Round table zum regelmäßig wiederkehrenden Thema Vergabekriterien mit:
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Christoph Guserl, Geschäftsführer der Gebäudereinigungsakademie
der Wiener Gebäudereiniger BetriebsgmbH
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Christian Höger, Geschäftsführer Högers Rotstift GmbH, Gebäudereinigermeister und Sachverständiger
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Peter Fiedler, Geschäftsführer ASSA Objektservice Gmbh.
Text: Hansjörg Preims
Reinigung aktuell: Wir hatten bisher immer wieder die Situation, dass Unternehmen, die sich bei öffentlichen Ausschreibungen bewerben, sich etwas ausklügeln, womit sie den Preis untertreiben können. So hatten wir zuletzt beispielsweise das Thema Lohndumping durch Technik. Was kann man tun, um solche „kreativen Energien“, um es moderat auszudrücken, zu unterbinden? Beispiel Zahl der Krankenstandstage im Jahr: Könnte man hier nicht versuchen, eine Beweislastumkehr zu machen, indem man das, was die Statistik Austria diesbezüglich publiziert, in den Ausschreibungen vorgibt, es sei denn, jemand kann etwas anderes nachweisen?
Peter Fiedler: Das ist tatsächlich ein sehr problematischer Punkt, über den auch schon viel nachgedacht wurde, wo sich aber teilweise die Frage stellt, wie so ein Beweis erbracht werden kann. Wobei ich das Ganze nicht so schwierig sehe, denn wenn man es zum Beispiel über einen Wirtschaftsprüfer spielt, der entsprechend die Zahlen prüfen muss und nachweisen kann, hätte man dadurch die Möglichkeit, das Ganze ziemlich zu objektivieren. Das Thema wird ja fast jedes Jahr im Fehlzeitenreport entsprechend genau aufgegliedert, und es ist statistisch für mich schwer nachvollziehbar, dass bei den Krankenständen zwischen Arbeitern und Angestellten unterschieden wird – bei den Angestellten liegen wir in Österreich durchschnittlich knapp über 10 Krankenstandstagen, bei den Arbeitern bei über 16. Auf Männer und Frauen aufgeteilt, liegen die Männer bei 10,8 Krankenstandstagen, die Frauen bei 13,4 Tagen (coronabedingt so niedrig wie noch nie). Und wenn man bedenkt, dass wir 80 Prozent weibliche Beschäftigte in unserer Branche haben, ist es, verglichen mit den Zahlen, die die Sozialversicherung publiziert, umso weniger nachvollziehbar, dass gerade bei unseren Unternehmen, die bei Ausschreibungen anbieten, die Krankenstandstage bei 6 – 7 Tagen liegen sollten. Das kann zwar der Fall sein, aber es ist natürlich die Frage, wie man die Krankenstände berechnet, wenn man zum Beispiel mit Subunternehmen arbeitet und sich die Gesamtkosten mit den eigenen Krankenstandstagen anschaut – da kann man das Ganze natürlich schön runterrechnen. Man müsste es sich wirklich qualifiziert anschauen. Die Lohnnebenkostenstudie der Steiermark, die jedes Jahr erscheint, rechnet mit einem Wert von 13 Krankenstandstagen, und das halte ich für einen realistischen Wert.
Wie ist das in der Praxis? Wenn jemand in eine Ausschreibung hineingeht mit der Angabe, dass er durchschnittlich 4 Krankenstandstage hat – wird das überprüft? Gibt es eine Art Schwellenwert, unter welchem auf jeden Fall nachgeprüft wird? Wie könnte das funktionieren?
Fiedler: Derjenige, der ausschreibt, macht die Spielregeln, das heißt, wenn der, egal ob es der Realität entspricht oder nicht, sagt, 4 Krankenstandstage sind für ihn ok, dann ist es für ihn eben so. Wir Sachverständige orientieren uns daran, was diesbezüglich in Publikationen wie zum Beispiel dem Fehlzeitenreport veröffentlicht bzw. was tatsächlich bei der Sozialversicherung gemeldet ist. Daran können wir uns anhalten, und es ist relativ objektiviert. Es kann, wie gesagt, der Fall sein, dass ein Unternehmen weniger Krankenstände hat, aber hier muss man als „Nachweis“ dann entweder das, was der Bieter angibt, gelten lassen, oder es muss über eine Kontrollstelle wie einen Wirtschaftsprüfer, dem die Zahlen entsprechend offengelegt werden müssen, objektiviert werden.
Christoph Guserl: Wobei die Krankenstandstage für der Stundensatz ja nicht viel ausmachen. Ob einer um ein paar Cent billiger oder teurer ist, spielt bei der Vergabe weniger eine Rolle. Ein größeres Problem ist schon, wenn, ich würde nicht sagen, mit krimineller, aber mit unlauterer „kreativer Energie“, zum Beispiel über das Thema Maschineneinsatz, der Stundensatz gedrückt wird. Wenn also versucht wird, mit Innovationen in Richtung nicht machbarer Leistungen oder nicht plausibler Angebote an den Schrauben zu drehen, um in Zuschlagsnähe zu kommen. Wir versuchen das schon seit einigen Jahren aufzuzeigen. Denn wenn der Stundensatz billiger wird, können Unternehmen wirtschaftlich nicht mehr vernünftig arbeiten. Und die Folge ist, dass in der Praxis bei der Auftragsdurchführung die Stunden reduziert werden, eben um trotzdem ein wirtschaftlich vernünftiges Ergebnis zu bekommen.
Das heißt, die vereinbarten Stunden werden dann nicht geleistet?
Guserl: Genau. Womit wir dann wieder beim Thema Kollektivvertrag sind und dem Zusammenspiel mit der ÖNORM D 2050. Bei den meisten Angebotslegungen bzw. Vergaben wird ja die Maximalgrenze der Quadratmeterleistungen ausgereizt. Und wenn man dann aufgrund eines zu günstigen Stundensatzes die Stunden vor Ort reduzieren muss, damit sich das Ergebnis ausgeht, ist man eigentlich im Lohn- und Sozialdumping, weil die Quadratmeterleistungen überschritten werden.
Fiedler: Kleiner Zusatz – das ist mittlerweile ein klar definierter Punkt. Selbst wenn ein Mitarbeiter es schafft, in 8 Stunden zu leisten, wofür nach der ÖNORM ein Wert von 10 Stunden herauskommt, und er dafür auch korrekt bezahlt wird, entspricht das bereits den Voraussetzungen für Lohn- und Sozialdumping. Weil eben diese 10 Stunden, die nach der im KV verankerten ÖNORM errechnet sind, dem Mitarbeiter bezahlt werden müssen.
Christian Höger: Zu den Punkten Stundensätze und Quadratmeterleistungen: Wir versuchen, nicht Billigst- sondern Bestbieterausschreibungen zu machen, wo die Qualität mindestens 50 Prozent für den Preis ausmacht. Meistens werden die Ausschreibungen zweitstufig, also mit einer Präqualifikation durchgeführt. Das heißt, ich kenne das Thema von unterpreisigen Stundensätzen in dieser Form nicht, weil wir extremes Augenmerk auf die Leistungsstunden legen und die dann auch prüfbar gemacht werden. Der Kunde hat dadurch auch die Möglichkeit, die Leistungsstunden, die der Anbieter kalkuliert und angegeben hat, mit sehr wenig Aufwand zu prüfen. Das weiß man am Anbietermarkt mittlerweile, und daher gibt es bei den Ausschreibungen, die wir betreuen, kein Stundenlohndumping.
Und zum Thema maschinelle Reinigung: Das ist natürlich die hier bereits erwähnte „kreative Energie“, weswegen die Bundesinnung ja immer wieder Beschwerden oder Anmerkungen bekommen hat. Hintergrund ist das Gutachten als Fallstudie, das ich gemeinsam mit den Herren Guserl und Apfelthaler gemacht habe, indem wir in 5 Objekten getestet haben, ob ein kleiner handgeführter Scheuersaugautomat wirklich schneller ist als ein manueller Mop. Das Gutachten/die Fallstudie ist öffentlich abrufbar. Dieses Gutachten hat ergeben, dass ein kleiner handgeführter Scheuersaugautomat nicht schneller, sondern um die Hälfte langsamer ist als ein manueller Mop.
Fiedler: Zur Ehrenrettung des kleinen handgeführten Scheuersaugautomaten – in dem Fall bringt er keine Zeitverkürzung, wohl aber eine Qualitätsverbesserung gegenüber dem händischen Mop.
Stichwort Qualität: Wie kann die Qualität in der Reinigungsdienstleistung verbessert werden? Da stellt sich u. a. auch die Frage: Probereinigung, ja oder nein? Bringt das etwas?
Guserl: Ich glaube, dass aufgrund der erwähnten Gutachten, die wir gemeinsam erstellt haben, schon Hilfestellungen geboten werden. In den letzten Ausschreibungsunterlagen wurden diese Ergebnisse auch schon eingearbeitet und diese Kleinstgeräte ausgeschlossen bzw. vorgegeben, dass man im Sanitärbereich nicht damit arbeiten darf. Und letztendlich – die ÖNORM D 2050 sagt immer etwas aus über Maximalleistungen bei optimalen Bedingungen, sprich: dass man diese Leistung bei nicht groß verstellten Flächen und in halbwegs sauberem Zustand schaffen kann. Dabei stellt sich aber die Frage, wo man diese optimalen Zustände überhaupt findet, um die in der Norm festgelegten Maximal-Flächenleistungen zu erreichen. Von dem wegzukommen braucht es Beispiele, und ich glaube, dass man das man nur mit Probereinigungen vor den Vorhang bringen kann. Probereinigungen speziell bei nicht plausiblen Leistungen sind ein Hebel für die Zukunft.
Probereinigungen standardmäßig oder nur dort, wo es ein „auffälliges“ bzw. nicht plausibles Angebot gibt?
Guserl: Dort auf jeden Fall. Ansonsten muss man auch sehen, dass eine Probereinigung mit einem gewissen Aufwand verbunden ist. Das heißt, die Probereinigung kann nicht an einem Tag bzw. stichprobenartig, sondern muss über mehrere Tage durchgeführt werden, und diesen Aufwand muss auch irgendjemand tragen. Dem Dienstleister, der ein Leistungsversprechen mit seinem Angebot abgegeben hat, kann man das nicht 1:1 auferlegen, und für den Auftraggeber, den Kunden selbst in dem Objekt, ist das auch sehr mühsam. Aber gerade bei Maximal-Flächenleistungen bei Angeboten oder in Bereichen, wo man im Vorhinein schon weiß, dass es da schwierig sein könnte zu reinigen, würde eine Probereinigung auf jeden Fall Sinn machen.
Fiedler: Wie Herr Guserl schon ganz richtig gesagt hat – gerade bei diesen Ausschreibungstypen werden fast ausschließlich die Norm-Maximalleistungen für die Kalkulationen herangezogen. Und dann eben auch noch ein Teil an so genannter „Kreativität“, der dann in eine weniger Zeit ergebende höhere Quadratmeterleistung hineingeht. Da, glaube ich, wird es ein bisschen ein Problem, die tatsächlich möglichen Quadratmeterleistungen überhaupt in den Ausschreibungen zu platzieren. Denn dann schafft man es in einem ersten Schritt vielleicht, die „Kreativität“ etwas zu beschneiden, so dass es in die Richtung geht, dass zumindest einmal an den Maximalgrenzen gearbeitet wird. Dann ist natürlich wiederum die Frage, wie die nach dem Kollektivvertrag vorgesehenen Organisationszeiten tatsächlich eingepreist werden. Denn auch hier werden zum Teil Angaben gemacht, die nicht wirklich nachvollziehbar sind. Hier kann man sehr vieles tatsächlich auf Plausibilität kontrollieren – was aber natürlich bedingt, dass man den KV wirklich gut kennt. Wir bewegen uns hier ja nicht innerhalb eines gewissen Spielraumes, sondern wir sind da schon im Grenzbereich, wo es darum geht, ob etwas machbar ist oder nicht mehr. Und das bedarf auch einer sehr guten Aufklärung der beurteilenden Personen, damit die Fakten, die eingekauft werden, auch bekannt sind.
Aber die anbietenden Unternehmen kennen doch alle den Kollektivvertrag …
Höger: Es geht hier ja vor allem auch um sehr hohes Fachwissen. Es gibt Berater wie mich oder Herrn Guserl, die sich darauf spezialisiert haben, es gibt aber auch jede Menge FM-Berater, die selber noch nie einen Quadratmeter gereinigt haben, die aber glauben, Reinigungsausschreibungen machen zu können, weil sie in der ÖNORM eine Liste haben. Es gibt jede Menge Rechtsanwälte, jede Menge Einkaufsabteilungen. Das heißt, diese Liste in der ÖNORM verleitet dazu, dieses Thema zu unterschätzen. Ich sehe das laufend bei den Qualitätskontrollen, zum Beispiel im WC-Bereich: Da sind für Teilreinigung maximal 90 Quadratmeter in der Stunde erlaubt, und das schafft im Regelbetrieb niemand. Und das ist jetzt nicht eine Frage für die Anbieter, sondern eine Frage für die ausschreibende Stelle. Wir unterscheiden am Markt zwei große Fälle, das eine sind die großen Copy/Paste Ausschreibungen, von der BBG zum Beispiel, die ihre Struktur hat und wo einfach Kundendaten eingefügt werden. Das was wir machen, ist eine individuelle Beratung, sprich: wir analysieren die Ist-Situation mit dem Kunden, wir erheben seine Erwartungshaltung und seine Bedürfnisse, hinterfragen historisch gewachsene Glaubenssätze, konzipieren für ihn ein neues Reinigungskonzept und erstellen ein Vorab-Budget. Also quasi ein Anzug nach Maß statt von der Stange. Da geben wir zum Beispiel vor, dass nur mehr 80 oder 50 Prozent der ÖNORM-Leistungen zum Beispiel für eine Raumgruppe Sanitärbereich maximal zulässig sind. Wir geben vor, dass für die maschinelle Reinigung maximal ein 60 cm breiter Automat verwendet werden darf. Wir geben die Organisationszeiten vor, denn wir bewegen uns tagelang im Objekt, wir kennen die Situationen vor Ort sehr gut. Der Anbieter hingegen hat vielleicht eine halbe oder eine Stunde Objektbegehung und kann diese Daten gar nicht in dieser Tiefe erfassen.
Wollen Sie damit sagen, dass es mehr „Maßausschreibungen“ geben sollte?
Höger: Nein, denn jede Art hat ihre Berechtigung. Es gibt Auftraggeber, die nur einen Preis kaufen, aber es gibt auch Kunden wie meine, die eine Partnerschaft wollen, wo es auch faire und soziale Rahmenbedingungen gibt. Und wo der Arbeitsplatz in ihrem Unternehmen ein attraktiver für das Reinigungsteam ist.
Meine Erfahrung ist, DAS Reinigungskonzept, DIE Prozessoptimierung oder DIE Qualitätssicherungsmerkmale gibt es nicht. Es gibt eben diese Copy/Paste Ausschreibungen, da ist die Frage, wie man eine Ausschreibung gewichtet, 90 Prozent Preis, 10 Prozent Qualität, und diese 10 Prozent Qualität kennt jeder Anbieter, er gibt seine Standardinformationen ab – das ist im Prinzip eine Alibi-Ausschreibung. Das hat meiner Meinung nach nichts mit einem Bestbieter-Prinzip zu tun. Qualitative Kriterien sollten als Unterscheidungsmerkmal dienen – dazu sind allerdings differenzierungsstarke Qualitätskriterien notwendig! Und es gehören immer zwei dazu, ein unscharfes Leistungsversprechen mit einem Preis, der weder messbar noch plausibel nachvollziehbar ist, auszuschreiben und zu vergeben! Ich habe neulich wieder ein Gutachten gemacht, wo es um über 2 Millionen Euro Jahresumsatz geht, und die Anbieter – es war ein Verhandlungsverfahren – haben zum Teil dann 10 Prozent nachgelassen, haben aber Gewinn und Wagnis nur zwischen 2 und 3 Prozent in der Stundensatzkalkulation angeführt. Woher nehmen sie diese restlichen Prozent als Nachlass? Und wir sind dann mit einer vertieften Preisprüfung aufgefordert, ihre Kalkulation im Kalkulationsblatt darzulegen. So hören dann die ganzen Fragwürdigkeiten auf.
Fiedler: Das mit dem plausiblen Preis unterstreiche ich zu 100 Prozent, ich muss aber auch eine andere Argumentation gelten lassen. Grundsätzlich darf man als Anbieter Leistungen ja auch verschenken. Die Argumentationen, die teilweise für niedrigere Preise angeführt werden, sind zwar sehr verhaltenskreativ, auf der anderen Seite aber kann man grundsätzlich Leistungen so lange verschenken, solange man die Mitarbeiter korrekt bezahlt. Ein Konzept, mit dem man als Unternehmen freilich nicht lange und erfolgreich fahren kann. Ich finde auch das Argument mit den „Referenzkunden“ alles andere als schlagend, denn ich kenne im Bereich der Gebäudereinigung keinen einzigen Kunden, der sich für einen Dienstleiser entscheidet, weil dieser in einem bestimmten renommierten Objekt reinigt. Das funktioniert bei uns nicht.
Im Gesundheitswesen ist es aber anders …
Fiedler: Ja, denn da geht es dann um tatsächliche Referenzen, da wird gefragt, ob jemand in dem Bereich einen guten Job macht. Das ist eine berechtigte Referenz. Aber rein die markengetriebene Referenz, wie sie oft angegeben wird, ist in unserer Branche vollkommen bedeutungslos.
Höger: Wir reden in diesem thematischen Zusammenhang hier in Wirklichkeit über drei Punkte. Das eine ist das Kalkulatorische, das Wirtschaftliche, also die Stundensätze, das Zweite sind die Leistungsstunden an sich, und das Dritte ist, mit welcher Qualität man in dieser zur Verfügung gestellten Zeit arbeitet. Wenn man die Leistungsstunden ganz transparent darstellt und sie auch prüfbar macht, und der Auftragnehmer weiß das, dann rechnet er im Regelfall unserer Erfahrung nach nicht mehr mit einem niedrigen Preis. Und dass die Leistung „verschenkt“ würde, das habe ich so noch nicht erlebt. Bei 1000 kalkulierten Stunden, die man auch leisten muss, muss man auch einen entsprechenden Stundensatz dahinter haben. Deswegen hebt sich das meiner Meinung nach schon auf. Der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Preis, Kosten, Kalkulationen und den Leistungsstunden sind aus meiner Sicht immer die Leistungsstunden, und auf die konzentrieren wir uns auch. Das ist auch das, was der Kunde relativ einfach nachprüfen kann. Was in diesen Stunden gemacht wird, ist ein anderer Punkt.
Guserl: Thema Qualität und Gestaltung der Ausschreibung: Wenn der Stundensatz gering ist, egal ob man Marketingkosten, Overheadkosten usw. hineingerechnet hat – man hat auch eine entsprechende Organisationsform in den Objekten sowie auch Material und Maschineneinsatz – wenn man hier nicht in innovatives, professionelles Equipment investieren kann, weil es der Stundensatz nicht hergibt, kann man sich bei der Auftragsausführung auch keine Qualität erwarten. Das heißt, da geht eine Schere auseinander: Weil der Stundensatz immer niedriger wird, wird die Qualität entsprechend darunter leiden. Diese Spirale, die in den letzten Jahren mit diversen Kriterien versucht wurde, nach oben zu schrauben, dreht sich nach wie vor weiter nach unten. Und da ist sicher entscheidend, wie man die Ausschreibung gestaltet und was man in einer Ausschreibung alles prüfbar machen kann. Herr Fiedler hat die Organisationszeit angesprochen. Viele ausschreibende Stellen haben die Organisationszeit nicht extra ausgerufen, das heißt, die Anbieter müssen das im Stundensatz mitkalkulieren. Bei einem niedrigen Stundensatz von 18, 18,50 oder 19 Euro – wo sollen da pro Mitarbeiter 5, 10 oder 15 Minuten, je nachdem, wie viel Organisationszeit man berechnet, noch versteckt sein? Letztendlich wird es dann nicht berücksichtigt. Im Endeffekt wird die Quadratmeterleistung, d.h. die Flächenleistung damit erhöht und man ist wieder im Lohn- und Sozialdumping. Und da ist entscheidend, dass man eben diese Organisationszeit – eigentlich ein ganz einfacher Hebel – schon im Zuge der Ausschreibung ausweisen lässt. Der Anbieter muss zu seinen kalkulierten Stunden pro Monat, pro Tag, pro Rajon oder pro Reinigungskraft, egal, wie man es anlegt, seine Organisationszeit offenlegen. Dann kann man es auch überprüfen und letztendlich auch einfordern. Das ist ein Hebel.
Höger: Da kommt es wieder auf die Qualität des Beraters an. Wenn dem Kunden das Thema Gebäudereinigung zu komplex ist oder es ihm egal ist und er zu einem Berater kommt, der selber noch nie einen Quadratmeter gereinigt hat und irgendeine Copy/Paste Ausschreibung hernimmt, der irgendein Leistungsverzeichnis macht und dem alles andere egal ist, der sagt, 90 Punkte von 100 sind der Preis, 10 die Qualität – dann wird der Kunde es auch so bekommen.
Wir können sehen, dass sich bei den Ausschreibungen in den letzten 10 – 15 Jahren vieles verbessert hat. Bei der BBG ist es 50:50, Preis zu Qualitätskriterien. Das hat dazu geführt, dass das Gros der Anbieter diese Kriterien zur Gänze erfüllt. Dadurch geht es aber dann doch wieder nur um den Preis, oder? Gibt es Kriterien, die man in der Ausschreibung einführen könnte, die zu einer noch differenzierteren Leistung führen könnten? Stichworte Tagreinigung, Lehrlingsquoten, Nachhaltigkeit. Bis auch diese Kriterien wieder von allen erfüllt würden, was dann ja auch gut wäre …
Guserl: es gibt sicher noch einige Kriterien, die man hier neu oder auch anders gestalten kann. Man hat bei den ISO- und EMAS-Zertifizierungen gesehen, dass es nicht lange gedauert hat, bis alle Firmen nachgezogen haben. Aber leider wurde das Bestbieterprinzip dann wieder zum Billigstbieterprinzip, eben weil alle diese Kriterien erfüllt haben. Man sollte also darüber nachdenken. Wir haben vorher über Stundenerbringung gesprochen bzw. wie man das plausibel und nachweisbar macht, und da könnte man in einer Ausschreibung zum Beispiel als Zuschlagskriterium überlegen, dass der Anbieter zusagt, seine Stunden auch zu 100 Prozent vor Ort zu erbringen. Mit einer erhöhten Vertragsstrafe, mit Konsequenzen. Oder letztendlich, wie viel Betreuungszeit er tatsächlich vor Ort hat. Mit elektronischen Systemen, die es auch in öffentlichen Ausschreibungen schon lange gibt, ist das alles nachweisbar. Und wenn es auch nachweisbar ist, wäre das schon ein weiterer Schritt zur besseren Qualität bzw. zur besseren Leistungserbringung – aber auch zur Verbesserung des Images der Gebäudereiniger, sie würden nicht mit dem verdienen, was sie nicht tun.
Zum Punkt Tagreinigung als möglichem Kriterium: Dort wo das möglich ist, ist das auf jeden Fall die Zukunft, auch um den MitarbeiterInnen einen vernünftigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen zu können. Nur braucht da der öffentliche Auftraggeber auch ausreichend Überzeugungskraft, sodass letztendlich auch die Kunden überzeugt werden. Hier gibt es sicher noch Aufklärungsbedarf.
Lehrlingsquote als Kriterium?
Guserl: Auch das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Wir haben – leider auch in Wien – zu wenig Betriebe, die Lehrlinge ausbilden dürfen, und noch viel weniger, die tatsächlich ausbilden. Diese Situation würde sich in den nächsten Jahren vermutlich verbessern, wenn man Lehrlingsquoten in die Ausschreibungen mit hineinnehmen würde.
Fiedler: Ich fände es eine großartige Idee, Lehrlingsquoten in die Ausschreibungen mit hineinzunehmen. Faktum ist nur, dass wir alle miteinander, nicht nur in unserer Branche, sondern generell in Österreich, wenige Lehrlinge überhaupt finden. Das heißt, die Bereitschaft und die Fähigkeit der Unternehmen, das auch entsprechend anzubieten, ist das eine, es könnte aber insofern ein bisschen gefährlich sein, dies als Kriterium in die Ausschreibungen hineinzunehmen, als wir uns damit auch ins eigene Knie schießen könnten. Denn wenn sich die Lehrlingssituation, so wie sie jetzt ist, weiter verschärft, haben wir vielleicht niemanden, der eine solche Quote, auch wenn er wollte, erfüllen kann.
Tagreinigung als Kriterium, Herr Fiedler?
Fiedler: Das wäre jedenfalls eine tolle Sache, zum einen um den Mitarbeitern, wie hier schon angesprochen, bessere Arbeitsplätze anbieten zu können, und aufgrund einer verbesserten Kommunikation im Objekt könnte sich auch die Qualität der Reinigung erhöhen – und die Qualität der Dienstleistung könnte vom Kunden auch noch besser wahrgenommen werden. Diesen Hebel umzulegen braucht aber auch Zeit.
Höger: Mein Vorschlag wäre, hier wirklich verstärkt in Richtung Aus- und Weiterbildung und Erfahrung der Objektleiter, der Vorarbeiter und der Reinigungskräfte zu gehen, was aber für den Kunden auch messbar oder überprüfbar sein müsste. Zum Nutzen des Kunden, aber auch, damit die Mitarbeiter faire soziale Rahmenbedingungen beim Kunden haben.
Warum gibt es keine zuschlagsrelevanten Weiterbildungspunkte? Zum Beispiel: Jeder geprüfte Meister müsste alle paar Jahre ein Fortbildungs- oder Auffrischungspensum erfüllen, eine Innovationsaktualisierung oder Ähnliches, sei es ein Messebesuch, die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung, an einem Fachtag usw. Wäre das überlegenswert?
Höger: Das ist genau das, was ich auch gemeint habe mit verstärktem Fokus auf Aus- und Weiterbildung. Ich habe nichts davon, wenn einer den Meister vom Jahr 1998 hat, dann aber – was wir auch schon hatten – 10 Jahre lang in der Buchhaltung gesessen ist. Bei uns haben wir in den Ausschreibungen auch jährliche Nachausbildungspunkte beinhaltet – bis zur Sonderreinigung.
Guserl: Prinzipiell eine gute Idee, aber schwierig, das auf die Beine zu stellen, wenn es keinen rechtlichen Rahmen dazu gibt. Das kann nur die ausschreibende Stelle für sich selbst in die Bedingungen mit hineinnehmen. Die Schwierigkeit ist dann wieder die Überprüfbarkeit, bzw. wer überprüft, ob eine Fortbildung tatsächlich gemacht wurde. Und es ist auch die Frage, was der Sinn und Nutzen davon ist, auch vor dem Hintergrund der hohen Fluktuation in unserer Branche mehr oder weniger auf allen Ebenen. Wenn ein Mitarbeiter vor drei Jahren den Meister gemacht hat, ist das schön und gut, ein anderer Kurs wird ihm dann aber wahrscheinlich keinen Nutzen bringen. Vielleicht darauf aufbauend ein Hygienekurs, aber ihn seine Ausbildung in Teilen wiederholen zu lassen, erachte ich nicht für zweckmäßig. Die Idee des verstärkten Fokus‘ auf Aus- und Fortbildung ist im Prinzip gut, aber mit einem gewissen Plan dahinter, was für die nächsten 5 – 7 Jahre sinnvoll ist. Der Meister-Auffrischungskurs, den wir in der ÖNORM haben und seit 4 Jahren anbieten, wurde erst ein einziges Mal durchgeführt. Die BBG hat diesen Meister-Auffrischungskurs auch im Punktesystem für die Vergabe drinnen, aber die Wertigkeit dieser Weiterbildung wird offenbar für nicht so hoch angesehen, dass das bei der Vergabe eine Auswirkung auf das Bestbieterprinzip hätte. Eine Weiterbildung kostet – Stichwort Preisproblematik – natürlich auch Geld und vor allem Zeit. Man kann Ausbildung nur gewähren, wenn man das im Stundensatz bei den Kosten im Vorfeld schon mitkalkuliert hat.
Fiedler: Was ich schon auch bemerke, auch bei unseren Meisterkursen – viele Unternehmen in unserer Branche sind von der Konzeption her zwar sehr ausbildungsfreundlich eingestellt, aber manche Mitarbeiter lassen sich nur mit Nachdruck dazu bewegen, Ausbildungen in Anspruch zu nehmen. Viele in unseren Meisterkursen begründen ihre Teilnahme nur mit „der Chef hat mich hergeschickt“. Wir arbeiten unter Zwängen in unserer Branche, die natürlich gewisse Problematiken hervorgerufen haben. So können wir grundsätzlich zu geringe Gehälter bezahlen, wir sind als Branche nicht attraktiv genug als Arbeitgeber. Und damit hängt auch diese mangelnde Motivation zur Weiterbildung in der Gebäudereinigung zusammen. Zum Unterschied beispielsweise zu einem Arzt, der natürlich auch ganz andere Verdienstmöglichkeiten hat. Da hat natürlich auch die persönliche finanzielle Situation einen maßgeblichen Einfluss.