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Schädlings­bekämpfung im Wandel der Zeit

Waren es vor vielen Jahren die „Kammerjäger“, die Ratten, Mäuse oder Schaben bekämpft haben, so ist es heute der Schädlingsbekämpfer, der neben der Bekämpfung auch Vorsorgemaßnahmen trifft und zu baulichen und Hygienemaßnahmen Empfehlungen abgibt, um einem weiteren Schädlingsbefall vorzubeugen.

Text Erika Hofbauer

Reinhard Hell
Reinhard Hell, Country Director von Spezial-Dienstleister Rentokil Initial

Die Welt der Schädlinge hat sich verändert – und mit ihr auch die Welt derjenigen, die sie bekämpfen. „Einerseits hat sich der Vorrats- und Gesundheitsschutz und andererseits die Bekämpfung von Lästlingen und Parasiten als Schwerpunkttätigkeit für den gewerblichen Schädlingsbekämpfer herausgestellt“, erzählt Reinhard Hell, Country Director von Spezial-Dienstleister Rentokil Initial. Und das habe seinen Grund: Ständig steigende Anforderungen in der Gastronomie, Lebensmittel- und Pharmabranche sowie in den gesetzlichen Bestimmungen der Hygiene führten seit geraumer Zeit dazu, dass die Toleranzgrenze hinsichtlich Schädlingsbefall immer geringer werde, so Hell. Der Klimawandel sowie der steigende Warenverkehr sorgten zusätzlich für ein erhöhtes Schädlingsaufkommen weltweit. Man beobachte in Europa seit Jahren schon erhöhte Bettwanzenbefälle in Hotels und bei Privatquartieren durch den steigenden Tourismus bzw. die Nächtigungszahlen. Diese Entwicklung bestätigt auch Rainer Barath, Technischer Direktor beim Schädlingsbekämpfer Anticimex, der auch im Klimawandel eine Ursache für Veränderungen im Schädlingsbefall ausmacht: „Die wärmeren Winter ermöglichen das Überleben vieler Insektenarten über diese Saison hinaus. Populationen, die sonst über den Winter stark reduziert werden, starten im Frühjahr mit anderen Größenverhältnissen. Das Gleichgewicht kippt, da nicht genügend natürliche Feinde vorhanden sind. Gerade in der Landwirtschaft sind davon vor allem unsere klassischen Monokulturen betroffen.“

Problemfeld Lebensmittel

Rainer Barath
Rainer Barath, Technischer Direktor beim Schädlingsbekämpfer Anticimex

Apropos Monokulturen: „Der Lebensmittelmarkt ist überschaubarer: Wenige große Konzerne steuern die Versorgung der Bevölkerungsmassen. Durch diese Zentralisierung erfolgt eine Zentralisierung der Lebensmittelproduktionen und Lebensmittellager“, erklärt Barath. Das Phänomen der Monokulturen lasse sich auf die Lebensmittelproduktionen übertragen: „Massenware an wenigen Standorten in übergroßen Mengen. Das hat eine überaus starke Lockwirkung auf Schadorganismen und bietet hervorragendes Vermehrungspotential.“ Er ortet aber noch anderweitige Ursachen: „Der Preiskampf im Lebensmittelhandel, vor allem bei den Diskontern, hat eine enorme Auswirkung auf Investitionen in das Hygienemanagement der Einzelhändler, die oft mit den Schädlingsproblemen überfordert sind. Dazu kommt die mangelnde Objektsicherheit in Bezug auf Eindringmöglichkeiten von Schadorganismen, da neue Lebensmittelmärkte in kostengünstigerer, oft auch mangelhafter Bauweise wie Pilze aus dem Boden getrieben werden.“ Die Globalisierung verschärft die Problematik auf ganz neue Weise, weiß Barath: „Wir erhalten Produktlieferungen aus fernen Ländern. Durch den steten Austausch an Waren weltweit finden Tiere aus anderen Teilen der Welt in unseren Breitengraden Möglichkeiten, heimisch zu werden. Der Klimawandel begünstigt diese Möglichkeiten. Tigermücke, asiatischer Marienkäfer, Amerikanische Zapfenwanze, sind nur einige dieser Neulinge.“ Die Reiselust der Menschen beflügelt auch andere Lebewesen, weiß der Anticimex-Experte: „Gerade durch den Anstieg des Flugverkehrs, u.a. auch begünstigt durch Billigfluglinien, erleben wir in den letzten Jahren eine große Ausbreitung der Bettwanze. War diese in der Nachkriegszeit durch Massenquartiere ein großes Problem und zwischenzeitlich durch intensive Gegenmaßnahmen stark dezimiert, so erlebt ihre Ausbreitung eine Renaissance.“ Zusätzlich gefördert wird die Verbreitung der Bettwanze durch Flüchtlingsströme, sieht Barath Parallelen zur Nachkriegszeit: „Massenquartiere, mangelnde Hygiene bzw. Sensibilisierung auf Schadorganismen führen zu großen Vermehrungen von Hygieneschädlingen – vorwiegend Bettwanzen und Küchenschaben – in diesen Unterkünften.“

Schädlingskampf einst und jetzt

Der Kammerjäger war in den 60er Jahren bekannt als der „Robuste mit der Giftspritze“, erinnert sich Rentokil-Manager Hell. Dann wurde er zum Kontrolleur, der die Monitoring-Stationen abläuft, Köder nachfüllt und auslegt. „In der Zukunft wird aus dem Kammerjäger der Berater, der Unternehmen hinsichtlich Hygiene, baulicher Maßnahmen, Lagerhaltung usw. zunehmend unterstützt“, so Hell. Er sieht die größten Herausforderungen der Schädlingsbekämpfung in den nächsten Jahren zunächst in den immer umfangreicher werdenden rechtlichen Vorschriften. Aber auch der Einsatz von Bioziden, der Schutz von Mensch, Umwelt und Nichtzieltieren stehen im Fokus: „Gerade der Einsatz von Bioziden mit dem Anspruch, dass diese heute rasch und effizient und morgen bereits nicht mehr nachweisbar sind bzw. keine Gefährdung für den Menschen und deren Umwelt darstellen, ist sicherlich die spannendste aller Herausforderungen.“ Der Einsatz der Präparate wird zusätzlich von neuen technisch innovativen Lösungen begleitet, berichtet der Rentokil-Verantwortliche Hell: „Ein Monitoring, das in Echtzeit einen Schädlingsbefall meldet und dokumentiert, um Trends, Strategien und Maßnahmen entsprechend einleiten zu können, ist heute in der Vorsorge nicht mehr wegzudenken. Der Einsatz von LED Technologie bei Fliegenfanggeräten ist ein weiterer Beweis dafür, dass Energieeffizienz und Lebensdauer auch im Bereich Schädlingsbekämpfung greifen.“

Nachhaltigkeit und Transparenz

Anticimex-Manager Barath sieht ähnliche Herausforderungen in seiner Branche kommen: „Der Verbraucher ist immer mehr auf Nachhaltigkeit und Transparenz aus. Er will wissen, woher kommt das Produkt, er will möglichst Bio, möglichst heimisch. Für die Schädlingsbekämpfung bedeutet das gerade für den Vorratsschutz bei Privatkunden erhöhte Aufklärung.“ Durch die Zunahme an globaler Informationsbereitstellung durch das Internet verfügten die Menschen heutzutage über ein umfangreiches Informationsangebot – auch was Schädlinge betrifft: „Der Beratungsaufwand ist für uns nicht nur höher, sondern auch intensiver“, sieht Barath Schulungen der Techniker als oberste Priorität an. Zusätzlich erkennt er durch die Verschärfung der jeweiligen EU Verordnungen betreffend Bioziden, insbesondere Pflanzenschutzmittel, eine höhere Verantwortung in der Schädlingsbekämpfung für die Umwelt: „Der Weg geht eindeutig in Richtung weg von Giften, hin zu biologischen und biotechnischen Methoden.“ Da jedoch manche Veränderungen schneller passierten, als die Entwicklung von Ersatzverfahren und Mittel es zuließen, habe man oft große Schwierigkeiten in der akuten und nachhaltigen Bekämpfung von sich ausbreitenden Populationen, berichtet Barath aus der Praxis: „Eine mangelnde Möglichkeit, rechtskonforme Anwendungen auszuführen, kann unter Umständen zu größerer Schädlingsausbreitung führen.“ Auch er sieht in der wirkstofffreien Bekämpfung mit akkurater, elektronischer Dokumentation aller Behandlungsmethoden einen künftigen Trend: „In der Lebensmittelindustrie ist das Permanent-Monitoring bereits Standard.“

Vorsorge und Vorbeugung

Zugleich sieht er aber auch andere Folgen: „Kleinere Schädlingsbekämpfer könnten Schwierigkeiten haben, Kundenanforderungen durch solch kostspielige Systeme zu erfüllen.“ Denn die Wirksamkeit der Maßnahmen in der heutigen Zeit dei mehr denn je abhängig von der Wissenschaft und deren Forschung, ist der Anticimex-Manager überzeugt: „Man muss sich mehr denn je Gedanken über alternative Möglichkeiten machen, wenn der Einsatz der Chemie nicht im gleichen Maße möglich sein wird, wie es eben früher der Fall war.“ Dabei spiele die Früherkennung eines Befalls eine besondere Rolle: „Das Thema Vorbeugung ist in diesem Zusammenhang ein noch viel wichtigeres Thema als die Bekämpfung selbst.“ Vor allem im Vorratsschutz erkennt Barath daher das größte Potenzial bei der Objektsicherheit: Die Erstellung von z.B. objektbezogenen Gefahrenanalysen spielten bereits in der Bauphase eine wesentliche Rolle und würden in Zukunft immer mehr gefordert werden, glaubt Barath. Dies verlange aber auch ein Umdenken in der Objektplanung: „Wenn der Kunde immer mehr versteht, dass er gröbere Befallstrukturen vorab vermeiden kann, wenn ein Objekt schädlingssicher, also dicht ist, so wird er bereits in der Planungsphase versuchen, schädlingsbezogene Objektdichtheit anzupeilen.“ Aber das ist natürlich nur ein Rädchen im ganzen Uhrwerk der Schädlingsprävention.

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