Anbieter von Winterdienstleistungen müssen sich um künftige Aufträge keine Sorgen machen. Und sie sind aufmerksam gegenüber neuen Technologien.
Text: Erika Hofbauer
Um einen Blick in die Zukunft werfen zu können, muss man zuerst zurückblicken. Michael Lederer, Geschäftsführer der LDS Lederer Gebäudereinigung GmbH, erinnert sich an die Anfänge: „Unser Familienunternehmen bietet seit 1994 Winterdienstleistungen an. Meine Eltern haben zu Beginn täglich mit der Wetterwarte des Flughafens Wien telefoniert, um zu erfahren, ob mit Schneefall oder Glatteis zu rechnen ist. Für die aktuelle Wetterlage hatten sie Kontakt zu diversen Taxifahrern, die in ganz Wien unterwegs waren und ihnen bei Beginn des Schneefalls von der Telefonzelle aus berichteten.“ Etwaige Reklamationen wurden per Fax oder sogar noch per Brief übermittelt, in den seltensten Fällen per Telefon. „Schriftliche Dokumentationen der Einsätze wurden in unzähligen Listen vorgenommen, Bilddokumentationen wurden von den Kunden gar nicht gefordert. Die Routen wurden mit dem guten alten XXL-Stadtplan erstellt, der im Vorzimmer der Zentrale hing“, erinnert sich Lederer. Seitdem hat sich freilich viel geändert: „Heute erhalten wir bis zu sechsmal täglich Wettervorhersagen von privaten Wetterstationen wie z.B. Ubimet und ZAMG, die unverzüglich von uns ausgewertet werden und in die Einsatzplanung einfließen.“ Die Winterdiensteinsätze werden in Echtzeit mittels GPS-Geräten verfolgt und auch dokumentiert, jedoch werden ergänzend noch immer handschriftliche Dokumentationen von den durchführenden Arbeitern erfasst, in denen sie Besonderheiten des Einsatzes festhalten, betont Lederer: „Von jedem geräumten Objekt werden Bilder als Durchführungsbestätigung im Akt zum jeweiligen Objekt abgelegt.“ Vor sechs Jahren schließlich wurde das eigens entwickelte Winterdienstprogramm „LDS Snow“ in Betrieb genommen, so Lederer: „Jahrzehntelange Erfahrung wurde sozusagen in einem Programm komprimiert. Hiermit können wir sämtliche Erfordernisse des Winterdienstes abdecken, von der optimalen Routen- und Einsatzplanung bis hin zu Abrechnungen und umfassenden Dokumentationen.“
Blick in die Zukunft
„Die Qualität der Wetterprognosen steigt stetig. Der Weg geht in Richtung digitale Echtzeitmeldungen per App“, ist der Winterdienst-Experte überzeugt: „Das Berliner Start-up MeteoGroup hat solche Echtzeitmeldungen für Niederschläge schon perfektioniert. So lässt sich fast minutengenau bis zu eine Stunde im Voraus sagen, wann und wo der Regen beginnt und aufhören wird. Ich bin überzeugt, dass es solche Dienste in naher Zukunft auch für Schneefall geben wird.“ Somit könne die Einsatzplanung durch zeitnahe Reaktionen auf die aktuelle Wetterlage noch präziser durchgeführt werden, ist sich Lederer sicher: „In diesem Bereich gibt es auch einige weitere spannende Startups, auf die wir ein Auge geworfen haben. Wir wollen uns im Zuge der weiteren Digitalisierung auch ganz von der „Zettelwirtschaft“ verabschieden. Durchführungsrückmeldungen werden in Echtzeit mittels Tablet oder Handy abgegeben und werden gemeinsam mit einer Bilddokumentation direkt in unserem Programm als Dokumentation abgelegt.“ Er kann sich auch vorstellen, dass zum Zwecke der Transparenz der Kunde auf diese Daten zugreifen kann und weiters z.B. den Räumeinsatz live mitverfolgen kann. „Zusammen mit einem Softwareanbieter beginnen wir noch dieses Jahr das LDS Snow im Sinne der Digitalisierung weiterzuentwickeln“, erzählt Lederer von neuen Projekten.
Personal notwendig
Visionäre Entwicklungen wie selbstfahrende Fahrzeuge sieht der LDS-Chef nicht als Bedrohung des Personalstandes an: „Den Verlust von Arbeitsplätzen an der Winterdienstfront durch einen Ersatz der Arbeiter durch z.B. selbstfahrende Räumfahrzeuge sehe ich trotz rasanter Entwicklung in der näheren Zukunft nicht, jedenfalls nicht im Bereich der Gehsteigräumung. Bei allen Überlegungen in Richtung Modernisierung und Digitalisierung darf nicht auf den Menschen dahinter vergessen werden.“ Sämtliche potentiellen Weiterentwicklungen werden in Gesprächen mit den durchführenden Arbeitern besprochen und deren Feedback fließt schließlich in alle weiteren Überlegungen ein, so Lederer.
Ähnlich beurteilt dies auch Robert Kletzander, Prokurist der Hausbetreuung Dimmi: „Wenn Sie den Klimawandel ansprechen, so glaube ich nicht, dass der Winterdienst in naher Zukunft obsolet werden wird. Da die Anrainerverpflichtung mit einer Haftung verbunden ist, wird niemand auch in milder werdenden Wintern einen möglichen Schadensfall riskieren.“ Kletzander führt ein Beispiel dazu an: „Es gibt zwar einen Trend, die Hausreinigung durch einen (vielleicht im Haus wohnenden) ,Hausbetreuer‘ erledigen zu lassen, der Winterdienst wird aus Haftungsgründen dennoch an eine Schneeräumfirma ausgelagert. Möglicherweise dürften die Wetterextreme zunehmen – also größere Niederschlagsmengen bei insgesamt weniger Einsatztagen. Umso wichtiger ist dann ein verlässlicher Winterdienst mit kontinuierlichem Personal“, ist der Dimmi-Prokurist überzeugt. „Firmen mit Kampfpreisen verschwinden oft genauso schnell wie sie am Markt auftauchen, denn der Kunde merkt den Qualitätsunterschied.“
Hohe Ansprüche
Mario Schindl, Vertriebsleiter des Maschinenring Niederösterreich-Wien, konstatiert immer höhere Ansprüche seitens der Kunden: „Sie werden immer anspruchsvoller insofern, als Ausschreibungen immer detaillierter werden. Sie fordern immer mehr Qualität, gleichzeitig wird der Preis ein wichtiges Thema bleiben.“ Darüber hinaus geht er davon aus, dass die Kunden auch weiterhin längerfristige Verträge abschließen möchten: „Denn dann kann man interessantere Preise bieten, beispielsweise Fixpreise für einen längeren Zeitraum. Für die Kunden bedeutet das budgetäre Planungssicherheit.“ Auch Schindl sieht einen Bedeutungsgewinn der digitalen Technik, vor allem das Thema GPS wird stärker im Fokus stehen: „Dabei geht es beispielsweise um die ortsgenaue Betreuung und die Nachweisbarkeit der erbrachten Leistung mit Hilfe von Orts-und Zeitaufzeichnungen“, so Schindl, der auch einen gewissen Öko-Aspekt in der künftigen Winterdienst-Tätigkeit erkennt: „Es werden zunehmend umweltschonendere Streu- und Taumittel gefordert. Allerdings ist im Moment der Preis der Knackpunkt, denn ökologische Varianten sind rund acht bis zehn Mal so teuer wie das herkömmliche Streusalz.“
GPS-Unterstützung
Die GPS-Technik bietet aber auch hier Unterstützung, verweist Schindl auf hauseigene Beispiele: „Wir können mit unserem Maschinenring Mobil RTK-Netz satellitengesteuert auf zwei Zentimeter genau fahren. Damit gibt es weniger Überlappungen, wir können genauere Routen festlegen und brauchen weniger Streumittel.“ Zu erwarten sei auch, dass die elektrische Streumengen-Regulierung zunimmt. Schindl: „Damit werden punktgenau die vorgesehenen Gramm auf den Quadratmeter aufgebracht. Auch das spart Ressourcen.“ Er glaubt weiters, dass die Wetterprognosen wichtiger werden: „Die Wetterextreme nehmen zu, damit müssen die Prognosen genauer werden – denn wenn es schneit, dann sehr viel auf einmal. Dafür müssen die Winterdienstleister gerüstet sein. Mini-Wetter-Fühler können dafür sorgen, dass lokal viel genauere Vorhersagen möglich sind.“ Bei den selbstfahrenden Räumfahrzeugen ist für Schindl weniger die Technik die Herausforderung als die Ethik: „Wie entscheidet das Fahrzeug, ob die Oma oder der Kinderwagen umgefahren wird? Wer programmiert das, wer haftet dafür? Aus meiner Sicht wird die Technik die Fahrer noch stärker unterstützen als heute, aber mit komplett autonomen Räumfahrzeugen auf der Straße rechne ich in zehn Jahren noch nicht.“
Flexibel reagieren
„Die Vorstellung, dass es keinen Winter mehr geben wird, können wir verwerfen“, meint Michael Hackl, Bereichsleiter Winterservice bei Attensam: „Die Wetterkapriolen – große Schneemengen in kurzer Zeit, gefrierender Regen oder Blitzeis – werden mehr, was uns die letzten Jahre schon bewiesen haben. Hier heißt es, so aufgestellt zu sein, um rasch und flexibel auf solche Ereignisse reagieren zu können.“ An stetiger Bedeutung gewinnt, dass Kunden mehr Informationen in kürzerer Zeit erhalten möchten und auch erhalten werden, glaubt Hackl. Das bedeutet, dass genau prognostiziert wird, wann wo wie geräumt und gestreut wird. „Dazu benötigen wir vermehrt Daten, die erfasst, verarbeitet und zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Zeit zwischen den Wintersaisonen ist daher keine Erholungs-, sondern eine intensive Entwicklungszeit, die genutzt wird, um in Zukunft diesen Ansprüchen und den Möglichkeiten gerecht zu werden.“ Hier werden Pläne verbessert und digital aufbereitet, Auslesebuttons zur Informationsgewinnung an den Gebäuden angebracht und die Mitarbeitenden intensiv geschult, denkt der Attensam-Experte an die praktische Umsetzung: „Technische Entwicklungen werden es ermöglichen, genauer und abgestimmt auf Wetterverhältnisse und Oberflächenbeschaffenheit Einsätze zu planen und Streumittel einzusetzen.“
Schneespäher
Es wird jedoch auch in Zukunft Menschen als „Schneespäher“ geben, die die Lage vor Ort einschätzen und anhand ihrer Erfahrung den Zeitpunkt eines Einsatzes bestimmen“, sieht Hackl stetige Personalintensität gegeben. In diesem Zusammenhang ist für ihn eher ein Zukunftsthema, geeignete Personen, die bereit sind, im Winterservice zu arbeiten, zu finden und zu halten. Bei der Frage nach selbstfahrenden Räumfahrzeugen verweist Hackl auf erste Versuche in Deutschland: „Das Frauenhofer-Institut erforscht bereits heute den Einsatz von unbemannten Räumfahrzeugen in Deutschland – sicherlich für Großflächen wie Flughäfen eine kommende Entwicklung. Für Liegenschaften, wie wir sie betreuen, bleibt der Mensch noch das Maß der Dinge.“ Zukünftig wird es jedoch keine gedruckten Routenpläne mehr geben, sondern Routen und Räumflächen werden vom Navigationssystem vorgegeben und je nach Witterung dynamisch und ressourcenoptimiert in Echtzeit geplant, glaubt Hackl: „Wir haben deshalb ein Planungstool entwickelt, das bereits in der Saison 2018/2019 zu 100 Prozent zum Einsatz kommt und nach dieser Saison noch weiterentwickelt wird.“