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Nachhaltigkeit legt Einsparpotenziale frei

Megatrend Nachhaltigkeit – eine Standortbestimmung der Reinigungsbranche. Darüber diskutierte Reinigung aktuell mit: 

  • Marcel Kremmer, bei der Österr. Gesundheitskasse ÖGK verantwortlich für den Fachbereich Bau-, Facility Management und Beschaffung / TF Bau & Facility Management Ost

  • Viktoria Sommer, bei der Bundesbeschaffung (BBG)

    Fachbereichsleiterin Strategische Beschaffung / Facility & Arbeitswelten

  • Heinz Peter Ewinger, Geschäftsführer E.MAYR Reinigungstechnik GesmbH

  • Mario Reichel, Geschäftsführer BLITZBLANK Reinigung Dienstleistungs­unternehmen GmbH.

Was treibt die Nachhaltigkeit an? Herr Kremmer – muss sich die Öffentliche Hand diesbezüglich gesetzlich an etwas halten oder ist es nur eine Option?

Marcel Kremmer, ÖGK
Marcel Kremmer, ÖGK

Marcel Kremmer: Nachhaltigkeit ist ein sehr breites Thema, von Geschlechtergleichheit bis zu umweltfreundlichem Umgang mit Ressourcen und sozialem Engagement für unsere Mitmenschen. Und meiner Meinung nach findet dieses Thema derzeit in der öffentlichen Diskussion, aber auch in konkreten Vorhaben leider keinen Platz.

Muss sich die Gesundheitskasse punkto Nachhaltigkeit an etwas halten?

Marcel Kremmer: Die Österreichische Gesundheitskasse ist in diesem Bereich österreichweit strategisch gut aufgestellt. Zum Beispiel haben wir – obwohl es nicht verpflichtend war – Energieeffizienz-Audits in unseren Objekten durchgeführt – auch aktuell wieder. Wir wollen auch die ISO Zertifizierungen 14001 und 50001 einführen und uns im Bereich der Energie und Umwelt besser aufstellen.

Frau Sommer, wie geht die BBG mit dem Thema Nachhaltigkeit um? Kommt entsprechender Druck von Ihren Kunden?

Victoria sommer, BBG
Viktoria Sommer, BBG

Viktoria Sommer: Für uns als zentrale Beschaffungsstelle für den Bund und für andere öffentliche Auftraggeber – wie Länder, Städte und Gemeinden, verschiedene öffentliche Gesundheitseinrichtungen, Bildungseinrichtungen sowie ausgegliederte Unternehmen – sind die vergaberechtlichen Grundsätze maßgebend. So ist im Bundesvergabegesetz 2018 geregelt, dass bei allen Vergabeverfahren auf die sogenannte „Umweltgerechtheit“ der Leistung Bedacht zu nehmen ist. Das kann man insbesondere durch die Einbringung von ökologischen Aspekten in die Ausschreibungsunterlagen erzielen – durch die technischen Spezifikationen, durch das Festlegen von konkreten Zuschlagskriterien oder durch entsprechende Bedingungen im Leistungsvertrag. Auf EU-Ebene gibt es entsprechende Klimaschutzstrategien – den Green Deal und das EU-Klimaschutzpaket Fit for 55 –, die jetzt national umgesetzt werden, in Österreich durch den Nationalen Energie- und Klimaplan. Außerdem gibt es noch entsprechende Aktionspläne wie die Kreislaufwirtschaftsstrategie und den naBe-Aktionsplan zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung, dessen Umsetzung durch Ministerratsbeschluss für den Bund verpflichtend ist. Da sind seit 2021 Kernkriterien verankert, worunter eben auch Kriterien für die Beschaffung von Reinigungsmitteln – Stichworte Öko-Labels und ÖkoRein Datenbank (www.umweltberatung.at/oekorein-datenbank) – und für die Reinigungsdienstleistung fallen.

Herr Ewinger, Sie beliefern die Reinigungsbranche mit einer breiten Palette von Betriebsmitteln – was hat sich punkto Nachhaltigkeitsbewusstsein verändert bzw. woher kommt der Druck?

Heinz Peter Ewinger, E.Mayr
Heinz Peter Ewinger, E.Mayr

Heinz Peter Ewinger: Der Druck kommt von unseren Kunden, gerade von den Dienstleistern, vor allem aber von deren Endkunden, mittlerweile ist das Thema Nachhaltigkeit allenthalben auch im Bewusstsein für den Sinn dahinter angekommen. Man wird sich durch die ganzen Umweltkatastrophen der letzten Zeit zunehmend bewusst, dass es so, wie es war, nicht weitergehen kann. So sehe ich es auch als meine Verantwortung, ökologische Reinigungsmittel zu forcieren, nicht nur hinsichtlich Umwelt-Labels, sondern auch, wie sie transportiert werden, welche Energie dafür verwendet und wo die Rohstoffe herkommen. Wobei die Preise für umweltgerechte und für Standard-Produkte sich schon angeglichen haben. Daher sehe ich den Dienstleister in der Verantwortung, sich für die Verwendung von ökologischen Reinigungsmitteln zu entscheiden, womit sich der Markt massiv verändern wird. Der Weg, den wir jetzt gehen, ist für unsere Branche jedenfalls der richtige.

Was bedeutet es für einen Dienstleister, nachhaltig zu arbeiten, Herr Reichel?

Mario Reichel, BLITZBLANK
Mario Reichel, BLITZBLANK

Mario Reichel: Als wir vor 10 Jahren im Unternehmen begonnen haben, Nachhaltigkeit zur forcieren, war das tatsächlich noch nur eine Form der Positionierung, eine Image-Komponente, um ein gewisses wachsendes Klientel anzusprechen. Erst im Zuge der Beschäftigung mit dieser Thematik stellte sich die Leidenschaft dafür ein. Am Anfang gab es auch noch den einen und anderen Widerstand im Unternehmen, nach dem Motto „Brauchen wir das?“ Nach entsprechenden Erklärungen wurde dann aber von jedem erkannt, dass es eine gute Sache ist, da Ressourcenvermeidung nicht nur die Umwelt schont, sondern auch budgetfreundlich ist. Es hat sich dann eine Freude und ein Ehrgeiz im Team entwickelt, hier voranzukommen. Mittlerweile ist es für uns nicht mehr vorstellbar, das Thema Nachhaltigkeit auszuklammern. Es wurde immer weiter ausgebaut und ist mittlerweile in alle Entscheidungen fest eingebunden. Begonnen haben wir mit verstärktem Einkauf nachhaltiger, mit dem Umweltzeichen ausgezeichneter Chemie. Was zunächst aufgrund der Preisunterschiede etwas schwierig war und auch weil die Produkte vom Wirkungsgrad her noch nicht auch dem heutigen Niveau waren. Von Jahr zu Jahr haben wir aber gelernt, wie gut es funktioniert, nachhaltig zu arbeiten, wie gut es auch vom Markt angenommen wird. Und seit fünf Jahren sehen wir es als eine absolute Notwendigkeit und als unsere Verantwortung, im Sinne der Nachhaltigkeit bestmöglich zu agieren.

Hat sich der Druck, nachhaltig zu agieren, von Kundenseite in der letzten Zeit verändert? Und wenn ja, warum?

Marcel Kremmer: Ich glaube, dass der Image-Schaden eines Unternehmens, aber auch einer Gemeinde, einer öffentlichen Hand oder eines öffentlichen Unternehmens mittlerweile einfach zu groß ist, wenn punkto Nachhaltigkeit falsch agiert wird. Ein solcher Imageverlust ist für ein Unternehmen wirklich schädigend, für die weiteren Umsätze, für die Ernsthaftigkeit des Unternehmens. Da ist ein Druck entstanden, der zunehmend mehr Unternehmen auch dazu motiviert, punkto Nachhaltigkeit noch besser zu sein als der Mitbewerb. 

Hat also ein gesamtgesellschaftlicher Druck zu dieser Entwicklung geführt?

Viktoria Sommer: Wir als BBG nehmen auch wahr, dass seitens der Kunden verstärkt auf Nachhaltigkeit gesetzt wird. Und das wird auch aktiv an uns herangetragen. Nachdem wir uns schon vor mehr als 10 Jahren mit Nachhaltigkeitsaspekten in der Reinigungsdienstleistung beschäftigt haben und sie damals schon – natürlich noch in einer anderen Ausprägung – berücksichtigt haben, verfügen wir auch über langjährige Erfahrungswerte und können die Kunden dahingehend beraten, wie sie das unter Berücksichtigung des Vergaberechts gut umsetzen können. Wobei wir uns meist in einem Spannungsfeld zwischen unseren Wirkungszielen wie Verfügbarkeit, bestes Preis-Leistungs-Verhältnis und Rechtssicherheit einerseits und den weiteren strategischen Beschaffungszielen andererseits bewegen, die wir auch bei uns in der BBG in Form eines Kompetenzzentrums verankert haben und wo wir uns bei jeder Ausschreibung ansehen, wie wir die Förderung von KMU, Regionalität, Innovation sowie ökologische, soziale & wirtschaftliche Nachhaltigkeit einbringen können. Darüber hinaus kommt es auch auf den jeweiligen Leistungsgegenstand an. Wir wollen so zum bestmöglichen Ergebnis für unsere Kunden kommen. 

Zu den Betriebsmitteln für die Reinigung: Herr Ewinger, spielt in Ihrem Handelsunternehmen die Nachhaltigkeit je nach Produkt eine unterschiedliche Rolle? Bei dem einen Produkt eine besonders große, bei einem anderen womöglich gar keine? Chemie, klar, aber inwieweit betrifft die Nachhaltigkeit auch den Maschinenpark?

Heinz Peter Ewinger: Das hängt einmal davon ab, wo ein Produkt herkommt. Ob es in Europa produziert wird oder in Fernost. Wir sollten generell wieder mehr Produktion zu uns nach Europa holen. Aber ist der Markt auch bereit, das zu bezahlen? Das erfordert viel Erklärungsarbeit beim Kunden. Der Markt bestimmt den Preis. Warum war die umweltfreundliche Chemie am Anfang teurer? Weil die Volumina noch nicht da waren. Dann hat der Markt begonnen sich zu drehen. Auch das Know how wurde besser. Mittlerweile sind wir bei dem gleichen Wert, wo die Technik und die Funktion des Produktes genauso ist wie vorher beim Standardprodukt. Aber ob Staubsauger, Einscheibenmaschine oder Gerätewagen – es kommt immer auch darauf an, was mein Kunde will bzw. ob ich die Möglichkeit habe, ihm ein Produkt anzubieten, das in Europa produziert wird. 

Worin besteht die Nachhaltigkeit beim Dienstleister, zumal auch in Bezug auf den großen Bereich Personal?

Mario Reichel: Zunächst ein weiterer Punkt dazu, woher der Druck kommt, nachhaltig zu agieren: Wir werden in den nächsten Jahren auch in unserer Branche spüren, dass in Zeiten, wo jeder um Arbeitskräfte kämpft und ein Arbeitsuchender es sich oft aussuchen kann, wo er arbeitet, er wahrscheinlich lieber für ein Unternehmen arbeitet, das auch mit seiner Wertewelt gut korreliert. Das heißt, in Bezug auf Personalkosten haben unsere Anstrengungen im Bereich Nachhaltigkeit schon einen Einfluss. Jedenfalls hoffen wir, dass sich das positiv auswirken wird, dass wir dadurch die Fluktuation verringern werden, dass wir auch leichter an gute Mitarbeiter kommen. Was die Reinigungsmittel und -utensilien betrifft: Deren Kosten sind im Verhältnis zum Umsatz gering. Das heißt, wenn ich unterm Strich um 5 Prozent mehr für Qualität und nachhaltige Produkte ausgebe, dann fällt das kalkulatorisch nicht ins Gewicht. Wobei – man glaubt immer, dass Nachhaltigkeit mehr kosten muss, aber diese Erfahrung haben wir nicht gemacht, im Gegenteil: Wenn man sich genau anschaut, welche Ressourcen wirklich notwendig sind, und sich damit beschäftigt, wo der CO2-Ausstoß herkommt, dann ist man eigentlich beim Optimieren von Ressourcen. So haben wir in vielen Bereichen auf unsere Weise durch Nachhaltigkeit Einsparungspotenziale gefunden. Diese kann man dann beispielsweise dazu verwenden, teurere, aber dafür hochwertigere und somit auch langlebigere Mikrofasertücher anzuschaffen. Für uns ist der eingeschlagene Wege jedenfalls ein erfolgreicher – was er nicht wäre, wenn Nachhaltigkeit mehr kosten würde.

Thema Zertifizierungen: Man hat den Eindruck, dass deren Menge mittlerweile zu groß ist, um sich als Kunde klar daran orientieren zu können. Welche Rolle spielen Zertifizierungen für die Nachhaltigkeit? 

Marcel Kremmer: Dadurch, dass Nachhaltigkeits-Labels mittlerweile massenhaft am Markt sind, hat dieses Thema, glaube ich, an Relevanz verloren, zumal wenn nicht wissenschaftlich und transparent offengelegt wird, was tatsächlich daran nachhaltig ist. Es gibt genügend Beispiele auch in der Reinigung, dass diese Labels eine minimale Auswirkung auf Nachhaltigkeitsmaßnahmen haben.

Viktoria Sommer: Bei unseren standardisierten Vergabeverfahren gibt es ein Bewertungspaket und darunter fallen vor allem die einschlägigen Zertifizierungen, die uns die Bieter anbieten können, aber nicht müssen, wie EMAS oder Ökoprofit eben als freiwilliges Qualitätskriterium.

Welche Zertifizierungen sind für die BBG besonders ausschlaggebend? Nach welchen Kriterien selektieren Sie, angefangen von Cradle-to-Cradle bis …??

Viktoria Sommer: Prinzipiell halten wir uns an die Kriterien, die auch im naBe-Aktionsplan integriert sind. Zusätzlich sind wir immer auf der Suche nach neuen sinnvollen Kriterien, die wir einsetzen können, beispielsweise das Österreichische Umweltzeichen, wo die Nachfrage vom Kundenmarkt gekommen ist, sodass es wahrscheinlich verstärkt in diese Richtung geht.

Wie soll sich ein kleiner Dienstleister bei der Vielfalt an Umweltlabels am Markt auskennen? Wenn er sich nicht auskennt, ist ihm die Nachhaltigkeit nämlich egal und er kauft das Billigste.

Viktoria Sommer: Wenn man in dem Marktsegment tätig ist und das Thema Nachhaltigkeit auch ernst nimmt, muss man sich auch mit diesem Thema und den entsprechenden Zertifikaten auf dem Markt beschäftigen.

Mario Reichel: Mit dem EU Ecolabel und dem Österreichischen Umweltzeichen ist man schon mal gut bedient. Natürlich gibt es einen Wildwuchs an Zertifizierungen, der sich hoffentlich in den nächsten Jahren konsolidieren wird. Hier ist auch die Politik gefragt, für eine bessere Überschaubarkeit zu sorgen, der derzeitige Wildwuchs kann sicher auf viele frustrierend und resignierend wirken.

Ist der Transport der Mitarbeiter zum Kunden ein Nachhaltigkeitsthema für den Dienstleister?

Mario Reichel: Ja, das ist ein großer Hebel. Beim Fuhrpark setzen wir sehr stark auf alternative Antriebstechniken. Und natürlich überlegen wir uns auch, wie wir logistisch optimieren bzw. unnötige Kilometer sparen können. Wenn man den Weg der Nachhaltigkeit geht, ist die Logistik der zweite logische Schritt nach dem ersten, der den Einkauf unserer Arbeitsmittel betrifft.

Heinz Peter Ewinger: Von der Logistik her ist die Reichweite von E-Autos noch viel zu gering. Nur zum lokalen Ausliefern zum Beispiel in Wien kann es Sinn machen, umso mehr, wenn der Strom dafür von der eigenen PV-Anlage kommt. Wir haben übrigens eine PV-Anlage auf unserem Dach, mit der wir über 30 Tonnen CO2 im Jahr einsparen, was ein Riesenschritt für die Ökobilanz ist. Aber für die E-Mobilität muss der Wasserstoff die Zukunft sein. 

Thema Arbeitsprozesse und Nachhaltigkeit?

Mario Reichel: In den Prozessen schlummert auch viel Nachhaltigkeitspotenzial. So kann man durch Schulung sehr viel optimieren und Ressourcenvergeudung verhindern, Stichwort richtige Dosierung. Wenn das Reinigungsmittel 10 Prozent mehr kostet, aber nicht ständig 20 Prozent überdosiert wird, dann hat man schon gewonnen. Seit COVID gibt es übrigens mehr Videokonferenzen, was sich ebenfalls positiv auf unsere CO2-Bilanz ausgewirkt.

Heinz Peter Ewinger: Ein großer Hebel für Nachhaltigkeit ist die Digitalisierung, nicht zuletzt dadurch, was man sich in Summe an Papierverbrauch spart.

Mario Reichel: Das ist ein gutes Beispiel. Allein was wir in der Vergangenheit an Regiescheinen und Leistungsbestätigungen in der Gegend herumgeführt haben, ist absurd. Die Digitalisierung ist sicher ein ganz wesentlicher Punkt für die Nachhaltigkeit.

Marcel Kremmer: Was bei dem Thema Nachhaltigkeit immer etwas zu kurz kommt, ist der Mensch. Reinigungskräfte arbeiten auf Niedriglohnniveau, diesen Menschen bleibt nichts über. Hier ist es wichtig, steuerrechtlich für eine Entlastung zu sorgen. Die soziale Nachhaltigkeit wird oft vergessen, was mir persönlich sehr leid tut. 

Viktoria Sommer: Im Zuge der Arbeitsprozesse ist es durchaus möglich Nachhaltigkeit zu berücksichtigen, beispielsweise durch Zwischenreinigungen, um die Intervalle der Grundreinigung zu erhöhen. Auch die soziale Dimension der Nachhaltigkeit ist ein großes Thema und wird von der BBG unter anderem  durch Forcierung der Tagreinigung und Sensibilisierung der Kunden vorangetrieben.

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