was ist es nicht? Wo sind die Grenzen? Ist Property Management FM oder nicht? Wo beginnt, wo endet das?
Thomas Ball: Diese Debatte gibt es seit vielen Jahren. Sie ist sehr spannend und verändert sich auch. Ganz streng gefasst, unterscheiden wir auch noch zwischen dem Facility Management, das eher die Aufgabe des Auftraggebers ist, und den Facility Services, die der Dienstleister erbringt. Spannend wird es dann – und da nähern wir uns schon dem Kern –, wenn der Auftraggeber sich als derjenige versteht, der die Leitplanken vorgibt und die Leistungen definiert. Und wie die Leistungen erbracht werden, wie sie organisiert werden – dieser Management-Anteil ist dann die Herausforderung des Dienstleisters. Hier ist die Debatte noch nicht abgeschlossen. Wobei wir, wenn wir uns Österreich, die Schweiz und Deutschland anschauen, merken, dass das Verständnis jeweils sehr unterschiedlich ist. Und die zweite Frage betrifft tatsächlich das Property Management. Diese Debatte ist neu. Da mehren sich in den letzten Jahren – zumindest uns gegenüber – die Stimmen, die fragen, ob das Property Management tatsächlich eine Zukunft hat bzw. ob es sich ein Stück weit in die Nische bewegen wird und der Rest sich aufteilt zwischen Facility-Services-Dienstleistern, die die Property Management Dienstleistung mit übernehmen, und die strategischen Themen an das Asset Management angegliedert werden.
Dieter Jäckel: Im D-A-CH Raum und auch darüber hinaus kristallisiert sich FM als etwas klar Umrissenes heraus. Wir nehmen allerdings wahr, dass bezüglich FM in Österreich gegenüber Deutschland und der Schweiz eine etwas unterschiedliche Wahrnehmung des Vokabulars herrscht. Hier wird noch sehr viel genauer darauf geachtet, was Services sind und ob FM im engeren Sinn nur z. B. Reinigung ist oder nicht. International ist das aber, glaube ich, übergeordnet relativ deutlich prononciert, nämlich mit Facility Management als dem Dreiklang von technischem (TGM), infrastrukturellem (IGM) und kaufmännischem (KGM) Gebäudemanagement. Ob das KGM in dem engeren Sinn, wie wir ihn im deutschen Raum verstehen, Facility Management ist, das wir auch in einer entsprechenden Liste bewerten würden, steht auf einem anderen Blatt. Aus meiner Sicht ist das tatsächlich etwas Separates. IGM und TGM werden oft von einem Unternehmen erbracht. Das KGM wird selten von dem gleichen Dienstleister erbracht. Da würde ja der eine Bereich den anderen beauftragen. Diese Konstellation kommt so gut wie nie vor. Was nicht heißt, dass es bei einem großen FM-Dienstleister beispielsweise nicht auch eine Real Estate Sparte gibt, die auch Kaufmännisches Gebäudemanagement anbietet. Es gibt aber die Häuser, die ausschließlich KGM anbieten, und die zählen wir nicht zum FM.
Thomas Ball: Ergänzend dazu: Ich glaube, der Begriff Facility Management wird klarer, wenn man es mit der Brille des Kunden und seiner Aufgaben sieht. Wir haben kein Facility Management in der Arztpraxis, in der Rechtsanwaltskanzlei oder im kleinen Bürogebäude mit drei Räumen und einem Meeting-Raum – dort gibt es vor allem die Facility-Dienstleistungen. Aber da, wo es zu komplex wird, um den Betrieb der Liegenschaften, sei es ein sehr großer Einzelkomplex oder ein großes Unternehmen mit mehreren Standorten, da, wo man nicht mehr möchte, dass jeder Standort und jede Abteilung dasselbe organisiert – da wird das Management wichtig. Dann geht es darum, wie man eine Komplexität reduzieren kann, nämlich indem man Themen bündelt, indem man Schnittstellen zwischen Auftraggeber und Dienstleister reduziert. Da können dann, je nachdem, wie weit man bereit ist zu gehen, die infrastrukturellen Themen und die technischen Themen jeweils gebündelt werden. Das ist der Unterschied zwischen beispielsweise Reinigen auf der einen Seite und Facility Management auf der anderen. Sich nur um Reinigung, um Hausbetreuung oder um Grünanlagenpflege kümmern, ist für mich kein FM. Das ist es erst, wenn man eine Komplexität reduziert.
Dieter Jäckel: Es gibt noch eine Alternative, FM zu definieren, nämlich die zu sagen, man nimmt dem Kunden möglichst viel von dem ab, was ihn von seinen Kernprozessen ablenkt. Ein Vorgesetzter von mir hat es mal so formuliert: Jedes wirtschaftliche Handeln erfolgt in einem Raum, sei er real oder virtuell, und die Aufgabe von uns als FM-Dienstleistern ist es, diesen Raum für den Auftraggeber so zu pflegen und zu bewirtschaften, dass er innerhalb dieses Raumes seiner Wertschöpfung nachgehen kann. In einer Zahnarztpraxis oder einem kleinen Unternehmen mit 13 Mitarbeitern ist das in der Form nicht erforderlich, aber ab einer gewissen Grenzgröße muss hierfür entweder eine eigene Abteilung geschaffen oder es muss ausgelagert werden.
Thomas Ball: Um den Wertbeitrag des Facility Management etwas deutlicher zu machen, vergleiche ich es gern mit der IT. Die IT muss da sein, sie muss funktionieren, sie „ploppt“ aber immer nur dann auf, wenn etwas nicht funktioniert, wenn wir z.B. keinen Serverzugriff haben oder keine Emails schicken können. Nur hat die IT ein ganz anderes Image – ein Image der hochbezahlten Technik, und da ist in der Debatte vor vielen Jahren etwas schiefgelaufen, das wir, glaube ich, korrigieren müssen. Denn FM liefert insofern den gleichen Wertbeitrag wie die IT, als man die Dienstleistung eigentlich nicht spüren möchte, damit der Kunde seinem Kerngeschäft nachgehen kann.
Dieter Jäckel: Die Pandemie hat bewirkt, dass die Bedeutung von Reinigungs- und Hygienedienstleistungen in der öffentlichen Wahrnehmung sprunghaft gestiegen ist. Da wurde auf einmal ein Teil des FM leuchtend sichtbar, den vorher am liebsten im Unsichtbaren gehalten hat. Auf einmal war diese Dienstleistung eine „conditio sine qua non“ für das Funktionieren eines Bürostandortes. Und noch interessanter wird es, wenn die Bürostandorte flexibilisiert werden, sprich: wenn man anfängt, entsprechend umzubauen, und Mitarbeiter – Stichwort Home Office – nur mehr zwei Tage in der Woche ins Büro kommen, und wenn, dass dann der Fokus auf Kollaboration liegt. Wenn es also keine festen Arbeitsplätze mehr gibt und daher entsprechend flexible Flächenkonzepte erforderlich sind, dann ist vom Facility Management viel mehr gefordert als nur zu reinigen und nachzuschauen, ob die Beleuchtung funktioniert. Dann ist vielmehr gefordert, ein Gebäude unter diesen veränderten Bedingungen zu bewirtschaften, Bedingungen, die früher statisch waren und heute dynamisch sind. Da gilt es beispielsweise, am Freitag im Frankfurter Tower den 17. und 18. Stock zuzumachen, da dort niemand oder nur wenige Menschen zugange sind, und im Winter die Heizung entsprechend runterzudrehen. Das spart Energie. Und woher weiß man das? Weil man in der Zwischenzeit mit Sensorik, deren Kosten in den letzten 20 Jahren stark gefallen sind, die entsprechenden Gebäudedaten erheben kann.
Die Pandemie war für mich jedenfalls ein Katalysator dafür, dass einerseits zu einem bestimmten Teil die Sichtbarkeit der Dienstleistung hergestellt wurde und dass man jetzt auch anfängt, das FM nachhaltig zu verändern, indem man Dinge integrieren muss, die vorher nicht dabei waren. Dass man FM anders denken muss. Das „New normal“ wird es nicht geben, sondern es wird eine Vielfalt von Nutzerprofilen und von Bewirtschaftungskonzepten geben. Hierin steckt für das FM eine Riesenchance, die es zu nutzen gilt.
Wie erklärt sich, dass – ohne einen Namen zu nennen – bestimmte größere, bei Lünendonk gelistete FM-Unternehmen relativ unbekannt sind?
Thomas Ball: Das erklärt sich zum Teil aus der Historie des Marktes, sprich: dadurch, dass Unternehmen mit Einzelgewerken groß und erfolgreich geworden sind. Am Ende entscheiden die Kundenstruktur und der Kundenbedarf, ob man bei der Aufteilung in Einzelgewerke bleibt oder ob man Themen bündelt. Wenn der Kunde Komplexität reduzieren will, ist der erste Schritt, Vergleichbares zusammenzufassen, zu bündeln. Und da erfordern die infrastrukturellen Dienstleistungen eine ganz andere Art der Mitarbeiter-Qualifikation, der Mitarbeiter-Mentalität, der Mitarbeiter-Ausbildung und auch der -bezahlung als die anderen Bereiche. Den Schritt dann zu gehen und das IGM und das TGM zusammenzupacken, ist jedenfalls nicht trivial. Wobei es – wie im angelsächsischen Raum schon viel länger üblich – in der Regel die großen international tätigen Unternehmen sind, die das in die Märkte hineintragen. Auch in Deutschland und in der Schweiz geben mittlerweile die großen international tätigen Unternehmen diesen Trend vor. Deshalb sagen wir: Es gibt nicht DAS FM, sondern ganz unterschiedliches FM, je nachdem, von wo die Unternehmen herkommen. Und dann ist auch die Frage, ob der Markt darauf reagiert oder nicht. So ist es nachvollziehbar, dass es in Österreich wie auch in vielen anderen kleineren Märkten eine ganz klare Trennung gibt. Was auch sehr stark mit der Unternehmensgröße und der Unternehmensphilosophie zusammenhängt.
Dieter Jäckel: In kleineren Märkten gibt es viel resilientere Strukturen gegen eine Vereinheitlichung. Die Gründe dafür sind vielfältig. Für Österreich können wir ganz klar feststellen, dass es hier eine sehr deutliche Trennung auch auf der Anbieterseite, auf der Service-Provider-Seite zwischen Soft- und Hard-Services gibt. Das ist in Deutschland und auch in der Schweiz so nicht der Fall. Das heißt nicht, dass es auf Kundenseite in Deutschland nicht genauso wäre, dass meistens getrennt vergeben wird, aber auf der Service-Provider-Seite ist der Markt quasi aufgeteilt. Wenn man nun einen Schritt weitergehend überlegt, welche Kunden tatsächlich integrierte Leistungen in einem Paket vergeben, muss man auch darüber nachdenken, wie man das steuert.
Neue Leitlinien für nachhaltiges Facility Management
Mit der Überarbeitung der Leitlinien wurde ein einzigartiges Nachschlagewerk zu den Themen der Nachhaltigkeit während der Betriebs- und Nutzungsphase auf einen aktuellen Stand gebracht. Die „Leitlinien für nachhaltiges Facility Management“ betrachten die Betriebs- und Nutzungsphase von Gebäuden und bieten Unterstützung für das Facility Management, indem sie Nachhaltigkeitsthemen in kleineren Portionen aufbereiten und diese damit greifbarer machen. Das Ziel ist, Nachhaltigkeit leichter planen, organisieren und umsetzen zu können.
Die neuen Leitlinien auf der FMA-Homepage
FM als Treiber der Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft
„Jedes Gebäude zählt. Jeder Beitrag zählt. Jeder Tag zählt.“
Klimaschutz, Energie- und Ressourceneffizienz sind die großen Herausforderungen unserer Zeit. Facility Management hat einen wesentlichen Einfluss auf die effiziente Nutzung und den Betrieb von Gebäuden und betrieblicher Infrastruktur, wo mehr als 30 Prozent der CO2-Emissionen entstehen. Gebäude und deren Betrieb sind ein entscheidender Faktor zur Erreichung der ambitionierten europäischen Klimaziele.
Die aus dem European Green Deal, der Europäischen Richtlinie für energieeffizienten Betrieb (EPBD – Energy Performance of Buildings Directive) und dem österreichischen Regierungsprogramm resultierenden Vorgaben, Maßnahmen und Rahmenbedingungen werden auch unmittelbare Auswirkungen auf Errichtung, Sanierung, Nutzung und den Betrieb von Gebäuden und Infrastrukturen und damit auf das Facility Management haben. Die Facility Managerinnen und Manager tragen somit als Entscheidungstragende und Meinungsbildende in ihrem Unternehmen Verantwortung für einen aktiven Beitrag zur Reduktion von Energieverbrauch, Ressourceneinsatz und CO2-Ausstoß der von ihnen gemanagten Gebäude und Anlagen.
Da die beiden Disziplinen Nachhaltigkeits- und Facility Management bedeutende Konsequenzen auf die jeweils andere haben, ist es nur logisch und sinnvoll, sie miteinander zu verknüpfen. Dies stellt wiederum eine besondere Herausforderung dar, weil Nachhaltigkeit aufgrund des bereits spürbaren Klimawandels und der sich kontinuierlich ändernden Rahmenbedingungen wie etwa der EU-Taxonomie immer dringender wird.
CO2-Countdown-Initiative
Als Facility Management Austria und IFMA, österreichisches Netzwerk für Facility Management, bekennen wir uns auf Grundlage des österreichischen Regierungsprogramms 2020 zur Schaffung eines klimaneutralen Gebäudebestandes und -betriebes bis 2040. Wir sehen die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen als große Chance für die Facility-Management-Branche, ihre Rolle bei der Umsetzung wahrzunehmen und einen wertvollen Beitrag zu leisten.
Mit der neuen CO2-Countdown-Initiative machen wir auf den „Sense of Urgency“ aufmerksam, denn: „Jedes Gebäude zählt. Jeder Beitrag zählt. Jeder Tag zählt.“
Mit dieser unserer Initiative wollen wir gemeinsam mit den Unternehmen unserer Branche Vorbildwirkung erzielen und zur Nachahmung anregen. Wir wollen Inspiration geben und Motivation erzeugen, aktiv zu werden, einen Beitrag zu leisten und Maßnahmen umzusetzen. Im Rahmen der CO2-Countdown-Initiative holen wir einmal pro Jahr Klimaschützerinnen und Klimaschützer auf die Bühne. Die motivierendsten Einreichungen prämieren wir am jährlichen FM-Day mit unserem CO2-Countdown-Award.
In diesem Sinne lassen Sie uns gemeinsam einen Beitrag für den Klimaschutz leisten!
Doris Bele, MSc, ist Vorsitzende der FMA. Dieser Beitrag ist auch ihr Vorwort zur Lünendonk-Studie 2022 „Facility-Service-Unternehmen in Österreich“.