Die Digitalisierung werde die Gebäudedienstleistung nachhaltig verändern, sind Branchenvertreter überzeugt. Und eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten eröffnen.
Text hansjörg preims
Digitalisierung ist in aller Munde. Viele Wirtschaftszweige scheinen ohne „4.0“-Anspruch keine Zukunft mehr zu haben. Eine genaue Definition der Bezeichnung „4.0“ gibt es freilich nicht, geschweige denn eine einheitliche. Für die einen ist es nach Elektronik und IT der nächste, vierte Schritt in der industriellen Fertigung, wo Mensch, Maschine und Objekt Informationen austauschen und das Produkt seinen eigenen Fertigungsprozess steuert. Andere subsumieren darunter auch die Kommunikation zwischen Maschinen, Stichwort „Internet der Dinge“, oder generell die Digitalisierung vieler Lebens- und Arbeitsbereiche im Sinne einer Automatisierung, Flexibilisierung und Individualisierung bestehender Prozesse.
In diesem erweiterten Definitionsrahmen ist auch die Reinigungsdienstleistung in dem einen und anderen Teilbereich schon mitten drin in einer von digitalen Technologien bestimmten Veränderung. So ist man sich weitgehend einig in der Branche, dass die Robotertechnik in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen deutlichen Umbruch auch in der Reinigung bewirken wird. Zumal im Bereich der Bodenreinigung will man mit dieser Technik in relativ kurzer Zeit schon so weit sein, dass man damit einen Großteil der Reinigung von glatten und nicht zu komplizierten Böden wird abdecken können. Letztendlich mit Reinigungsrobotern, die komplett autonom fahren, die auch eine Dockingstation anfahren, um sich selbstständig zu entleeren und sich wieder mit Wasser aus der Leitung zu versorgen.
Reinigungsroboter in Lern- und Bewährungsphase
Nilfisk etwa will mit dem Launch des Horizon-Programmes, das der Entwicklung von intelligenten und vernetzten Reinigungsprodukten dient, eine führende Rolle in der Weiterentwicklung der Roboter-Technologie einnehmen. Diese Technologie werde die gesamte Branche grundlegend verändern – „wobei wir noch absolut am Anfang stehen“, sagt Martin Führer, Geschäftsführer von Nilfisk Österreich. Es werde auch hier manche Tätigkeiten nicht mehr geben, und neue Tätigkeiten würden entstehen, die ein total verändertes Fähigkeitsprofil der Mitarbeiter erforderten. Die erste Robotik-Bodenreinigungsmaschine von Nilfisk wird im Frühjahr 2017 in einigen ausgewählten Märkten eingeführt.
ADLATUS Robotics hat bereits Ende vergangenen Jahres die ersten Objekte von ausgewählten Kunden mit dem Reinigungsroboter CR 700 ausgestattet. Die Resonanz bei den Kunden sei sehr positiv, nicht zuletzt auch in der Wirtschaftlichkeit begründet, sagt Geschäftsführer Matthias Strobel.
Auch die Kunden von Cleanfix sind laut Export-Chef Felix Rüesch mit dem Reinigungsroboter RA660 Navi „voll mit dabei“ in Richtung zunehmender Reinigungsautomation. Vor allem auch die dokumentierte Prozesssicherheit in der Reinigung könne durch den Einsatz des Roboters gewährleistet werden, so Rüesch.
Reinigungsroboter würden auch die Reinigungsqualität stark verbessern, ist man bei Diversey überzeugt und lässt die autonome Scheuersaugmaschine Taski SwingoBot 1650 schon mal in einigen Objekten im Testbetrieb laufen. In Zukunft will man auch einen autonomen Sauger anbieten.
Digitales Flottenmanagement
Aber auch normale Reinigungsautomaten sind bei Diversey Care eingebunden in den digitalen Wandel, nämlich ausstattbar mit einem Nachverfolgungs- und Managementsystem (TASKI IntelliTrail, ein Teil des „Internet of Clean“) für den Maschinenpark, womit Betreibern von Maschinenflotten eine Kombination aus intelligenter Technologie, GPS-Tracking und Web-Anwendungen bereitstellt wird, um eine Kontrolle in Echtzeit sowie Analysen der Flottenleistung zu ermöglichen. Entsprechende Versuche hätten ergeben, dass Flottenmanager die Flotten-, Reinigungs- und Verwaltungskosten um bis zu 25 Prozent senken könnten, erklärt Laurent Ryssen, TASKI Global Marketing Leader bei Diversey Care. Das System überwacht zahlreiche wichtige Leistungsindikatoren, zu denen auch die geografische Position, die Gesamtbetriebsstunden, die durchschnittlichen Einsatzstunden, Unter- und Überbenutzung, die Anzahl der Unfälle und der Ladezustand der Batterien zählen. Zudem können benutzerdefinierte Alarme wie z.B. Standortänderungen oder Wartungserinnerungen definiert werden. Das Dashboard des Systems zeigt Informationen zu einzelnen Maschinen, Bedienpersonen, Kunden und Standorten und gewährleistet die Nachverfolgung innerhalb von Gebäuden selbst dann noch, wenn die Scheuersaugmaschine keinen Strom mehr hat.
Informationen immer für die richtigen Personen
Kärcher liefert für die Organisation von Maschinenparks das Telematik-System „Kärcher Fleet“. Via GPS und Mobilfunk wissen Gebäudereiniger, wo ihre Scheuersaug- und Kehrmaschinen eingesetzt werden, wann welche Leistung damit erbracht wurde und in welchem Zustand sie sich befinden. Die wichtigen Informationen erreichen immer den richtigen Personenkreis. So werden beispielsweise dem Niederlassungsleiter die Geräte hervorgehoben, bei denen ein Service ansteht, der Controller erhält Informationen über die Auslastungsrate der Flotte für den Soll-Ist-Abgleich und der Objektleiter kann die Position seiner Maschinen nachvollziehen, den Batteriestatus überprüfen und bei Bedarf Arbeitsdokumentationen erstellen.
Weitere Vorteile entstehen aus der Kombination von Kärcher Fleet mit einem Dienstleistungspaket von Kärcher: Service-Mitarbeiter des Reinigungsgeräteherstellers überwachen online alle Geräte und können Wartungsarbeiten rechtzeitig anstoßen, um teure Ausfälle zu vermeiden. Über eine Remote-Verbindung kann sich der Service-Techniker auf die Maschine zuschalten, Fehler analysieren und bei Bedarf online beheben.
Technisches Herzstück des Systems ist eine eigens entwickelte Telematik-Box von der Größe eines Smartphones, mit der zunächst Scheuersaug- und Kehrmaschinen ab Werk ausgestattet werden können. Ihre gesammelten Informationen werden verschlüsselt auf einer weltweit erreichbaren Server-Cloud zur Verfügung stellt. Die Box eignet sich auch zur Nachrüstung – sogar in Baureihen anderer Anbieter. Ausgeliefert wird sie mit einer Mobilfunkkarte, die rund um die Welt funktioniert.
Der digitale Waschraum
Auch im Waschraum findet die so genannte „digitale Revolution“ längst statt. Hagleitner Waschraum-Spender etwa können mit einem Funksystem ausgestattet werden, das alle relevanten Informationen wie Füllstand, Batteriestatus und die Anzahl der Abgaben in Echtzeit webbasiert an eine zentrale Stelle schickt (senseMANAGEMENT-System). Gleichzeitig zählt der sogenannte Counter die Frequenz der Waschraumeintritte und schickt auch diese Informationen ans Netz. Der Status aller Spender kann auch mit jedem internetfähigen mobilen Endgerät zeit- und ortsunabhängig kontrolliert werden.
Bei CWS-boco heißt die intelligente Technik, die den Unterhalt von Waschräumen künftig deutlich effizienter machen soll, „CWS smartMate, Nachfolger des „CWS Washroom Information Service“. Die Informationen über Füllstand, Nutzerverkehr, Reaktionszeit und Service-Anforderungen der Spender im Waschraum werden drahtlos an einen zentralen Server übermittelt, wo sie für jeden Anwender individuell aufbereitet werden.
Auch Tork ermöglicht mit seinem IT-basierten Waschraumservice EasyCube™ ein Reinigungsmanagement nach Bedarf, indem das Tool via Sensortechnologie in den verknüpften Papier- und Seifenspendern Daten zu Besucherzahlen und Füllständen in Echtzeit sammelt. Über eine intuitive Web-Anwendung erhält das Reinigungspersonal so detaillierte Informationen darüber, wie hoch das Besucheraufkommen sowie der Materialverbrauch sind.
Reinigungskraft mit VR-Brille?
Über kurz oder lang würden wir als Reinigungsdienstleister den Bereich Fußbodenreinigung an die Roboter verlieren, sagt Karlheinz Rohrwild, Geschäftsführender Gesellschafter der Dorfner Gruppe. Er könne sich letztlich aber noch intelligentere Lösungen vorstellen: „Zum Beispiel Sensoren, die den Boden kontrollieren und letztlich Auskunft geben, wenn irgendwo punktuell zu reinigen ist.“ Es gehe immer mehr in Richtung einer kompletten Rundumüberwachung, was die räumliche, aber auch die persönliche Situation angehe – wenn nämlich die Gerätschaften 24 Stunden am Tag getrackt würden.
Die Digitalisierung, einhergehend mit den Veränderungen, die durch die Industrie 4.0 angestoßen würden, werde die Branche jedenfalls nachhaltig verändern, ist Rohrwild überzeugt. Darin liege jedoch eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten, die auch das Bild unserer Reinigungskraft dauerhaft verändern würden: „Vom Abarbeiten von starren Vorgaben weg werden unsere Reinigungskräfte flexible und komplexe Arbeitsabläufe ausführen. Die Reinigungskraft wird in Zukunft über eine digitale Brille verfügen, die sie zum nächsten Arbeitseinsatz führt, ihr über ein Headset die Anweisungen in ihrer Landessprache über die auszuführende Arbeit gibt, welche zeitgleich auch über die VR-Brille als Simulation eingespielt wird und deren korrekte Ausführung gleich überwacht und bei falscher Ausführung richtig angezeigt wird (rot-grün-Signal).“ Dadurch sei nicht nur die fachgerechte Ausführung gewährleistet, sondern auch die tatsächlich geleistete Arbeit und deren Ausführung dokumentiert. Wobei eine Aufbewahrung des Videos der ausgeführten Leistung nur dann notwendig sei, wenn die Arbeiten nicht dem Verfahren gemäß ausgeführt würden.
„Vor allem aber wird es darum gehen, intelligente Lösungen in der Schmutzvermeidung und -beseitigung zu finden, nur diese werden einen Preis dann wirklich reduzieren bzw. das Preisniveau in einem vernünftigen Rahmen halten“, sagt Rohrwild.
„Es wird auch weiterhin Menschen brauchen“
Gerhard Komarek, Bundesberufsgruppensprecher und Wiener Innungsmeister, ist gewiss auch ein Freund von digitalen Technologien, allerdings etwas zurückhaltender mit dem Anstimmen von Zukunftsmusik: „Dass Roboter-Scheuersaugautomaten eigenständig große Bereiche wie Einkaufszentren oder Flughäfen bearbeiten werden, wird auch in den nächsten Jahren gang und gäbe sein. Dass aber einfache Reinigungstätigkeiten bis 2020 von Robotern erledigt werden, wie von einigen Personen prophezeit, glaube ich persönlich nicht. Die Gebäudereinigung ist immer noch ein Handwerk und so individuell und vielfältig, dass es Menschen braucht.“ Die Herausforderung der Digitalisierung sehe er bei der Gebäudereinigung eher im Bereich der digitalen Informationen von objektspezifischen Gegebenheiten, die bereits getestet und in naher Zukunft an die Reinigungskräfte übermittelt würden, um zu wissen, ob, wann und wie ein Raum gereinigt werden soll. „Für den Sanitärbereich melden jetzt schon Spender, wieviel an Papier oder Seife zur Nachfüllung pro Raum benötigt werden.“ Die Herausforderung dabei sei, das dafür notwendige geschulte Personal auch mit einem bestimmten Verständnis dafür zu finden.
Die Digitalisierung im Bereich der Beauftragung von Reinigungsdienstleistungen über das Internet, so wie es bereits Portale anböten – „die allerdings meiner Meinung nach nicht arbeitsrechtskonform agieren“ – werde eher im Privatbereich, aber nicht im gewerblichen Bereich genutzt, so Komarek. Sicher werde sich in den nächsten Jahren für die Gebäudedienstleistung einiges ändern und weiterentwickeln, mit allen digitalen Informationen rund um die professionelle Reinigung, „aber es wird auch weiterhin Menschen brauchen, die das umsetzen.“ Umso wichtiger werde es sein, die Arbeit attraktiver zu gestalten, zum Beispiel mit Tagesreinigungszeiten, um auch geeignetes Personal für die neuen Herausforderungen der nächsten Jahre rekrutieren zu können.