Das Übliche bei der Personalsuche ist ein Bündel an Maßnahmen, ein Mix aus klassisch und digital. Die besten ReinigungsmitarbeiterInnen finde man aber immer noch durch Mund-zu-Mund-Propaganda und Empfehlungen durch bestehendes Personal, heißt es allenthalben.
Zur Lösung des Problems „Personalmangel“ gibt es kein Patentrezept. Die möglichen Ansätze differieren auch je nach Branche und Unternehmen, da überall unterschiedlicher Leidensdruck herrscht. „Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wird jenes Unternehmen wohl die besseren Chancen haben, dessen Arbeitsangebot durch diverse Zusatzangebote bzw. -leistungen für potentielle MitarbeiterInnen am attraktivsten ist“, sagt Gerhard Komarek, Berufsgruppenobmann der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger. Und meint damit Maßnahmen, die von medizinischen Zusatzleistungen und Betriebsverpflegung über Parkplätze (Stichwort Parkpickerl) bis zu dem Zurverfügungstellen von (Betriebs-)Kindergartenplätze, Fortbildungen und Sozialberatung bei Schulden oder häuslicher Gewalt reichen. Oft würden Stellen auch durch Mundpropaganda besetzt, da manchmal ein/e neue/r MitarbeiterIn aus dem Familien- oder Freundeskreis von Angestellten rekrutiert werde. Das werde von manchen Arbeitgebern mit Prämien honoriert. Und: „Eine durchaus beliebte Methode ist auch das Beauftragen von Recruiting-Agenturen, mit dem Ziel, Arbeitskräfte mit Ethno-Personalmarketing zu finden.“
Auch der Gesetzgeber setzt verstärkt Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel. So wurde die Rot-Weiß-Rot Karte novelliert und in Teilbereichen Erleichterungen eingeführt, zum Beispiel bei Schlüsselarbeitskräften die Gehaltsgrenze auf 2835 Euro (50 % der ASVG Höchstbeitragsgrundlage) gesenkt und erstmals eine Servicestelle bei der Austrian Business Agency (ABA) eingerichtet. Komarek: „Ab April soll eine neue Verordnung kommen, die es sofort erlaubt, ukrainische Staatsangehörige in Österreich zu beschäftigen. Und beim AMS sollte sich die Regierung geeinigt haben, dass nicht jeder Asylberechtigte zuerst gut Deutsch können muss, um vermittelt werden zu können, sondern dass der Spracherwerb parallel erfolgen kann. Alle diese Maßnahmen sollten bewirken, dass wieder mehr Menschen für unsere Branche zur Verfügung stehen.“
Auch die zuletzt erzielten Lohnabschlüsse sollten, hofft Komarek, dazu führen, „dass mehr Menschen wieder in unserer Branche Arbeit annehmen – die unterste Lohngruppe 6 (nicht ausgebildete Arbeitskräfte ohne Deutschkenntnisse) bekommt brutto 1832 Euro.“
Ausdrücklich möchte Komarek in diesem Zusammenhang auf „unser priorisiertes Projekt der Tagreinigung“ hinweisen: „Die Umstellung auf Tagreinigung ist uns ein großes Anliegen. Wir sehen darin großes Arbeitskräftepotential. Viele Mütter können – auf Grund der derzeit angebotenen Kinderbetreuung – erst ab 9 Uhr arbeiten. Die oft üblichen geteilten Dienste früh morgens und abends sind nicht familienfreundlich und mit betreuungs-/schulpflichtigen Kindern oft nicht umsetzbar. Das Modell der Tagreinigung könnte da eine spürbare Entlastung bringen und zu einer Steigerung der Attraktivität der Branche führen.“
Ethno-Personalrecruiting
„Ein Umdenken der Unternehmen ist gefragt, die auf Personalsuche sind und ihre Mitarbeiter binden möchten“, sagt Oguzhan Köse, Geschäftsführer OK CONSULT. Österreich sei mehr denn je darauf angewiesen, dass die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Unternehmen gelinge, denn aufgrund des demografischen Wandels zeige sich der Personalmangel in vielen Bereichen. „Unternehmen können dazu beitragen, diesem entgegenzuwirken, indem sie kulturelle Vielfalt in Unternehmen fördern bzw. systematisch gestalten“, so Köse (s. auch Interview S. 20). „Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter kennenlernen und ihre kulturellen Bedürfnisse und Besonderheiten berücksichtigen. Die Angebote sowie die Stelleninserate müssen dort platziert werden, wo es die Zielgruppe sieht und wahrnimmt.“
Mund zu Mund
„Mitarbeiter werben Mitarbeiter“ – unter anderem darauf setzt zum Beispiel Attensam stark. Wobei das wohl nur dann gut funktioniert, wenn die Firma gute Gründe und Argumente für eine Weiterempfehlung durch Mitarbeitende liefert. Welche Gründe sind das? Karin Baumgardinger, Personalrecruiting bei Attensam: „Die besten BotschafterInnen sind MitarbeiterInnen, die ihre Arbeit als sinnstiftend erleben. Deshalb stellen wir die Mitarbeitenden in den Mittelpunkt – das gelingt uns durch ständige Weiterentwicklung unserer Führungskräfte. Es liegt uns sehr viel daran, dass wir mit wertschätzendem Umgang, laufender Information und regelmäßigen Schulungen ein angenehmes Arbeitsklima schaffen. Wenn uns Mitarbeitende als attraktiven Arbeitgeber weiterempfehlen, ist das eine Bestätigung dieses Weges und wird von uns auch entsprechend honoriert.“
Auch die Rainer Reinigung GmbH setzt neben Online Medien wie zum Beispiel Facebook und Instagram, Anzeigen auf AMS-Jobsuche und anderen Job-Suchportalen sehr stark auf „Mund-zu-Mund- Propaganda“. Wie bereitet man dort den fruchtbaren Boden dafür? Geschäftsführer Yasar Vural: „Wir haben stets eine persönliche Bindung zu unseren Mitarbeitern, die es uns einen guten Kontakt zu unserem Personal ermöglicht. Diesen Kontakt pflegen wir ständig und sind immer bemüht, auch auf die Wünsche der einzelnen Mitarbeiter einzugehen. Ein gutes Arbeitsklima sorgt auch für Zufriedenheit des Personals, deswegen werden wir dementsprechend weiterempfohlen.“ Wichtig sei jedenfalls die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter in der Regelung der Arbeitszeit, vor allem bei Frauen mit kleinen Kindern, und ein familiärer Umgang mit den MitarbeiterInnen.
Fundus AMS
Wie können die Reinigungsunternehmen das AMS zur bestmöglichen Unterstützung bei der Personalsuche nutzen? Claudia Willfort, Stv. Abteilungsleiterin Service für Unternehmen: „Jedes Unternehmen kann sich rasch und unbürokratisch über den sogenannten e-Jobroom anmelden. In diesem Selbstbedienungs-Tool können Sie als DienstgeberIn auf freigegebene Lebensläufe zugreifen und somit sehr rasch mit potenziellen, neuen MitarbeiterInnen Kontakt aufnehmen.“ Mit dem e-AMS Konto werde gewährleistet, dass jedes interessierte Unternehmen einen direkten Draht zum AMS habe.
„Die Plattform allejobs.at ist die größte Jobsuchmaschine in Österreich, die Sie tatkräftig bei der MitarbeiterInnensuche unterstützt“, so Willfort, „daher ist es wichtig, den Personalbedarf dem AMS zu melden. Dadurch gewinnen Ihre Stelleninserate noch mehr Reichweite.“
In der Reinigungsbranche gibt es im Vergleich zu anderen Gewerken relativ wenig Lehrlinge, deshalb appelliert Willfort an die Unternehmen: „Geben Sie bitte Lehrlingen eine Chance, denn sie sind die Fachkräfte von morgen! Zumal es hier die Möglichkeit gibt, zwischen verschiedenen Ausbildungen im Berufsbild ReinigungstechnikerIn zu wählen.“ Und zum Thema Effizienz: „Hier spielt auch die technische Weiterentwicklung eine große Rolle. Innovation schafft man nur, wenn man entsprechendes Fachwissen kontinuierlich aufbaut. Wissen und Qualifizierung gehen Hand in Hand. Auch hier unser Appell, entsprechende Weiterbildungen für Ihre MitarbeiterInnen anzudenken. Die passende AMS-Dienstleistung hierfür ist die Qualifizierungsförderung für Beschäftigte“, so Willfort.
Social Media
Auch Social Media Plattformen bieten kreative Möglichkeiten, potenzielle BewerberInnen für offene Stellen zu finden, sich als Arbeitgeber vorzustellen und nicht zuletzt, um eigene Produkte und Dienstleistungen zu präsentieren. „Wichtig zu berücksichtigen ist, dass sich Jobsuchende schon längst nicht mehr nur die Gehaltsangaben anschauen, sondern alles, was mit einem ausschreibenden Unternehmen zu tun hat. Den langfristigen Erfolg innerhalb der digitalen Welt baut man somit mit viel Liebe zum Detail auf“, sagt Digitalexpertin Cosima Serban.
Mix aus klassisch und digital
Das Übliche bei der Personalsuche ist aber nach wie vor ein Bündel von Maßnahmen. Karin Baumgardinger, Attensam: „Wir setzen beim Recruiting auf einen Mix aus klassischen und digitalen Kanälen. So kann man sich auf unserer Website einfach über freie Jobs informieren und mit wenigen Klicks gleich bewerben. Außerdem haben wir ein österreichweites Recruiting-Netzwerk aufgebaut, um möglichst nahe an den BewerberInnen zu sein – dabei unterstützt uns ein einheitliches Managementtool. Zusätzlich haben wir eine Employer Branding-Kampagne implementiert, mit der wir auf kreative Weise zeigen, welche vielfältigen Jobmöglichkeiten es bei uns gibt.“
Auch bei Vebego Österreich (vormals Hectas) besteht das Thema Personal-Findung aus einem Bündel an Maßnahmen. „Es beginnt beim bestehenden Personal und beim Umgang mit diesem. Je geringer die Fluktuation, je zufriedener das bestehende Personal ist, desto weniger neues Personal ist notwendig“, sagt Geschäftsführer Thomas Schiefer. „Die Darstellung des Unternehmens in den sozialen Netzwerken und Auszeichnungen wie ,Great Place to Work’ oder ,Top Arbeitgeber’, mit der Vebego vergangenes Jahr ausgezeichnet wurde, schaffen Vertrauen ins Unternehmen.“
Bewerbungen rasch bearbeiten!
Dazu gehöre aber auch, dass Bewerbungen rasch bearbeitet werden, die BewerberInnen Feedback erfahren und ein professioneller Umgang nach festgelegten, digitalisierten Prozessen bei der Aufnahme“, betont Thomas Schiefer. „Auch die nachfolgende, ebenfalls digitalisierte Einschulung, entsprechende Arbeitskleidung, Ausrüstung, Maschinen und Geräte gehören dazu.“ Man versuche auch, aktiv – gemeinsam mit den Kunden – Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, die den ReinigungsmitarbeiterInnen entgegenkämen.
„Inserate in Printmedien und das AMS haben für uns bei der Personalfindung an Bedeutung verloren, Inserate in digitalen Medien und die Einschaltung von Agenturen, die gezielt in sozialen Netzwerken nach Personal suchen, dagegen gewonnen“, so Schiefer. „Die besten MitarbeiterInnen finden wir aber immer noch über Mund-zu-Mund-Propaganda und Empfehlungen durch unser bestehendes Personal.“
Apropos „Bewerbungen rasch bearbeiten“: Auch Christine Sasse, Vorstand Human Resources / Organisation der Dr. Sasse Gruppe, weist darauf hin, wie wichtig die Schnelligkeit der Kommunikation in diesem Zusammenhang ist: „Erstkontakt am besten noch am gleichen Tag, und dann den Prozess innerhalb weniger Tage durchziehen.“
Ethnogerecht Personal rekrutieren
Dazu ein Gespräch mit Oguzhan Köse, Geschäftsführer und Gründer der Management- und Strategieberatung OK CONSULT, einer Kommunikation- und Beratungsagentur spezialisiert auf Ethnomarketing und Ethno-Personalrecruiting.
Was für Dienstleistung bieten Sie speziell für die Reinigungsbranche?
Oguzhan Köse: Sehr viele Reinigungsunternehmen haben teilweise 80 bis 100 Prozent MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund. Hier haben wir zwei Herausforderungen. Zum einen, man findet die MitarbeiterInnen nicht, und wenn, kann man sie nicht an das Unternehmen binden. Deshalb hat die Reinigungsbranche bei den MitarbeiterInnen meines Wissens über 60 Prozent Fluktuation. Eine große Herausforderung ist hier die Bezahlung. Bei sehr vielen großen Unternehmen und Konzernen sieht man, dass sie sehr viel an Mitteln und Ressourcen haben, aber an ethnischen HR-Kampagnen wird kaum etwas oder gar nichts gemacht.
Wir beobachten aber, dass die Fluktuation vielfach dadurch entsteht, dass ein Reinigungsunternehmen einen Kunden verliert und daher Mitarbeiter freisetzt. Und diese „wandern“ dann zu dem neuen Auftraggeber über. Ist das also nicht eher eine theoretische Fluktuation?
Oguzhan Köse: Wenn eine Reinigungskraft bei einem Grundstundenlohn von 9,71 Euro und 25 – 30 Arbeitsstunden von einer Konkurrenzfirma 50 Euro mehr und einen Vollzeitjob bekommt, ist sie schnell weg. Eine der großen Herausforderungen in der Reinigungsbranche ist eben auch, dass sehr viele MitarbeiterInnen Teilzeit arbeiten. Und das nächste ist, dass die Dienstzeiten nicht flexibel sind. Ein/e Mitarbeiter/in mit Kindern, die/der von 6 bis 9 Uhr ein Büro reinigen muss und am Abend von 18 bis 22 Uhr wieder hingehen muss, möchte das nicht lange machen.
Auch vor der Pandemie gab es schon Personalmangel auf der mittleren Managementebene bzw. vom Objektleiter aufwärts. Nach der Pandemie gab es dieses Problem dann auch bei den Servicekräften. Wie kann dieses Problem Ihrer Meinung nach gemildert werden? Was kann Ihre Dienstleistung dazu beitragen?
Oguzhan Köse: Ich begleite die Unternehmen dabei, ihr Produkt, ihre Stellenanzeigen, ihre Botschaft dort zu platzieren, wo es die Zielgruppe auch wahrnimmt. Es ist nicht so, dass ich mit Ethnomarketing alle diese Probleme lösen kann, aber in Regionen wie Wien, wo sehr viele MigrantInnen wohnen, muss ich die Botschaft dort anbringen, wo ich diese Community auch erreiche. Man kann da nicht über die bekannten Karriere-Plattformen gehen, die alle ihre gute Berechtigung haben, aber die Ethno-Zielgruppe kann ich damit nicht erreichen. Und ich muss auch die Stellenanzeigen ethnogerecht anpassen, sie dürfen nicht zu komplex formuliert sein. Das könnte, wie ich die Erfahrung mache, in vielen Fällen einfacher gehen. Bei einer Ethno-Personalrecruiting-Kampagne müssen wir im Recruiting-Prozess in der Ansprache und der Medienauswahl teilweise auch 20 Jahre zurückdenken, sprich: klassische Instrumente wie Printmedien, Flyer, Inserate, also Marketing-Konzepte wie vor 20 Jahren anwenden. Da muss ich genau überlegen: Wo ist meine Zielgruppe wirklich am stärksten vertreten? Sind sie in einem interkulturellen Verein, gibt es einen Familientreffpunkt, einen sozialen Treffpunkt, wo sie am Wochenende sind? Man muss hier als Unternehmen viel gezielter vorgehen, auch das Bildungsniveau der potentiellen MitarbeiterInnen berücksichtigend. Es gibt in der Reinigung sehr viele ältere Mitarbeiter, die keine Mail-Adresse haben und vielleicht erst seit Kurzem ein Smartphone besitzen – von denen kann man nicht erwarten, dass sie auf hochmodernen, komplexen Plattformen die Bewerbungsunterlagen hochladen und den Bewerbungsprozess Schritt für Schritt online durchgehen. Die Zielgruppe der Reinigungskräfte erreicht man damit eher nicht.
Sie begleiten Unternehmen also dabei, über welche Medien ihre Zielgruppe anzusprechen ist?
Oguzhan Köse: Nicht nur Medien, auch der kulturelle Lebensbereich dieser Menschen. Am interkulturellen Kalender sind alle relevanten Religionen und Communities vertreten, dementsprechend gilt es, die kulturellen Besonderheiten und Bedürfnisse dieser Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Man kann nicht erwarten, dass ein Unternehmen für jede ethnische Community eine eigene kulturelle Feier macht, aber man kann mit Kleinigkeiten speziell auf eine Ethnie oder Community eingehen. Zum Beispiel den orthodoxen oder muslimischen Mitarbeitern zu deren Feiertagen – auch in deren Sprache – Glückwünsche ausdrücken, so wie man den christlichen Kunden oder Lieferanten Frohe Weihnachten und Frohe Ostern wünscht. Das wird als Wertschätzung wahrgenommen, was nicht nur für die Mitarbeiterbindung wichtig ist, sondern sich auch auf potentielle Bewerber auswirkt. Beispiel BKS-Community (Bosnien, Kroatien, Serbien) und die türkische Community: Wenn man da eine Person für sich gewonnen hat, hat man die ganze Familie gewonnen.
Thema Sprache: Die österreichische Innung hat eine Sprach-App entwickelt, beklagt aber, dass diese App kaum verwendet wird. Es ist aber sehr schwierig, Leute in den Arbeitsmarkt zu integrieren, die unsere Sprache nicht können. Andererseits – wenn Sie die unterschiedlichen Ethnien in deren Sprache ansprechen – ist das die Lösung?
Oguzhan Köse: Ich weiß von dieser Sprach-App, die auch sehr wichtig ist, aber meine Wahrnehmung ist, dass in einer zum Teil bildungsfernen Community, wo man kein Deutsch kann, selbst die eigene Muttersprache oft nur auf einem Niveau für den familiären Alltag ist. Manche mischen in ihre Muttersprache auch schon deutsche Wörter, von denen sie nicht wissen, was sie in ihrer Muttersprache bedeuten. Es gibt auch Studien vom Bundeskanzleramt und dem Integrationsfonds darüber, welche Medien die MigrantInnen in Österreich nutzen. Die österreichischen Medien werden von denen kaum wahrgenommen, sondern hauptsächlich die in Österreich vertretenen ethnischen Medien. Große Unternehmen haben das Sprachproblem bei der Aufnahme von potentiellen ReinigungsmitarbeiterInnen so gelöst, dass sie den Reinigungsprozess mit Piktogrammen erklärt haben – und zunächst mal mit den „100“ Wörtern, die man für die Reinigung braucht.
Werden hier nicht auch Parallelwelten perpetuiert?
Oguzhan Köse: Mir geht es für meine Klienten weniger darum, dass sie die potentiellen BewerberInnen sprachlich erreichen können – außer wenn es der Auftraggeber ausdrücklich so haben will –, sondern vielmehr darum, die Stellenausschreibungen „ethnogerecht“ anzupassen, keine komplexen Begriffe zu verwenden usw.
Ihren Aufgabenbereich kann man also segmentieren in die Bereiche Ethno-Personalrecruiting und Mitarbeiter-Bindung. Gibt es noch weitere Bereiche?
Oguzhan Köse: Ja, ich bin auch Mediator. Sehr viele große Unternehmen haben Coaches, Mediatoren, doch wie ist es in der Reinigungsbranche, wo bis zu 80 bis 100 Prozent MigrantInnen arbeiten? Gerade in Unternehmen gelingt es nicht immer, interkulturelle Begegnungen konfliktfrei zu gestalten. Häufig kommt es zu Missverständnissen, für die keine der beiden Parteien Schuld trägt. Interkulturelle Mediation kann helfen, Konflikte in Unternehmen zu bewältigen, in denen ArbeitnehmerInnen unterschiedlicher Herkunft zusammenarbeiten. Oft mangelt es bei beiden Konfliktparteien an gegenseitigem Verständnis, weil kulturelle Unterschiede nicht aufgeklärt wurden.
Buchtipp: Fachkräfte finden mit Ethno-Personalmarketing
Inwiefern hängen der Fachkräftemangel und Migration zusammen? Trotz steigender Bevölkerungszahl herrscht akuter Personalmangel in österreichischen Unternehmen; gleichzeitig gibt es eine überproportional hohe Arbeitslosigkeit unter MigrantInnen. Immer mehr Berufe werden auf die Mangelberufsliste des AMS gesetzt und Unternehmen finden keinen Ersatz für ausscheidende MitarbeiterInnen. Einer der Schlüssel, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist erfolgreiches Ethno-Personalmarketing, sprich: Recruiting und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Unternehmen. Denn klassische Lösungen würden in der Regel an dieser Zielgruppe vorbei gehen, sagt Unternehmensberater Oguzhan Köse und gibt in seinem Buch „Fachkräfte finden mit Ethno-Personalmarketing“ Denkanstöße und Lösungsansätze, „um Fachkräfte der ethnischen Community zu erreichen, zu begeistern und zu binden.“
„Kreative Möglichkeiten“
Wie die Unternehmen die Social Media Kanäle zur Personal-Findung nutzen können
Von Digitalexpertin Cosima Serban
Social Media Plattformen bieten eine Vielzahl von kreativen Möglichkeiten, um potenzielle Bewerber*innen für offene Stellen zu finden, sich als Arbeitgeber vorzustellen und nicht zuletzt, um eigene Produkte und Dienstleistungen zu präsentieren. Wichtig zu berücksichtigen ist, dass sich Jobsuchende schon längst nicht mehr nur die Gehaltsangaben anschauen, sondern alles, was mit einem ausschreibenden Unternehmen zu tun hat. Den langfristigen Erfolg innerhalb der digitalen Welt baut man somit mit viel Liebe zum Detail auf.
LinkedIn, als professionelles Netzwerk, eignet sich für Aktivitäten, die die Arbeitgebermarkenbildung unterstützen und ist ein großartiges Tool für die Suche nach Talenten. Die Targeting Möglichkeiten bei LinkedIn sind sehr vielfältig. Abseits von Interessen, soziodemografischen Merkmalen oder Ausbildungsgrad, kann man Anzeigen für Stellenausschreibungen, Produkte und Dienstleistungen auch basierend auf konkreten Berufserfahrungen, Fähigkeiten, Position, Titel und Beschäftigung in bestimmten Unternehmen ausspielen. Werbetreibende haben somit, durch die hohe Datengenauigkeit, viel Kontrolle innerhalb jeder Werbeausspielung. Bei LinkedIn trägt meistens jede Person ehrlich und transparent, alle Berufserfahrungen ein. So sind die Daten, die unter anderem als Targeting Optionen von der Plattform berücksichtigt werden, sehr genau. Innerhalb z.B. der Facebook Welt tragen viele Nutzer*innen heutzutage gar keine Berufserfahrung mehr ein. Im z.B. Instagram, TikTok oder YouTube Umfeld hätten sie ohnehin keine direkte Möglichkeit dafür. So stellt LinkedIn für die Business Welt eine sehr gute Option dar.
Die Unternehmen, die LinkedIn als gute Werbeplattform für die eigenen Ziele entdeckt haben, sollten sich auch mit dem inhaltlichen Bereich beschäftigen. Es reicht in den meisten Fällen nicht nur Anzeigen mit präzisen Targeting Optionen auszuspielen. Es braucht immer auch eine gut durchdachte Präsenz im organischen Newsfeed Bereich. Ich empfehle jedem Unternehmen, einen sinnvollen Content-Plan, mit hohem Storytelling Potenzial für die eigene LinkedIn Unternehmensseite aufzubauen. Dabei definiert man eine passende Positionierung und eine sinnvolle Übersetzung der eigenen Unternehmenswerte und -versprechen, in kreativen Formatvariationen.
Social Media lebt somit von Inhalten mit Mehrwert, nicht nur von performanten Anzeigen. So sollte man sich als Unternehmen ein paar sinnvolle Content-Linien überlegen, die zum eigenen Storytelling Stil passen. Bewerber*innen wollen sich oft mit einem Unternehmen auch identifizieren können, nicht nur einen Job finden. Um eine Verbundenheit mit dem eigenen Unternehmen, mit den Werten, Zielen und der Unternehmenskultur zu ermöglichen, muss man diese richtig in Szene setzen. So steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Leute, die sich letztendlich bewerben, die Arbeitsmotivation und Begeisterung, den Enthusiasmus für den Tätigkeitsbereich und dem Unternehmen, die Leistungsbereitschaft und Einsatzfreude mitbringen, die man sucht.
Potenzielle und oft auch bestehende Mitarbeiter*innen interessieren sich nicht nur für die kommerzielle, inszenierte Hochglanzwelt, sondern wollen auch wissen, wer im Unternehmen aktuell arbeitet, wie ein Produkt hergestellt wird, wie eine Dienstleistung funktioniert, welche Lösungen für welche Herausforderungen entwickelt werden, was mal schiefgelaufen ist und wie das Unternehmen damit umgegangen ist. Die authentischen, ehrlichen Geschichten aus dem Unternehmensalltag können Vertrauen aufbauen.
Offene Stellenausschreibungen können als zusätzliche Kategorie, auch im organischen Bereich, somit bereits, bevor man Werbemaßnahmen einplant, über die LinkedIn Seite, wie auch über die Facebook Seite eines Unternehmens veröffentlicht werden. Im Recruiting Bereich kann man somit sowohl mit organischen Postings als auch mit bezahlten Anzeigen arbeiten.
Xing, als DACH-Alternative zum globalen LinkedIn, kann für bestimmte Branchen auch gut funktionieren. Es gibt hier jedoch nicht so viele Werbemöglichkeiten, die man Performance-orientiert für Business Zwecke einsetzen kann. Wer auf der Suche spezifisch nach Freelancer ist, kann die Schwester-Plattform Hallo Freelancer von Xing in Erwägung ziehen. Außerdem ist die Plattform kununu, die auch zu Xing gehört, (wie auch andere Arbeitgeberbewertungsplattformen, wie z.B. Glassdoor), eine sehr wichtige für Arbeitergeber*innen. Hier können Mitarbeiter*innen und Bewerber*innen Unternehmen bewerten. So sollte man Feedback, Lob und Kritik im Auge behalten und moderieren. Dasselbe gilt auch für die Google Bewertungen, die unter anderem auch von Kund*innen und Partnerunternehmen eingetragen werden können.
Die Meta Welt bietet im Vergleich z.B. zu LinkedIn günstigere Werbeschaltungen, wenn man sich die Kosten pro Ergebnis im Durchschnitt anschaut. Jedoch ist die Präzision der Targeting Optionen geringer, abhängig von der Richtigkeit der von Nutzer*innen eingetragenen Daten. Facebook hat einen stärkeren Lifestyle und Entertainment Charakter und keine hundertprozentige direkte Verbindung mit der Business Welt. Somit sind im Allgemeinen, wie auch im Instagram Umfeld, die veröffentlichten und konsumierten Inhalte, eher solche, die der Entspannung und Belustigung dienen. Das schließt jedoch die Inhalte nicht aus, die informieren und aufklären. Es ist nur schwieriger für bestimmte Unternehmen und Branchen, im Voraus bestimmte Ergebnisse für den Business oder Recruiting Bereich zu prognostizieren oder Erwartungshaltungen zu definieren. Lifestyle Plattformen setzen mehr Geduld voraus und brauchen mehr Tests, Experimente und Zeit.
Auch innerhalb der Facebook Welt ist es empfehlenswert (und für Werbeschaltungen eine Voraussetzung), wenn diese Plattform für die eigenen Ziele und Zielgruppen sinnvoll ist, eine eigene Seite aufzubauen, die das Unternehmen vorstellt und mit jedem Posting, neue Einblicke im Unternehmensalltag ermöglicht. Das eine Thema sollte das andere jedoch nicht unbedingt ausschließen. Marken können auch über die eigenen Produktlinien, Dienstleistungspakete und Angebote sprechen und im Content-Plan bestimmte Tage definieren, an denen Mitarbeiter*innen vorgestellt werden und über offene Stellenausschreibungen informiert wird.
Über die eigene Facebook Seite können organisch somit auch Stellenausschreibungen kommuniziert werden. Jedoch sollte man versuchen mit der Kommunikation kreativ umzugehen. Ein kurzes Vorstellungsvideo könnte für mehr Aufmerksamkeit und Begeisterung sorgen. So kann man das Unternehmen, die Teams und die ausgeschriebene Stelle attraktiv kommunizieren. Wenn die Produktion zu kurzfristig sein sollte, kann man mindestens ein gutes Teamfoto einsetzen. Die wichtigsten Details gehören in einem Posting oder Anzeige zur Stellenausschreibung, jedoch kann die Langtextversion auf der Unternehmenswebsite veröffentlicht werden. So dient ein Posting oder eine Anzeige zu einer Stellenausschreibung als Teaser und nach dem Klick, können die Nutzer*innen mehr dazu auf der Website entdecken. Dabei sollte die Website nutzerfreundlich konzipiert sein, optimal über alle Geräte- und Browsertypen hinweg funktionieren, somit responsive aufgebaut sein und eine einfache Navigation ermöglichen.
Es gibt außerdem viele nischige und spezifische Facebook Gruppen, die sich unter anderem auch mit Stellenausschreibungen beschäftigen. Es gibt solche, die für alle offen zugänglich sind und solche, die eine Einladung oder Bestätigung durch den Administrator der jeweiligen Gruppe voraussetzen. Diese kann man über die Suchfunktion auf Facebook recherchieren. Für jede Branche gibt es mindestens ein paar spannende Gruppen, die Unternehmen nutzen können, um nach Kandidat*innen zu suchen.
Instagram kann dabei helfen, auf die Kultur und die Arbeitsumgebung des Unternehmens aufmerksam zu machen. Bilder und Videos von Arbeitsplätzen, Mitarbeiter*innen und Veranstaltungen helfen potenziellen Bewerber*innen hinter die Kulissen zu blicken. Karrieretipps und Beschreibungen zum Bewerbungsprozess können dabei helfen, Missverständnisse zu reduzieren, die die Effizienz langfristig signifikant erhöhen. Um gut indexiert und auffindbar zu sein, sollte man sich Hashtags und Alt Texte überlegen, die zum Thema, im speziellen Fall, zur Stellenausschreibung passen. Für die Reichweitenmaximierung könnte Twitter eine weitere passende Plattform darstellen, die dieselbe Hashtag-basierte Indexierungssystematik berücksichtigt.
Durch die Struktur und den Charakter der Plattformen, eignen sich Facebook, Instagram und TikTok eher für Lehrlingskampagnen, Praktika und Junior Positionen. Wenn ein Unternehmen nach mehr Erfahrung, genau definierten Fähigkeiten oder Berufserfahrung in bestimmten Branchen oder Unternehmen sucht, könnten LinkedIn oder Xing bessere Optionen für die eigenen Recruiting Zwecke darstellen. Employer Branding und Marketing im Allgemeinen können über alle Social Media Plattformen hinweg optimal funktionieren, nur die Art der Kommunikation ist jeweils eine andere. Jede Maßnahme und Aktivität wird Datenpunkte und Erkenntnisse generieren. Wenn man diese wahrnimmt, analysiert und das neue Wissen für zukünftige Entscheidungen einsetzt, kann man langfristig als Unternehmen nur besser und erfolgreicher werden.
Jede eigene Social Media Präsenz kann als unendliche Geschichte betrachtet werden, die in Episoden, aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird, passend zur jeweiligen Plattform, ihrer Nutzerschaft und spezifischen Nutzungssituationen. Das baut internen und externen Enthusiasmus und Vertrauen auf, denn die aktuellen Mitarbeiter*innen fühlen sich wertgeschätzt und die potenziellen Bewerber*innen merken, dass das Unternehmen die eigenen Teams würdigt und jeder Person, ihrer Expertise und ihrem Talent eine Bühne bietet.