nachfolge

Wer will mich?

Firmenübergaben sind sehr komplexe Prozesse. Vor allem bei Klein- und Mittelbetrieben (KMU) speziell auch in der Facility- und Reinigungsbranche – oft noch in Familienhand – können die Abläufe auch emotional werden. Professionelle Beratung hilft in solchen kniffligen Situationen.

Text: Erika Hofbauer

Vererben, verkaufen, stilllegen oder einen externen Geschäftsführer einsetzen? Jede Variante hat etwas für sich, wie M&A-Profis (Mergers&Acquisitions) meinen. „Die Unternehmensnachfolge zu planen, ist ein sehr komplexes Projekt und sollte rechtzeitig, also mindestens fünf Jahre vor dem geplanten Pensionsantritt oder Verkaufszeitpunkt, begonnen und geplant werden“, meint etwa Alexander Ilg, Geschäftsführer des Consulting-Unternehmens Firmentransfer. Zusätzlich würden die meisten Unternehmer mit viel Herzblut an ihrem Lebenswerk hängen und würden es am liebsten behalten, so Ilg. Diesem Wunsch komme die Weitergabe in der Familie am nächsten. Jedoch hätte viele Kinder andere Berufsziele. Ein weiterer Nachteil dieser Variante sei, dass viele Unternehmer nicht loslassen könnten: „Am Papier gehört der Betrieb den Kindern, aber der Vater mischt sich eventuell bei allen Entscheidungen ein, wodurch dann möglicherweise Streitigkeiten entstehen.“ Seiner Erfahrung nach werden nur 30 Prozent der Betriebe in der Familie weitergegeben, Tendenz fallend. 

Intention des Eigentümers

Zu einer ähnlichen Ersteinschätzung kommt auch Roman Pongracz, Associate Partner bei der Consultingfirma Advicum: „Im KMU-Segment sind die Eigentümer in der Regel auch die operativ Verantwortlichen, also jene Personen, die voll im Tagesgeschäft aktiv sind, jene, die die Kunden persönlich betreuen, die Aufträge generieren, sich um die Abwicklung kümmern und sozusagen in allen Bereichen an vorderster Front stehen. Daher kommt es zunächst darauf an, welche Intention der Eigentümer verfolgt: Gibt es eine klare innerfamiliäre Nachfolge? Selbst wenn ja, gibt es eine große Breite an Themen und Herausforderungen, wobei die meisten auf persönlicher Ebene geklärt werden können.“ Eine externe Geschäftsführung könne in solchen Situationen eine vorübergehende Variante – also eine Übergangslösung – sein. Gerade im Bereich FM, Reinigung oder verwandte Dienstleistungen sei das Thema Personal und damit Mitarbeiterführung ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Hier gelte es, Qualität, Perspektive, Zufriedenheit und Sicherheit zu bieten. Stilllegung oder kontrollierter Liquidation würden als Optionen daher ausscheiden, so Pongracz.

Die meisten Unternehmer würden ihr Lebenswerk am liebsten behalten. Diesem Wunsch kommt die Weitergabe in der Familie am nächsten.

Roman Pongracz,
Associate Partner Advicum Consulting

Zum Thema Unternehmensverkauf hat auch Firmentransfer-Berater Ilg eine kritische Ansicht: „Der Verkauf an einen leitenden Mitarbeiter des eigenen Unternehmens scheitert oft an der Finanzierung des Kaufpreises. Und ein sehr guter Assistent oder Objektleiter hat oft nicht die Skills zu einem echten Unternehmer.“ Damit sei man bei der häufigsten Variante der Weitergabe angekommen: Dem Verkauf an einen Mitbewerber oder an einen Betrieb, der in die Reinigung einsteigen möchte. Pongracz: „Der Vorteil für den Verkäufer ist ein echter Abschluss mit der Selbständigkeit, ein höherer Verkaufserlös und damit eine Absicherung der Wünsche für die Pension.“ Allerdings ortet er anderswo neue Problematiken: „Damit es nicht zu Verkaufsgerüchten in der Branche kommt, sollte ein unabhängiger Berater mit der Transaktion beauftragt werden. Dieser garantiert die diskrete und schnelle Abwicklung.“ Das übliche Honorar von drei bis fünf Prozent des Verkaufspreises werde durch den um durchschnittlich 22 Prozent höheren Verkaufspreis mehr als wettgemacht, ist der Berater sicher. Denn: Viele Unternehmer würden den Wert ihres Unternehmens unterschätzen, besonders, wenn die Reinigungsfirma an einen Geschäftsfreund verkauft werde. „Eine Stilllegung des Betriebes findet sehr selten statt“, meint auch der Firmentransfer-Experte, denn: „Dieser ist meist mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden, weil die Mitarbeiter und die laufenden Kunden-Aufträge gekündigt werden müssten. Alternativ könnten die Aufträge an einen Mitbewerber verkauft werden“. Eine externe Geschäftsführung rechne sich laut Ilg nur bei Unternehmen von über fünf Millionen Euro Umsatz, zusätzlich sei es heutzutage sehr schwer, einen guten, erfahrenen und ehrlichen Geschäftsführer zu finden.

Option Nachfolgebörse

Plattformen oder sogenannten Nachfolgebörsen kann Advicum-Consulter Roman Pongracz eher wenig abgewinnen: „Diese werden kaum die persönliche und maßgeschneiderte Beratungsleistung erbringen können. Schon gar nicht bieten diese eine laufende Begleitung über den gesamten Prozess. Entscheidend ist Professionalität und vor allem Vertraulichkeit.“ Oft werde in erster Linie an den Steuerberater gedacht: „Dieser kennt zwar das Unternehmen, die persönlichen Verhältnisse des Eigentümers und ist bestrebt, die Steuerlast zu optimieren, er hat aber oft wenig bis keine Erfahrung in der Suche nach passenden Lösungen und verfügt nicht über ein entsprechendes Netzwerk, um potentielle Investoren anzusprechen.“ 

Richtiger Zeitpunkt

Alexander Ilg, Firmentransfer FBI GmbH

Der Zeitfaktor ist ein wesentlicher Punkt in der Unternehmensnachfolge-Thematik, sind sich die Experten einig. „Je nach Größe des Reinigungsunternehmens sollte der Unternehmer schon mindestens fünf Jahre vor der Übergabe das Gespräch mit einem Berater führen“, ist Firmentransfer-Chef Alexander Ilg überzeugt. „Hier sollten die Bilanzen geprüft werden, um eventuelle Bilanzbereinigungen schon mindestens drei Jahre vor dem Verkauf durchführen zu können, damit es nicht vor einem Verkauf zu Aus- oder Umbuchungen kommt, die dann den Verkaufserlös reduzieren. Weitere Fragen sind: Wie ist das Unternehmen in der Führung organisiert und gibt es ungenutztes Verbesserungspotential?“ Ein derartiger Schnell-Check, so Ilg, dauere lediglich ein bis zwei Stunden und könne so den Verkaufserlös später um bis zu 30 Prozent steigern. „Der Verkaufsprozess dauert bei Reinigungsunternehmen meistens zwischen sechs und 24 Monate, damit ein passender Käufer gefunden und die Steuerberater und Rechtsanwälte den Kaufvertrag gestalten können“, erklärt Ilg weiter. Zusätzlich bedürfe die Übergabe der Kunden und Mitarbeiter sowie eine eventuelle Einschulung durch den Verkäufer noch weitere sechs Monate. Sein Tipp: „Warten Sie nicht bis zum letzten Moment, sondern führen Sie rechtzeitig ein unverbindliches Gespräch mit einem Berater.“

Advicum-Experte Roman Pongracz meint, dass es aus theoretischer Sicht wahrscheinlich schon den richtigen Zeitpunkt für eine Übergabe gebe, aber in der Praxis kaum: „Wieso an eine Abgabe denken, wenn das Geschäft gerade gut läuft? Und umgekehrt – wieso sollte man verkaufen, wenn die Umstände gerade schwierig sind, wenn die finanzielle Lage herausfordernd ist und man alle Hände voll zu tun hat? Wahrscheinlich würde man jetzt unter dem Wert verkaufen“, berichtet Pongracz von Überlegungen der Klienten aus dem Alltag. 

Richtige Bewertungskriterien

Umsatz, Mitarbeiteranzahl, Kundenstock, aber auch Fuhrpark oder Liegenschaften – welche Kriterien sind bei einer Beurteilung des „Firmenwertes“ bedeutsam? „Die Preisfindung bzw. der Firmenwert sollte so gestaltet sein, dass der Kaufpreis planmäßig in vier bis fünf Jahren mit den Erträgen zurückgezahlt werden kann“, erläutert Firmentransfer-Profi Ilg. Die Firmenwert-Berechnung, so Ilg, hänge von verschiedenen Faktoren ab: Vom EBIT (übersetzt etwa Gewinn vor Zinsen und Steuern), EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte), Cashflow (Differenz zwischen Ein- und Auszahlungen aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit), Umsatz, Art der Aufträge, Fuhrpark, Liegenschaften, Organigramm, Alter der leitenden Mitarbeiter, Verfügbarkeit des Verkäufers nach der Übergabe, Zeit bis zum Übergabetermin – und natürlich deren Gewichtung. Ilg: „Um die einzelnen Kriterien richtig zu bewerten, bedarf es viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen. Eine realistische Unternehmensbewertung schafft für beide Seiten eine solide Basis und ist damit der Grundstein für eine erfolgreiche Nachfolge oder Übernahme.“ Er empfehle auch, den Verkaufsprozess so lange wie möglich  geheim zu halten, um Unsicherheit bei Mitarbeitern und Kunden zu vermeiden: „Die Gebäudereinigung ist die Branche mit der größten Fluktuation und der besten Vernetzung der Mitarbeiter in den verschiedenen Communities. Dadurch könnte sich ein geplanter Verkauf sehr schnell herumsprechen und die Gefahr steigt, dass Mitarbeiter abgeworben und Aufträge nicht verlängert werden. Auch ist es dann fast unmöglich, Neuaufträge zu bekommen.“

Gerade in eigentümergeführten Familienunternehmen ist darauf zu achten, ob und welche Personen Einkünfte aus der Firma bezogen haben und ob diese jeweils einem Drittvergleich standhalten.

Wert des Unternehmens

Was ist ein Unternehmen wert? Advicum-Berater Roman Pongracz: „Dazu werden dicke Bücher geschrieben, es werden Gutachten verfasst und es wird viel spekuliert. Im Endeffekt ist ein Unternehmen so viel wert, wie ein Dritter bereit ist dafür zu bezahlen. Was allerdings nicht ganz stimmt, weil es lauten müsste: Wie ein Dritter bezahlt. Denn oft sind Appetit und Worte groß, aber wenn es dann darauf ankommt, kommen allerlei Argumentationen, wieso man gerade jetzt die erforderliche Finanzierung eben leider doch nicht darstellen kann.“ Aus externer Sicht könne man aber realistische Bandbreiten des Unternehmenswertes ganz gut einschätzen, betont Pongracz: „Dafür braucht es gute und solide Daten der letzten Jahre und eine plausible Planung der zukünftigen Entwicklung, am besten in mehreren Szenarien.“ Gerade im Bereich Reinigung & FM sei es wichtig, sich die Kundenstrukturen, vor allem die Laufzeit der Verträge, und die Entwicklungsperspektiven für zusätzliche Leistungen anzusehen: „Oft übersehen werden Korrekturpositionen für außerordentliche Ereignisse, vor allem ergebnisbelastende Faktoren wie z.B. Zahlungsausfälle oder Schadensfälle. Gerade in eigentümergeführten Familienunternehmen ist darauf zu achten, ob und welche Personen Einkünfte aus der Firma bezogen haben und ob diese jeweils einem Drittvergleich standhalten. Auf der Basis von entsprechend angepassten Zahlenwerten können dann unter Nutzung unterschiedlicher Ansätze jene Bewertungsbandbreiten ermittelt werden, die aus externer Sicht gut argumentierbar sind.“


Hilfe bei Firmennachfolge-Planungen

Die Leistungspalette der spezialisierten Beratungsfirmen ist umfangreich. Alexander Ilg von Firmentransfer: „Unsere Dienstleistung beginnt mit der 

  • Durchsicht aller relevanten Unterlagen des Unternehmens, 
  • der Festlegung des Verkaufspreises mit dem Verkäufer,
  • der Erstellung der Präsentationsunterlagen, 
  • der anonymisierten und diskreten Bewerbung des Verkaufsobjektes, 
  • der Auswahl und Bonitätsprüfung der möglichen Käufer,
  • der Begleitung des Kennenlernens des Verkäufers und Käufers, 
  • der Erstellung des so genannten Letter of Intent oder des Kaufangebotes, 
  • der Due Diligence (Prüfung des zu kaufenden Unternehmens auf eventuell zu erwartende Probleme, ob alle Angaben des Verkäufers der Wahrheit entsprechen usw.) und 
  • der Verkaufsverhandlung.“ 

Ein Geschäft müsse für beide Seiten fair sein, so Ilg: „Ich sehe daher meine Tätigkeit als Mediator, um für Verkäufer und Käufer das beste Ergebnis zu erzielen und eine positive Zusammenarbeit nach der Transaktion sicherzustellen.“ 

Roman Pongracz, Associate Partner bei der Consultingfirma Advicum, begleitet „mit breitem Know-how in allen immobiliennahen Dienstleistungen Eigentümer durch alle Themen, die sich im Zusammenhang mit einer Änderung der Eigentümerstruktur ergeben.“ Ausgehend von der Diskussion der grundsätzlichen Alternativen über die Frage der realisierbaren Bewertung bis zum Führen des gesamten Prozesses begleite man inhaltlich und auch dann, wenn Verhandlungen vorzubereiten oder intern Entscheidungen zu treffen sind. Pongracz: „Unsere Kunden sind sowohl KMU als auch größere Unternehmen. KMU suchen in der Regel nach einem optimalen Modell, um sich zurückzuziehen, ihr Risikoprofil zu verändern oder den aufgebauten Wert zu realisieren. Größere Unternehmen haben eher den Fokus auf der Suche nach spannenden Ergänzungen ihres Dienstleistungsportfolios.“

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