Die Coronakrise hat(te) wohl jede Branche fest im Griff. Im Security-Portfolio sind einige Services durch die Pandemie neu oder verstärkt hinzugekommen. Einige davon werden wohl noch längere Zeit bleiben.
Text: Erika Hofbauer
Salopp formuliert, sei die Sicherheitsbranche mit einem „blauen Auge” durch die bisherige Pandemiezeit gekommen, bewertet Martin Wiesinger, Geschäftsführer von Securitas und Fachgruppenvorsitzender des Verbandes der Sicherheitsunternehmen Österreichs (VSÖ), die vergangenen Jahre. Ein bis dahin eigentlich für jedermann unvorstellbares abruptes Ende des öffentlichen Lebens und der sozialen Kontakte habe natürlich auch eine sofortige Auswirkung auf diverse Geschäftsfelder bei den Sicherheitsdienstleistern gehabt, sagt Wiesinger und führt beispielhaft Fluggastkontrollen oder Event-Security an. „Dafür war und ist in anderen Bereichen teilweise massiver Bedarf gegeben, den die Branche nun verstärkt abzudecken hat. Darunter fallen zum Beispiel Zutrittskontrollen im Gesundheitsbereich (Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen) und in öffentlichen Gebäuden (3G-Nachweis).“ Ebenso seien Aufgaben wie Queue Management und Besetzung von Impf- und Teststraßen dazugekommen sowie Kontrollen im Bereich Lebensmittelhandel und Pandemieterminals.
Das kann Raimund Prais, Vertriebsdirektor der HEL-WACHT Holding GmbH, nur bestätigen: „Zutrittskontrollen sind der Renner in der Dienstleistung durch Security geworden.“
Smarte Lösungen
Ujbien Shehu, Direktor Sicherheitsberatung und Geschäftsführer der G4S Security Systems GmbH, sieht durch die Corona-Pandemie Digitalisierungs- und Automatisierungstrends auch im Bereich der Sicherheit verstärkt in den Fokus gekommen: „Touchfree-Sicherheitstechnologien – wie z.B. Zutrittssysteme über RFID, NFC etc. – rückten weiter ins Blickfeld. Smart Parking über Kennzeichenerkennung ersetzte klassische Ticket-Parking-Systeme. Personelle Überwachung von großen Arealen in der Nacht wurde durch Virtual-Guarding-Lösungen ergänzt oder teilweise komplett ersetzt.“
Alexander Kiss, ÖWD-Direktor Wien/Bgld./NÖ, bemerkte in den Pandemiezeiten, dass Kunden sehr kurzfristig teils wirklich große Personalbedarfe abgerufen haben. Der sehr personalintensive Bereich des Sicherheitssupports von Impfzentren, Quarantäneeinrichtungen oder Test-Straßen könne sicher auch als Novum bezeichnet werden, so Kiss, denn: „Hier gab es ja de facto noch keine Erfahrungswerte. Tätigkeiten wie Fiebermessen oder die korrekte Erstinformation an Besucher zu Covid–Vorschriften mussten regelrecht trainiert werden.“ Im technischen Bereich habe man das Produkt-Portfolio aufgrund der Pandemie erweitert, so Kiss: „Unser Green-Pass-Scanner Terminal ermöglicht eine einfache und automatisierte Überprüfung des 3G Nachweises. Das Gesichtserkennungsterminal misst die Körpertemperatur und überprüft, ob eine Maske getragen wird. Es ist möglich, die aktuellen Vorschriften für verschiedenste Kunden oder Branchen entsprechend anzupassen und das Terminal individuell zu konfigurieren.“ Eine weitere Neuheit war die 3D Personenzählung: „Die damalige Situation erforderte einen genauen Überblick über die Anzahl der Personen, die sich in einem Objekt befinden. Unser System ermöglichte eine genaue, schnelle und effiziente Personenzählung mit Live Anzeige im Objekt. Die exakte Unterscheidung zwischen Mensch und Objekt ist kein Problem. Bei Überschreitung der erlaubten Anzahl an Personen wird ein Alarm ausgelöst oder ein Mitarbeiter informiert, um gegebenenfalls notwendige Maßnahmen zu setzen.“
Gekommen, um zu bleiben
„Auch wenn wir uns das nicht wünschen, werden verstärkte Zutrittskontrollen mit entsprechenden Pandemievorkehrungsmaßnahmen vor allem im Gesundheitsbereich zum Teil bestehen bleiben und eventuell auch wieder auf Flughäfen und im Event-Bereich zum Einsatz kommen“, glaubt Securitas-Chef Wiesinger. Die Branche werde auch zukünftig gefordert sein: „Es braucht nicht nur besondere Flexibilität in den Unternehmensstrukturen, sondern viel mehr auch die Bereitstellung enormer personeller Ressourcen, was wiederum in Zeiten allgemeinen Arbeitskräftemangels eine weitere immense Herausforderung darstellt.“ Die VSÖ-Mitgliedsunternehmen gehen aber bereits seit Jahren nicht nur im Bereich „people management” einen guten Weg, betont Wiesinger, denn: „Mit der Besetzung einer Portiersloge ist es nicht mehr getan. Unsere Kunden wünschen sich vielmehr eine umfassende Beratung und Betreuung in Sicherheits- und weiteren Dienstleistungsbelangen.“ Das beurteilt auch G4S-Direktor Ujbien Shehu ähnlich: „Zutrittskontrollen sind weiterhin ein wichtiges Thema, vor allem im Bereich der kritischen Infrastruktur. Temperaturmessungen werden ebenso vereinzelt als Maßnahme zur Reduktion der Infektionsrisiken weiterhin eingesetzt.“ Auch technische Bewachungslösungen werden seiner Meinung nach weiter an Bedeutung gewinnen: „Beim Personal steigen die Anforderungen hinsichtlich Skills und Ausbildung. Unternehmen müssen schneller auf globale wie auch lokale Sicherheitsrisiken und Herausforderungen reagieren und koordinierte Maßnahmen setzen.“ Einzelne Lösungen (z.B. nur technische oder nur personelle Bewachung) reichen oft nicht aus, um Risiken zu vermindern, ist auch Shehu überzeugt: „Die Notwendigkeit für kombinierte oder integrierte Sicherheitslösungen wird an Bedeutung gewinnen.“
Blackout-Management
HEL-WACHT-Vertriebsdirektor Prais will differenzieren: „Manche Dienstleistungen werden wohl nicht mehr im gleichen Ausmaß gefragt sein, aber die Energiewende mit dem steigenden Risiko eines Blackouts wird uns in den nächsten Monaten und Jahren begleiten. Hier sind Notrufzentralen gefordert, für Kunden Aufgaben während des Blackouts zu übernehmen und Lösungen anzubieten.“ Diese reichen von der Geschäfts- oder Gebäudesicherung bis hin zu vermehrten Anfragen für ein Schlüssel-Depot, auf das auch im Ernstfall zugegriffen werden kann: Sei es mittels Alarmfahrer, der die Schlüssel bringt, oder, dass der Schlüssel rund um die Uhr abgeholt werden kann – auch während des Blackouts. Prais: „An unserem neuen, energieeffizenten Standort in Wien 21 können wir autark weiterarbeiten, mittels Notstromversorgung und Satellitentelefonie wird die Kommunikation, wenn auch eingeschränkt, aufrecht erhalten. Selbst unseren elektrifizierten Fuhrpark können wir mittels Photovoltaikanlage mit 133 kWp und den Notstromdieseln mit Strom versorgen.“ Im Bereich Zutrittskontrollen merkt ÖWD-Direktor Kiss, dass der Trend stark Richtung Biometrie geht: „Fingerprint Scanner erwiesen sich während der Pandemie als sehr unhygienisch, da sie nicht ständig desinfiziert werden konnten.“ Die Zukunft, so Kiss, liege vereinfacht ausgedrückt darin, Kunden in derartigen, länger andauernden Lagen rasch mit tauglichem Personal oder Technologie zu unterstützen: „Das Angebot muss operativ top, aber wirtschaftlich interessant sein. Da wird sich die Spreu vom Weizen trennen.“